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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Erfindung der Winderhitzung 1829.
wendung. Als ein glänzendes Beispiel hierfür aus Deutschland darf
die Erbauung der schmiedeeisernen Kuppel über dem östlichen Turm
des Mainzer Domes im Jahre 1828 angeführt werden. Für die Ver-
wendung des Stahles im Bauwesen war es ein geschichtliches Ereig-
nis, dass Mitis bei dem Bau des Karlssteges über die Donau im
Jahre 1828 Stahl anstatt Schmiedeeisen verwendete.

Erfindung der Winderhitzung beim Hochofenbetriebe 1829.

Durch solche Unternehmungen steigerte sich der Eisenverbrauch
in einer fast Besorgnis erregenden Weise. Um so zeitgemässer und
willkommener war eine Erfindung, die, ohne neue Schmelzöfen zu er-
fordern, die Roheisenproduktion verdoppelte. Es war dies die An-
wendung der erhitzten Gebläseluft
.

Die Einführung des heissen Windes war die wichtigste Verbesse-
rung des Hochofenbetriebes seit seinem Bestehen, eine Erfindung, die
auf das ganze Eisenhüttenwesen einen grossen Einfluss geübt hat.
Das Verdienst dieser Erfindung gebührt James Beaumont Neilson 1).

Dieser war am 22. Juni 1792 als der Sohn eines Arbeiters in
der Nähe von Glasgow geboren. Sein Vater war Maschinist bei einem
Kohlenbergwerk, und Beaumont, der früh mechanisches Geschick
zeigte, trat, nachdem er im 14. Jahre die Schule verlassen, bei seinem
älteren Bruder John, der Maschinist zu Oakbank bei Glasgow war,
in die Lehre. Nach dreijähriger Lehrzeit arbeitete er noch einige
Zeit im Tagelohn bei seinem Bruder, bis er 1814 selbst Maschinist
bei einem William Taylor wurde. Dieser fallierte aber im Jahre
1816, Neilson verlor seine Stelle und würde in bittere Not geraten
sein, wenn seine junge Frau, die er ein Jahr zuvor geheiratet
hatte, nicht eine kleine Mitgift mit in das Haus gebracht hätte. So
konnte er zuwarten, bis er im Jahre 1817 eine Aufseherstelle in der
neu errichteten ersten Gasfabrik in Glasgow erhielt. Neilson hatte
zwar nie zuvor Gaslicht gesehen, aber er war ein offener Kopf und

1) Der Admiralitäts-Physikus Seddler hatte bereits gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts bei Versuchen mit dem Lötrohr wahrgenommen, dass die Wirkung des
erwärmten Sauerstoffgases viel stärker war als die des kalten, und ist diese Notiz
in Nicholsons Journal of physic. sciences von 1799 mitgeteilt. J. F. Leuchs
schlug in seinem Handbuch für Fabrikanten, Bd. 8, S. 388 (Nürnberg 1822) vor, bei
Schmelzöfen unter dem Herde und in der Wand des Ofens oder im Rauchfange
Röhren einzulegen, in diesen die Gebläseluft zu erwärmen, zugleich Wasserdämpfe
zu erzeugen und beides in Verbindung dem Feuer zuzuführen. Beide Notizen
haben auf Neilsons Erfindung keinen Einfluss geübt und sind mehr als Curiosa
bemerkenswert.

Erfindung der Winderhitzung 1829.
wendung. Als ein glänzendes Beispiel hierfür aus Deutschland darf
die Erbauung der schmiedeeisernen Kuppel über dem östlichen Turm
des Mainzer Domes im Jahre 1828 angeführt werden. Für die Ver-
wendung des Stahles im Bauwesen war es ein geschichtliches Ereig-
nis, daſs Mitis bei dem Bau des Karlssteges über die Donau im
Jahre 1828 Stahl anstatt Schmiedeeisen verwendete.

Erfindung der Winderhitzung beim Hochofenbetriebe 1829.

Durch solche Unternehmungen steigerte sich der Eisenverbrauch
in einer fast Besorgnis erregenden Weise. Um so zeitgemäſser und
willkommener war eine Erfindung, die, ohne neue Schmelzöfen zu er-
fordern, die Roheisenproduktion verdoppelte. Es war dies die An-
wendung der erhitzten Gebläseluft
.

Die Einführung des heiſsen Windes war die wichtigste Verbesse-
rung des Hochofenbetriebes seit seinem Bestehen, eine Erfindung, die
auf das ganze Eisenhüttenwesen einen groſsen Einfluſs geübt hat.
Das Verdienst dieser Erfindung gebührt James Beaumont Neilson 1).

