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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Deutschland 1861 bis 1870.

Im Laufe des Jahres 1869 veranlasste der Aufschwung der Eisen-
industrie und die dadurch gebotene günstige Gelegenheit, auch das
wichtige staatliche Musterwerk, die Königshütte in Oberschlesien, zum
Verkauf auszusetzen. Zum Beginn des Jahres 1870 trat der
preussische Staat die Königshütte und die Kreuzburger Hütte an
Unternehmer ab.

Für die Entwickelung der Eisenindustrie Preussens und Deutsch-
lands waren verschiedene gesetzgeberische Akte nach dem Jahre 1866
von Wichtigkeit. Es war dies die Einführung des preussischen Berg-
gesetzes in den annektierten Staaten, insbesondere in Nassau, Kur-
hessen, Hannover und Schleswig-Holstein; ferner die Mass- und
Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund am 17. August 1868
und die Einführung der neuen Gewerbeordnung am 21. Juni 1869.

Durch die Annexion von Hannover, Kurhessen, das zu dem Gross-
herzogtum Hessen gehörige Hinterland (Kreis Biedenkopf) und Nassau
waren viele ältere und neuere Hüttenwerke an Preussen gefallen,
unter diesen besonders die Georg-Marienhütte bei Osnabrück und die
Ilseder Hütte bei Peine. Auf letzterer war im August 1865 der Bau
eines eigenartigen Hochofens begonnen worden, der aber infolge des
Krieges erst am 7. April 1867 angeblasen wurde. Er zeigte Ähnlich-
keit mit dem Büttgenbachschen Hochofen, indem er einen dünn-
wandigen Schacht ohne Blechmantel hatte und der Gichtkranz durch
Blechrohre getragen wurde. Die kalkhaltigen oolithischen Erze ent-
hielten etwa 21/2 Prozent Phosphorsäure und wurden unter Zuschlag
von Schweissschlacken verschmolzen. Die leichtschmelzende Be-
schickung ergab ein grosses Durchschlagsquantum und eine hohe
Produktion.

Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.

Österreichs Eisenindustrie, welche hauptsächlich auf den Holz-
kohlenbetrieb begründet war, hatte gegenüber der Massenproduktion
mit Steinkohlen der vorgenannten Staaten einen schweren Stand.
Durch die Einführung und verständige Benutzung der neuen Erfin-
dungen hat sie sich aber ehrenvoll durch diese Krisis hindurch-
gearbeitet.

Kein geringes Verdienst hierfür gebührt dem sachkundigen, er-
fahrenen Berater der österreichischen Eisenindustrie Peter Tunner
in Leoben, der mit klarem, vorurteilsfreiem Blick das Wertvolle und
Dauernde in der Flut der neuen Erscheinungen erkannte und für

Deutschland 1861 bis 1870.

Im Laufe des Jahres 1869 veranlaſste der Aufschwung der Eisen-
industrie und die dadurch gebotene günstige Gelegenheit, auch das
wichtige staatliche Musterwerk, die Königshütte in Oberschlesien, zum
Verkauf auszusetzen. Zum Beginn des Jahres 1870 trat der
preuſsische Staat die Königshütte und die Kreuzburger Hütte an
Unternehmer ab.

Für die Entwickelung der Eisenindustrie Preuſsens und Deutsch-
lands waren verschiedene gesetzgeberische Akte nach dem Jahre 1866
von Wichtigkeit. Es war dies die Einführung des preuſsischen Berg-
gesetzes in den annektierten Staaten, insbesondere in Nassau, Kur-
hessen, Hannover und Schleswig-Holstein; ferner die Maſs- und
Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund am 17. August 1868
und die Einführung der neuen Gewerbeordnung am 21. Juni 1869.

