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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Frankreich.

Bezüglich der Fortschritte der französischen Eisenindustrie sind
in chronologischer Folge nachfolgende Ereignisse zu erwähnen. 1870
wurde der Schutzzoll für Eisen erhöht, um französisches Puddeleisen
gegen schwedisches Schweisseisen konkurrenzfähig zu erhalten. 1871
führte Berard zu Givors ein neues Stahlschmelzverfahren, das einer
Treibarbeit auf beweglichem, auswechselbarem Herde entsprach, ein.
Es war dem Martinprozess ähnlich, nur wurde Gebläsewind auf das
flüssige Eisenbad geblasen und später dem überblasenen Flusseisen
Spiegeleisen zur Rückkohlung zugesetzt. Dieser Betrieb wurde von
Whitney in England eingeführt.

De Laglade baute 1871 zu Savignac einen Puddelofen mit
Regenerator nach Plänen von W. Siemens, in dem gewaschene
Hochofengase zur Verwendung kamen. Das Waschen der Gase geschah
nach einem von Laglade erfundenen und patentierten Verfahren
mit Wasserbrause. Dieser Gaspuddelprozess war wesentlich billiger
als der vordem in Burgund übliche und Laglade erzielte damit an-
geblich eine Ersparnis von 80 Frcs. für die Tonne.

1872 befürwortete der hervorragende Metallurge Gruner, dessen
vortreffliche analytische Studien über den Hochofen 1871 erschienen
waren, die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag beim Erz-
schmelzen. -- Valton schmolz in demselben Jahre Siliciumeisen mit
10 bis 12 Prozent Silicium in Tiegeln, während es M. A. Pourcel
um dieselbe Zeit zu Terre-Noire gelang, Silico-Spiegeleisen im Hoch-
ofen darzustellen.

1873 trat Ponsard mit seinem beständig wirkenden Regenerator,
bei dem die Abhitze zur Erwärmung der Verbrennungsluft in zahl-
reichen Kanälen verwendet wurde, auf.

Unter den hervorragenden Betrieben jener Zeit verdienen die
Bandagenfabrik von Petin & Gaudet, die Röhrengiessereien zu
Pont-a-Mousson und Frouard und die Spiegeleisenfabrikation zu
Alais Erwähnung.

Darmoys mechanisches Puddelverfahren wurde 1873 zu Riancourt
eingeführt. Simon und Lemut hatten einen rotierenden Puddelofen
konstruiert. Hochöfen nach dem System von Büttgenbach in Neuss
wurden in Anzin, Givors, Lyon, St.-Louis bei Marseille und zu
St.-Dizier erbaut.

Auf der Hütte zu l'Aveyron erzeugte man 1873 ein Roheisen mit
6 bis 7 Prozent Silicium, das als Fonte glacee in den Handel kam;
auch die Hütte St.-Louis bei Marseille erblies ein Roheisen mit etwa
4 Prozent Silicium.


Frankreich.

Bezüglich der Fortschritte der französischen Eisenindustrie sind
in chronologischer Folge nachfolgende Ereignisse zu erwähnen. 1870
wurde der Schutzzoll für Eisen erhöht, um französisches Puddeleisen
gegen schwedisches Schweiſseisen konkurrenzfähig zu erhalten. 1871
führte Bérard zu Givors ein neues Stahlschmelzverfahren, das einer
Treibarbeit auf beweglichem, auswechselbarem Herde entsprach, ein.
Es war dem Martinprozeſs ähnlich, nur wurde Gebläsewind auf das
flüssige Eisenbad geblasen und später dem überblasenen Fluſseisen
Spiegeleisen zur Rückkohlung zugesetzt. Dieser Betrieb wurde von
Whitney in England eingeführt.

De Laglade baute 1871 zu Savignac einen Puddelofen mit
Regenerator nach Plänen von W. Siemens, in dem gewaschene
Hochofengase zur Verwendung kamen. Das Waschen der Gase geschah
nach einem von Laglade erfundenen und patentierten Verfahren
mit Wasserbrause. Dieser Gaspuddelprozeſs war wesentlich billiger
als der vordem in Burgund übliche und Laglade erzielte damit an-
geblich eine Ersparnis von 80 Frcs. für die Tonne.

