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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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sich ein Fortschritt. Sie betrug 1888 rund 83500 Tonnen, ferner
2735 Millionen Nähnadeln und für etwa 2 Millionen Mark Maschinen.

Die Erbauung von Eisenbahnen stiess bei den konservativen An-
schauungen der Chinesen auf grossen Widerstand. Die Mehrzahl sah
darin ein nationales Unglück. 1887 gab es nur die 27 km lange
Kohlenbahn Kaiping--Jenschwang. 1888 wurde die Verlängerung der-
selben über Taku nach Tientsin (96 km) erbaut. Das englische Eisen-
werk Barrow lieferte die dafür erforderlichen Vignolschienen.

1891 tauchte der Gedanke auf, ein grosses Eisenwerk nach euro-
päischem Muster am Yangtsekiang in der Nähe von Hankau zu er-
richten. Der fortschrittlich gesinnte Vizekönig der Provinz Hupe,
Chan-Chi-Tung, fasste diesen Plan und übertrug die Ausführung
dem englischen Ingenieur H. Hobson. Am Nordabhange des Hanyang-
gebirges am Flusse Han gegenüber der Stadt Hankau sollten zunächst
zwei Hochöfen nach dem Typus der Clevelandöfen für eine Erzeugung
von täglich 100 Tonnen erbaut werden. Hieran wollte man dann ein
Bessemerwerk mit zwei 5-Tonnen-Konvertern, ein Schienenwalzwerk
und ein Siemens-Martinwerk anschliessen. Letzteres sollte das Material
für Panzerplatten und Kanonen liefern. Sodann war ein Puddelwerk mit
20 Puddelöfen und mit einem Blech- und Trägerwalzwerk verbunden ge-
plant. Die Maschinen- und die Eisenteile wurden in England und Belgien
bestellt. Den Herren Hobson und White wurde die Leitung übertragen.
1892 sollte das Werk fertiggestellt werden, aber es dauerte bis in das
Jahr 1894, dass die Hochöfen und das Walzwerk dem Betrieb über-
geben wurden. Die Eisenerze -- reiche Magnetite -- kamen von Tieh-
Schan-Pu in der Provinz Ta-Yeh 1) an den Yangtsekiang und auf diesem
nach Hanyang. Die zwei Hochöfen hatten drei Gebläsemaschinen und
Cowperapparate 2). Das Bessemerwerk hatte je zwei Kupolöfen, einen
für das Umschmelzen von Roheisen, einen für Spiegeleisen. Das
Arbeitspersonal bestand aus 80 geschulten chinesischen Arbeitern, die
zwei Jahre lang bei John Cockerill in Seraing gearbeitet und sich
vorbereitet hatten, und aus 30 belgischen Ingenieuren und Arbeitern.
Ingenieur Braive hatte das Verdienst, die herrschenden Vorurteile
gegen die moderne Industrie einigermassen beseitigt zu haben. In
der Direktion befand sich der deutsche Ingenieur G. Toppe. Die
Eröffnung des Werkes kurz vor Ausbruch des Krieges mit Japan
fiel in keine günstige Zeit, indem die fremdenfeindliche Politik der
Regierung, die sich namentlich auch gegen die Industrie richtete,

1) Näheres siehe Stahl und Eisen 1898, S. 221.
2) A. a. O. 1896, S. 141.

China.
sich ein Fortschritt. Sie betrug 1888 rund 83500 Tonnen, ferner
2735 Millionen Nähnadeln und für etwa 2 Millionen Mark Maschinen.

Die Erbauung von Eisenbahnen stieſs bei den konservativen An-
schauungen der Chinesen auf groſsen Widerstand. Die Mehrzahl sah
darin ein nationales Unglück. 1887 gab es nur die 27 km lange
Kohlenbahn Kaiping—Jenschwang. 1888 wurde die Verlängerung der-
selben über Taku nach Tientsin (96 km) erbaut. Das englische Eisen-
werk Barrow lieferte die dafür erforderlichen Vignolschienen.