Durch die Annexion von Hannover, Kurhessen, das zu dem Groſs-
herzogtum Hessen gehörige Hinterland (Kreis Biedenkopf) und Nassau
waren viele ältere und neuere Hüttenwerke an Preuſsen gefallen,
unter diesen besonders die Georg-Marienhütte bei Osnabrück und die
Ilseder Hütte bei Peine. Auf letzterer war im August 1865 der Bau
eines eigenartigen Hochofens begonnen worden, der aber infolge des
Krieges erst am 7. April 1867 angeblasen wurde. Er zeigte Ähnlich-
keit mit dem Büttgenbachschen Hochofen, indem er einen dünn-
wandigen Schacht ohne Blechmantel hatte und der Gichtkranz durch
Blechrohre getragen wurde. Die kalkhaltigen oolithischen Erze ent-
hielten etwa 2½ Prozent Phosphorsäure und wurden unter Zuschlag
von Schweiſsschlacken verschmolzen. Die leichtschmelzende Be-
schickung ergab ein groſses Durchschlagsquantum und eine hohe
Produktion.

Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.

Österreichs Eisenindustrie, welche hauptsächlich auf den Holz-
kohlenbetrieb begründet war, hatte gegenüber der Massenproduktion
mit Steinkohlen der vorgenannten Staaten einen schweren Stand.
Durch die Einführung und verständige Benutzung der neuen Erfin-
dungen hat sie sich aber ehrenvoll durch diese Krisis hindurch-
gearbeitet.

Kein geringes Verdienst hierfür gebührt dem sachkundigen, er-
fahrenen Berater der österreichischen Eisenindustrie Peter Tunner
in Leoben, der mit klarem, vorurteilsfreiem Blick das Wertvolle und
Dauernde in der Flut der neuen Erscheinungen erkannte und für

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[269/0285] Deutschland 1861 bis 1870. Im Laufe des Jahres 1869 veranlaſste der Aufschwung der Eisen- industrie und die dadurch gebotene günstige Gelegenheit, auch das wichtige staatliche Musterwerk, die Königshütte in Oberschlesien, zum Verkauf auszusetzen. Zum Beginn des Jahres 1870 trat der preuſsische Staat die Königshütte und die Kreuzburger Hütte an Unternehmer ab. Für die Entwickelung der Eisenindustrie Preuſsens und Deutsch- lands waren verschiedene gesetzgeberische Akte nach dem Jahre 1866 von Wichtigkeit. Es war dies die Einführung des preuſsischen Berg- gesetzes in den annektierten Staaten, insbesondere in Nassau, Kur- hessen, Hannover und Schleswig-Holstein; ferner die Maſs- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund am 17. August 1868 und die Einführung der neuen Gewerbeordnung am 21. Juni 1869. Durch die Annexion von Hannover, Kurhessen, das zu dem Groſs- herzogtum Hessen gehörige Hinterland (Kreis Biedenkopf) und Nassau waren viele ältere und neuere Hüttenwerke an Preuſsen gefallen, unter diesen besonders die Georg-Marienhütte bei Osnabrück und die Ilseder Hütte bei Peine. Auf letzterer war im August 1865 der Bau eines eigenartigen Hochofens begonnen worden, der aber infolge des Krieges erst am 7. April 1867 angeblasen wurde. Er zeigte Ähnlich- keit mit dem Büttgenbachschen Hochofen, indem er einen dünn- wandigen Schacht ohne Blechmantel hatte und der Gichtkranz durch Blechrohre getragen wurde. Die kalkhaltigen oolithischen Erze ent- hielten etwa 2½ Prozent Phosphorsäure und wurden unter Zuschlag von Schweiſsschlacken verschmolzen. Die leichtschmelzende Be- schickung ergab ein groſses Durchschlagsquantum und eine hohe Produktion. Österreich-Ungarn 1861 bis 1870. Österreichs Eisenindustrie, welche hauptsächlich auf den Holz- kohlenbetrieb begründet war, hatte gegenüber der Massenproduktion mit Steinkohlen der vorgenannten Staaten einen schweren Stand. Durch die Einführung und verständige Benutzung der neuen Erfin- dungen hat sie sich aber ehrenvoll durch diese Krisis hindurch- gearbeitet. Kein geringes Verdienst hierfür gebührt dem sachkundigen, er- fahrenen Berater der österreichischen Eisenindustrie Peter Tunner in Leoben, der mit klarem, vorurteilsfreiem Blick das Wertvolle und Dauernde in der Flut der neuen Erscheinungen erkannte und für

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/285>, abgerufen am 23.04.2024.