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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870.

Welchen grossartigen Umfang die Thomasstahlerzeugung von
1879 bis 1892 angenommen hat, ist aus der S. 309 mitgeteilten Zu-
sammenstellung von Percy G. Gilchrist 1) ersichtlich.

Aus dieser Übersicht erhellt auch, welchen hervorragenden
Anteil Deutschland an der Entwickelung des Thomasprozesses ge-
nommen hat, dessen Produktion 1892 fast 63 Prozent der Gesamt-
erzeugung der Welt betrug.

1896 war die Erzeugung von Thomasflusseisen in Deutschland
bereits auf 3004615 Tonnen gestiegen.

Betrachtet man die neuesten Fortschritte des Bessemerns, ob
sauer oder basisch, so bewegten sie sich vornehmlich in der Vervoll-
kommnung der Betriebseinrichtungen zur Erzielung grösserer Lei-
stungen. Dies wirkte wieder zurück auf die Apparate und benutzt
man gegenwärtig bereits Birnen von 50 Tonnen Fassungsraum.

Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870.

Auf die Entwickelung der Flussstahlbereitung in Flammöfen oder
des Martinverfahrens (Siemens-Martin- oder Open-Hearth-Prozess)
hat die Erfindung von Thomas und Gilchrist ebenfalls einen
grossen Einfluss ausgeübt.

In den siebziger Jahren kannte man nur das Schmelzen auf
saurem Herde, das Martinieren. Hierfür konnte, wie bei dem Besse-
mern, nur phosphor- und schwefelfreies Eisen verwendet werden,
weil bei dem Prozess Schwefel wenig, Phosphor gar nicht abgeschieden
wurde. Dies beschränkte und verteuerte diese Fabrikation. Infolge-
dessen entwickelte sie sich in diesem Jahrzehnt weit langsamer als
in dem folgenden nach Einführung des basischen Verfahrens. Leider
ist die Statistik hierüber lückenhaft. Nur für England, die Ver-
einigten Staaten, Österreich-Ungarn und Schweden liegen Angaben
über die jährliche Erzeugung von Flammofenflusseisen oder Martin-
stahl vor. Die anderen Länder, namentlich auch Deutschland, ent-
behren einer Statistik der verschiedenen Flusseisen- und Stahlsorten
in früherer Zeit gänzlich.

Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Zunahme der Martin-
stahlerzeugung in den erstgenannten Ländern von 1870 bis 1879 in
Kilotonnen.


1) Stahl und Eisen 1893, Nr. 11, S. 453 und 1897, S. 352.
Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Welchen groſsartigen Umfang die Thomasstahlerzeugung von
1879 bis 1892 angenommen hat, ist aus der S. 309 mitgeteilten Zu-
sammenstellung von Percy G. Gilchrist 1) ersichtlich.

Aus dieser Übersicht erhellt auch, welchen hervorragenden
Anteil Deutschland an der Entwickelung des Thomasprozesses ge-
nommen hat, dessen Produktion 1892 fast 63 Prozent der Gesamt-
erzeugung der Welt betrug.

1896 war die Erzeugung von Thomasfluſseisen in Deutschland
bereits auf 3004615 Tonnen gestiegen.

Betrachtet man die neuesten Fortschritte des Bessemerns, ob
sauer oder basisch, so bewegten sie sich vornehmlich in der Vervoll-
kommnung der Betriebseinrichtungen zur Erzielung gröſserer Lei-
stungen. Dies wirkte wieder zurück auf die Apparate und benutzt
man gegenwärtig bereits Birnen von 50 Tonnen Fassungsraum.

Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870.

Auf die Entwickelung der Fluſsstahlbereitung in Flammöfen oder
des Martinverfahrens (Siemens-Martin- oder Open-Hearth-Prozeſs)
hat die Erfindung von Thomas und Gilchrist ebenfalls einen
groſsen Einfluſs ausgeübt.

In den siebziger Jahren kannte man nur das Schmelzen auf
saurem Herde, das Martinieren. Hierfür konnte, wie bei dem Besse-
mern, nur phosphor- und schwefelfreies Eisen verwendet werden,
weil bei dem Prozeſs Schwefel wenig, Phosphor gar nicht abgeschieden
wurde. Dies beschränkte und verteuerte diese Fabrikation. Infolge-
dessen entwickelte sie sich in diesem Jahrzehnt weit langsamer als
in dem folgenden nach Einführung des basischen Verfahrens. Leider
ist die Statistik hierüber lückenhaft. Nur für England, die Ver-
einigten Staaten, Österreich-Ungarn und Schweden liegen Angaben
über die jährliche Erzeugung von Flammofenfluſseisen oder Martin-
stahl vor. Die anderen Länder, namentlich auch Deutschland, ent-
behren einer Statistik der verschiedenen Fluſseisen- und Stahlsorten
in früherer Zeit gänzlich.

Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Zunahme der Martin-
stahlerzeugung in den erstgenannten Ländern von 1870 bis 1879 in
Kilotonnen.


1) Stahl und Eisen 1893, Nr. 11, S. 453 und 1897, S. 352.
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[694/0710] Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870. Welchen groſsartigen Umfang die Thomasstahlerzeugung von 1879 bis 1892 angenommen hat, ist aus der S. 309 mitgeteilten Zu- sammenstellung von Percy G. Gilchrist 1) ersichtlich. Aus dieser Übersicht erhellt auch, welchen hervorragenden Anteil Deutschland an der Entwickelung des Thomasprozesses ge- nommen hat, dessen Produktion 1892 fast 63 Prozent der Gesamt- erzeugung der Welt betrug. 1896 war die Erzeugung von Thomasfluſseisen in Deutschland bereits auf 3004615 Tonnen gestiegen. Betrachtet man die neuesten Fortschritte des Bessemerns, ob sauer oder basisch, so bewegten sie sich vornehmlich in der Vervoll- kommnung der Betriebseinrichtungen zur Erzielung gröſserer Lei- stungen. Dies wirkte wieder zurück auf die Apparate und benutzt man gegenwärtig bereits Birnen von 50 Tonnen Fassungsraum. Fortschritte der Herdfluſsstahlbereitung seit 1870. Auf die Entwickelung der Fluſsstahlbereitung in Flammöfen oder des Martinverfahrens (Siemens-Martin- oder Open-Hearth-Prozeſs) hat die Erfindung von Thomas und Gilchrist ebenfalls einen groſsen Einfluſs ausgeübt. In den siebziger Jahren kannte man nur das Schmelzen auf saurem Herde, das Martinieren. Hierfür konnte, wie bei dem Besse- mern, nur phosphor- und schwefelfreies Eisen verwendet werden, weil bei dem Prozeſs Schwefel wenig, Phosphor gar nicht abgeschieden wurde. Dies beschränkte und verteuerte diese Fabrikation. Infolge- dessen entwickelte sie sich in diesem Jahrzehnt weit langsamer als in dem folgenden nach Einführung des basischen Verfahrens. Leider ist die Statistik hierüber lückenhaft. Nur für England, die Ver- einigten Staaten, Österreich-Ungarn und Schweden liegen Angaben über die jährliche Erzeugung von Flammofenfluſseisen oder Martin- stahl vor. Die anderen Länder, namentlich auch Deutschland, ent- behren einer Statistik der verschiedenen Fluſseisen- und Stahlsorten in früherer Zeit gänzlich. Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Zunahme der Martin- stahlerzeugung in den erstgenannten Ländern von 1870 bis 1879 in Kilotonnen. 1) Stahl und Eisen 1893, Nr. 11, S. 453 und 1897, S. 352.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/710>, abgerufen am 28.03.2024.