Dieser war am 22. Juni 1792 als der Sohn eines Arbeiters in
der Nähe von Glasgow geboren. Sein Vater war Maschinist bei einem
Kohlenbergwerk, und Beaumont, der früh mechanisches Geschick
zeigte, trat, nachdem er im 14. Jahre die Schule verlassen, bei seinem
älteren Bruder John, der Maschinist zu Oakbank bei Glasgow war,
in die Lehre. Nach dreijähriger Lehrzeit arbeitete er noch einige
Zeit im Tagelohn bei seinem Bruder, bis er 1814 selbst Maschinist
bei einem William Taylor wurde. Dieser fallierte aber im Jahre
1816, Neilson verlor seine Stelle und würde in bittere Not geraten
sein, wenn seine junge Frau, die er ein Jahr zuvor geheiratet
hatte, nicht eine kleine Mitgift mit in das Haus gebracht hätte. So
konnte er zuwarten, bis er im Jahre 1817 eine Aufseherstelle in der
neu errichteten ersten Gasfabrik in Glasgow erhielt. Neilson hatte
zwar nie zuvor Gaslicht gesehen, aber er war ein offener Kopf und

1) Der Admiralitäts-Physikus Seddler hatte bereits gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts bei Versuchen mit dem Lötrohr wahrgenommen, daſs die Wirkung des
erwärmten Sauerstoffgases viel stärker war als die des kalten, und ist diese Notiz
in Nicholsons Journal of physic. sciences von 1799 mitgeteilt. J. F. Leuchs
schlug in seinem Handbuch für Fabrikanten, Bd. 8, S. 388 (Nürnberg 1822) vor, bei
Schmelzöfen unter dem Herde und in der Wand des Ofens oder im Rauchfange
Röhren einzulegen, in diesen die Gebläseluft zu erwärmen, zugleich Wasserdämpfe
zu erzeugen und beides in Verbindung dem Feuer zuzuführen. Beide Notizen
haben auf Neilsons Erfindung keinen Einfluſs geübt und sind mehr als Curiosa
bemerkenswert.
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[310/0326] Erfindung der Winderhitzung 1829. wendung. Als ein glänzendes Beispiel hierfür aus Deutschland darf die Erbauung der schmiedeeisernen Kuppel über dem östlichen Turm des Mainzer Domes im Jahre 1828 angeführt werden. Für die Ver- wendung des Stahles im Bauwesen war es ein geschichtliches Ereig- nis, daſs Mitis bei dem Bau des Karlssteges über die Donau im Jahre 1828 Stahl anstatt Schmiedeeisen verwendete. Erfindung der Winderhitzung beim Hochofenbetriebe 1829. Durch solche Unternehmungen steigerte sich der Eisenverbrauch in einer fast Besorgnis erregenden Weise. Um so zeitgemäſser und willkommener war eine Erfindung, die, ohne neue Schmelzöfen zu er- fordern, die Roheisenproduktion verdoppelte. Es war dies die An- wendung der erhitzten Gebläseluft. Die Einführung des heiſsen Windes war die wichtigste Verbesse- rung des Hochofenbetriebes seit seinem Bestehen, eine Erfindung, die auf das ganze Eisenhüttenwesen einen groſsen Einfluſs geübt hat. Das Verdienst dieser Erfindung gebührt James Beaumont Neilson 1). Dieser war am 22. Juni 1792 als der Sohn eines Arbeiters in der Nähe von Glasgow geboren. Sein Vater war Maschinist bei einem Kohlenbergwerk, und Beaumont, der früh mechanisches Geschick zeigte, trat, nachdem er im 14. Jahre die Schule verlassen, bei seinem älteren Bruder John, der Maschinist zu Oakbank bei Glasgow war, in die Lehre. Nach dreijähriger Lehrzeit arbeitete er noch einige Zeit im Tagelohn bei seinem Bruder, bis er 1814 selbst Maschinist bei einem William Taylor wurde. Dieser fallierte aber im Jahre 1816, Neilson verlor seine Stelle und würde in bittere Not geraten sein, wenn seine junge Frau, die er ein Jahr zuvor geheiratet hatte, nicht eine kleine Mitgift mit in das Haus gebracht hätte. So konnte er zuwarten, bis er im Jahre 1817 eine Aufseherstelle in der neu errichteten ersten Gasfabrik in Glasgow erhielt. Neilson hatte zwar nie zuvor Gaslicht gesehen, aber er war ein offener Kopf und 1) Der Admiralitäts-Physikus Seddler hatte bereits gegen Ende des 18. Jahr- hunderts bei Versuchen mit dem Lötrohr wahrgenommen, daſs die Wirkung des erwärmten Sauerstoffgases viel stärker war als die des kalten, und ist diese Notiz in Nicholsons Journal of physic. sciences von 1799 mitgeteilt. J. F. Leuchs schlug in seinem Handbuch für Fabrikanten, Bd. 8, S. 388 (Nürnberg 1822) vor, bei Schmelzöfen unter dem Herde und in der Wand des Ofens oder im Rauchfange Röhren einzulegen, in diesen die Gebläseluft zu erwärmen, zugleich Wasserdämpfe zu erzeugen und beides in Verbindung dem Feuer zuzuführen. Beide Notizen haben auf Neilsons Erfindung keinen Einfluſs geübt und sind mehr als Curiosa bemerkenswert.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/326>, abgerufen am 29.03.2024.