1872 befürwortete der hervorragende Metallurge Gruner, dessen
vortreffliche analytische Studien über den Hochofen 1871 erschienen
waren, die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag beim Erz-
schmelzen. — Valton schmolz in demselben Jahre Siliciumeisen mit
10 bis 12 Prozent Silicium in Tiegeln, während es M. A. Pourcel
um dieselbe Zeit zu Terre-Noire gelang, Silico-Spiegeleisen im Hoch-
ofen darzustellen.

1873 trat Ponsard mit seinem beständig wirkenden Regenerator,
bei dem die Abhitze zur Erwärmung der Verbrennungsluft in zahl-
reichen Kanälen verwendet wurde, auf.

Unter den hervorragenden Betrieben jener Zeit verdienen die
Bandagenfabrik von Petin & Gaudet, die Röhrengieſsereien zu
Pont-à-Mousson und Frouard und die Spiegeleisenfabrikation zu
Alais Erwähnung.

Darmoys mechanisches Puddelverfahren wurde 1873 zu Riancourt
eingeführt. Simon und Lemut hatten einen rotierenden Puddelofen
konstruiert. Hochöfen nach dem System von Büttgenbach in Neuſs
wurden in Anzin, Givors, Lyon, St.-Louis bei Marseille und zu
St.-Dizier erbaut.

Auf der Hütte zu l’Aveyron erzeugte man 1873 ein Roheisen mit
6 bis 7 Prozent Silicium, das als Fonte glacée in den Handel kam;
auch die Hütte St.-Louis bei Marseille erblies ein Roheisen mit etwa
4 Prozent Silicium.


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[1085/1101] Frankreich. Bezüglich der Fortschritte der französischen Eisenindustrie sind in chronologischer Folge nachfolgende Ereignisse zu erwähnen. 1870 wurde der Schutzzoll für Eisen erhöht, um französisches Puddeleisen gegen schwedisches Schweiſseisen konkurrenzfähig zu erhalten. 1871 führte Bérard zu Givors ein neues Stahlschmelzverfahren, das einer Treibarbeit auf beweglichem, auswechselbarem Herde entsprach, ein. Es war dem Martinprozeſs ähnlich, nur wurde Gebläsewind auf das flüssige Eisenbad geblasen und später dem überblasenen Fluſseisen Spiegeleisen zur Rückkohlung zugesetzt. Dieser Betrieb wurde von Whitney in England eingeführt. De Laglade baute 1871 zu Savignac einen Puddelofen mit Regenerator nach Plänen von W. Siemens, in dem gewaschene Hochofengase zur Verwendung kamen. Das Waschen der Gase geschah nach einem von Laglade erfundenen und patentierten Verfahren mit Wasserbrause. Dieser Gaspuddelprozeſs war wesentlich billiger als der vordem in Burgund übliche und Laglade erzielte damit an- geblich eine Ersparnis von 80 Frcs. für die Tonne. 1872 befürwortete der hervorragende Metallurge Gruner, dessen vortreffliche analytische Studien über den Hochofen 1871 erschienen waren, die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag beim Erz- schmelzen. — Valton schmolz in demselben Jahre Siliciumeisen mit 10 bis 12 Prozent Silicium in Tiegeln, während es M. A. Pourcel um dieselbe Zeit zu Terre-Noire gelang, Silico-Spiegeleisen im Hoch- ofen darzustellen. 1873 trat Ponsard mit seinem beständig wirkenden Regenerator, bei dem die Abhitze zur Erwärmung der Verbrennungsluft in zahl- reichen Kanälen verwendet wurde, auf. Unter den hervorragenden Betrieben jener Zeit verdienen die Bandagenfabrik von Petin & Gaudet, die Röhrengieſsereien zu Pont-à-Mousson und Frouard und die Spiegeleisenfabrikation zu Alais Erwähnung. Darmoys mechanisches Puddelverfahren wurde 1873 zu Riancourt eingeführt. Simon und Lemut hatten einen rotierenden Puddelofen konstruiert. Hochöfen nach dem System von Büttgenbach in Neuſs wurden in Anzin, Givors, Lyon, St.-Louis bei Marseille und zu St.-Dizier erbaut. Auf der Hütte zu l’Aveyron erzeugte man 1873 ein Roheisen mit 6 bis 7 Prozent Silicium, das als Fonte glacée in den Handel kam; auch die Hütte St.-Louis bei Marseille erblies ein Roheisen mit etwa 4 Prozent Silicium.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1085. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1101>, abgerufen am 19.04.2024.