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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Chemie im 17. Jahrhundert.
hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die
Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.

Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den
alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen,
wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch
ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug
auf das Eisen behauptete er, dass es auf diese Weise entstehen
könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als-
dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall-
erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage
diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei-
mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er-
scheinung sehr geheimnisvoll.

Ebenso verfocht er die Ansicht, dass man Eisen nicht nur so
weich wie Blei machen könne, sondern dass es sich thatsächlich in
Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334):
Es scheint, dass das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei
verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an-
geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich
zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs
zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten.
Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, dass es sich in Eisen um-
wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile;
hinc un um facile in aliud mutatur).

Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der
terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi-
sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der
Metalle und ihrer Oxyde.

Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen
reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, dass
Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle
seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge-
treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen
Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten
aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit
von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war

1) Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea
metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher
hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die
Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.

Die Chemie im 17. Jahrhundert.
hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die
Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte.

Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den
alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen,
wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch
ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug
auf das Eisen behauptete er, daſs es auf diese Weise entstehen
könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als-
dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall-
erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage
diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei-
mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er-
scheinung sehr geheimnisvoll.

Ebenso verfocht er die Ansicht, daſs man Eisen nicht nur so
weich wie Blei machen könne, sondern daſs es sich thatsächlich in
Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334):
Es scheint, daſs das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei
verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an-
geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich
zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs
zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten.
Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, daſs es sich in Eisen um-
wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile;
hinc un um facile in aliud mutatur).

Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der
terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi-
sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der
Metalle und ihrer Oxyde.

Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen
reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, daſs
Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle
seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge-
treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen
Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten
aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit
von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war

1) Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea
metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher
hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die
Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.
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[962/0984] Die Chemie im 17. Jahrhundert. hin, welche durch Stahl zu einem System ausgebildet wurde, das die Chemie des 18. Jahrhunderts beherrschte. Während Becher in seiner Verbrennungstheorie sich von den alten Überlieferungen frei machte, war er in vielen andern Dingen, wie namentlich bezüglich der Lehre von der Metallverwandlung, noch ganz in dem Aberglauben der Alchymisten befangen. Gerade in Bezug auf das Eisen behauptete er, daſs es auf diese Weise entstehen könnte 1). Er tränkte Lehm mit Öl, glühte dieses Gemisch und zog als- dann mit dem Magnet Eisen aus. Er glaubte dadurch die Metall- erzeugung nachgewiesen zu haben. Jeder Schüler versteht heutzutage diesen Vorgang, der sich aus der Reduktion der eisenhaltigen Bei- mengungen des Lehms erklärt; in jener Zeit aber erschien diese Er- scheinung sehr geheimnisvoll. Ebenso verfocht er die Ansicht, daſs man Eisen nicht nur so weich wie Blei machen könne, sondern daſs es sich thatsächlich in Blei verwandle. In seiner Physica subterranea sagt er bereits (S. 334): Es scheint, daſs das Eisen durch Zutritt merkurialischer Erde in Blei verwandelt wird. Er führt dies in seinen Beilagen zu dem an- geführten Werke (Specimen Becherianum) weiter aus, indem er sich zunächst auf die Chinesen beruft, die Eisen so weich wie Wachs zu machen verständen, und auf solches, was sie wollten, aufpressten. Von dem Kupfer behauptet er bestimmt, daſs es sich in Eisen um- wandle und umgekehrt (Cuprum mixtum est, ferro in multis simile; hinc un um facile in aliud mutatur). Die Verkalkung beruht nach Becher auf dem Austreiben der terra pinguis durch Feuer. So weit entfernt war damals die chemi- sche Wissenschaft noch von der richtigen Erkenntnis des Wesens der Metalle und ihrer Oxyde. Die populäre Chemie, soweit man in jener Zeit von einer solchen reden kann, hielt nach wie vor fest an den Principien Gebers, daſs Quecksilber und Schwefel die wesentlichen Bestandteile aller Metalle seien, wozu seit Basilius Valentinus als dritter noch das Salz ge- treten war. Welche phantastische Vorstellungen man sich unter diesen Elementarsubstanzen oder Principien machte, geht am deutlichsten aus dem besten und verbreitetsten Lehrbuch der Chemie jener Zeit von Christof Glaser hervor. Glaser, ein geborener Baseler, war 1) Becher, Experimentum chymicum novum, quo artificialis et instantanea metallorum generatio et transmutatio ad oculos demonstratur. 1671. Becher hat auch eine Metallurgia oder Natur-Kündigung der Metalle geschrieben, für die Wissenschaft der Metallurgie ist dieselbe aber wertlos.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 962. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/984>, abgerufen am 18.04.2024.