1891 tauchte der Gedanke auf, ein groſses Eisenwerk nach euro-
päischem Muster am Yangtsekiang in der Nähe von Hankau zu er-
richten. Der fortschrittlich gesinnte Vizekönig der Provinz Hupe,
Chan-Chi-Tung, faſste diesen Plan und übertrug die Ausführung
dem englischen Ingenieur H. Hobson. Am Nordabhange des Hanyang-
gebirges am Flusse Han gegenüber der Stadt Hankau sollten zunächst
zwei Hochöfen nach dem Typus der Clevelandöfen für eine Erzeugung
von täglich 100 Tonnen erbaut werden. Hieran wollte man dann ein
Bessemerwerk mit zwei 5-Tonnen-Konvertern, ein Schienenwalzwerk
und ein Siemens-Martinwerk anschlieſsen. Letzteres sollte das Material
für Panzerplatten und Kanonen liefern. Sodann war ein Puddelwerk mit
20 Puddelöfen und mit einem Blech- und Trägerwalzwerk verbunden ge-
plant. Die Maschinen- und die Eisenteile wurden in England und Belgien
bestellt. Den Herren Hobson und White wurde die Leitung übertragen.
1892 sollte das Werk fertiggestellt werden, aber es dauerte bis in das
Jahr 1894, daſs die Hochöfen und das Walzwerk dem Betrieb über-
geben wurden. Die Eisenerze — reiche Magnetite — kamen von Tieh-
Schan-Pú in der Provinz Ta-Yeh 1) an den Yangtsekiang und auf diesem
nach Hanyang. Die zwei Hochöfen hatten drei Gebläsemaschinen und
Cowperapparate 2). Das Bessemerwerk hatte je zwei Kupolöfen, einen
für das Umschmelzen von Roheisen, einen für Spiegeleisen. Das
Arbeitspersonal bestand aus 80 geschulten chinesischen Arbeitern, die
zwei Jahre lang bei John Cockerill in Seraing gearbeitet und sich
vorbereitet hatten, und aus 30 belgischen Ingenieuren und Arbeitern.
Ingenieur Braive hatte das Verdienst, die herrschenden Vorurteile
gegen die moderne Industrie einigermaſsen beseitigt zu haben. In
der Direktion befand sich der deutsche Ingenieur G. Toppe. Die
Eröffnung des Werkes kurz vor Ausbruch des Krieges mit Japan
fiel in keine günstige Zeit, indem die fremdenfeindliche Politik der
Regierung, die sich namentlich auch gegen die Industrie richtete,

1) Näheres siehe Stahl und Eisen 1898, S. 221.
2) A. a. O. 1896, S. 141.
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[1353/1369] China. sich ein Fortschritt. Sie betrug 1888 rund 83500 Tonnen, ferner 2735 Millionen Nähnadeln und für etwa 2 Millionen Mark Maschinen. Die Erbauung von Eisenbahnen stieſs bei den konservativen An- schauungen der Chinesen auf groſsen Widerstand. Die Mehrzahl sah darin ein nationales Unglück. 1887 gab es nur die 27 km lange Kohlenbahn Kaiping—Jenschwang. 1888 wurde die Verlängerung der- selben über Taku nach Tientsin (96 km) erbaut. Das englische Eisen- werk Barrow lieferte die dafür erforderlichen Vignolschienen. 1891 tauchte der Gedanke auf, ein groſses Eisenwerk nach euro- päischem Muster am Yangtsekiang in der Nähe von Hankau zu er- richten. Der fortschrittlich gesinnte Vizekönig der Provinz Hupe, Chan-Chi-Tung, faſste diesen Plan und übertrug die Ausführung dem englischen Ingenieur H. Hobson. Am Nordabhange des Hanyang- gebirges am Flusse Han gegenüber der Stadt Hankau sollten zunächst zwei Hochöfen nach dem Typus der Clevelandöfen für eine Erzeugung von täglich 100 Tonnen erbaut werden. Hieran wollte man dann ein Bessemerwerk mit zwei 5-Tonnen-Konvertern, ein Schienenwalzwerk und ein Siemens-Martinwerk anschlieſsen. Letzteres sollte das Material für Panzerplatten und Kanonen liefern. Sodann war ein Puddelwerk mit 20 Puddelöfen und mit einem Blech- und Trägerwalzwerk verbunden ge- plant. Die Maschinen- und die Eisenteile wurden in England und Belgien bestellt. Den Herren Hobson und White wurde die Leitung übertragen. 1892 sollte das Werk fertiggestellt werden, aber es dauerte bis in das Jahr 1894, daſs die Hochöfen und das Walzwerk dem Betrieb über- geben wurden. Die Eisenerze — reiche Magnetite — kamen von Tieh- Schan-Pú in der Provinz Ta-Yeh 1) an den Yangtsekiang und auf diesem nach Hanyang. Die zwei Hochöfen hatten drei Gebläsemaschinen und Cowperapparate 2). Das Bessemerwerk hatte je zwei Kupolöfen, einen für das Umschmelzen von Roheisen, einen für Spiegeleisen. Das Arbeitspersonal bestand aus 80 geschulten chinesischen Arbeitern, die zwei Jahre lang bei John Cockerill in Seraing gearbeitet und sich vorbereitet hatten, und aus 30 belgischen Ingenieuren und Arbeitern. Ingenieur Braive hatte das Verdienst, die herrschenden Vorurteile gegen die moderne Industrie einigermaſsen beseitigt zu haben. In der Direktion befand sich der deutsche Ingenieur G. Toppe. Die Eröffnung des Werkes kurz vor Ausbruch des Krieges mit Japan fiel in keine günstige Zeit, indem die fremdenfeindliche Politik der Regierung, die sich namentlich auch gegen die Industrie richtete, 1) Näheres siehe Stahl und Eisen 1898, S. 221. 2) A. a. O. 1896, S. 141.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1369>, abgerufen am 25.04.2024.