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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.
aussichtsvolle Verbesserungen und Erfindungen mit der ihm eigenen
Wärme und Entschiedenheit eintrat. So erkannte er vor allem die
Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich, dessen vortreffliche
Erze in den Alpenländern von jeher auf die Stahlfabrikation hin-
wiesen 1).

1860 wurden in der österreichischen Monarchie 5581338 Centner
Roheisen und 4934122 Centner Frischeisen erzeugt. 1861 zählte
man 234 Hochöfen, daneben auch noch 8 Wolfsöfen. 1862 wurden
5565690 Centner Roheisen zum Durchschnittspreise von 31/2 Gulden
der Centner und 652987 Centner Gusswaren aus Erzen zum Preise
von 6 1/5 Gulden der Centner erzeugt. v. Mayr in Leoben produzierte
1862 12000 Centner Gussstahl und an 20000 Centner Puddel-, Cement-
und Gärbstahl. Bei der Gussstahlerzeugung verwendete er Braun-
kohlen und Siemens-Gasöfen. v. Mayr machte bekanntlich als Extra-
stahl einen harten Manganstahl und einen sehr harten Wolframstahl.

1863 erwarb sich Direktor Moschitz in Rhonitz in Ungarn
mancherlei Verdienste um die Verbesserung des Hochofenbetriebes.
Er konstruierte geschlossene Formen, Schachtröstöfen, einen Gicht-
gasfang und benutzte die Hochofengase zum Puddel- und Schweiss-
ofenbetrieb 2).

1863 erfolgte die denkwürdige Einführung des Bessemerprozesses
in Österreich und zwar zu Turrach in Steiermark auf Tunners
Anregung (s. S. 135).

Die niedrigen Eisenpreise in England und Deutschland drückten
besonders in den Jahren 1864 und 1865 schwer auf die österreichische
Eisenerzeugung. Am besten erging es noch den Steinkohlenwerken,
wie namentlich dem der Staatseisenbahngesellschaft gehörigen Eisen-
werk Reschitza im Banat mit drei Hochöfen und einem bedeutenden
Puddel- und Walzwerk, welches 1864 120000 Centner, darunter
25000 bis 30000 Centner Kesselbleche, produzierte 3). Ausser Reschitza
lagen im Banat die Eisenwerke Anina, Dognacska und Bogschan 4).

1865 wurde der Bessemerprozess in Neuberg eingeführt. In
demselben Jahre schickte Baron Rothschild zwei Ingenieure zu
H. Bessemer in Sheffield, um dort den Prozess zu studieren, und

1) Siehe Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und
das Bessemern in England, 1863; vergl. ferner das Bessemern in Österreich, von
Fr. Münichsdorfer; Österr. Ztg. f. Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 29 etc.
2) Siehe Rittingers Erfahrungen für 1863.
3) Vergl. Berggeist 1864, S. 355.
4) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 241.

Österreich-Ungarn 1861 bis 1870.
aussichtsvolle Verbesserungen und Erfindungen mit der ihm eigenen
Wärme und Entschiedenheit eintrat. So erkannte er vor allem die
Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich, dessen vortreffliche
Erze in den Alpenländern von jeher auf die Stahlfabrikation hin-
wiesen 1).

1860 wurden in der österreichischen Monarchie 5581338 Centner
Roheisen und 4934122 Centner Frischeisen erzeugt. 1861 zählte
man 234 Hochöfen, daneben auch noch 8 Wolfsöfen. 1862 wurden
5565690 Centner Roheisen zum Durchschnittspreise von 3½ Gulden
der Centner und 652987 Centner Guſswaren aus Erzen zum Preise
von 6⅕ Gulden der Centner erzeugt. v. Mayr in Leoben produzierte
1862 12000 Centner Guſsstahl und an 20000 Centner Puddel-, Cement-
und Gärbstahl. Bei der Guſsstahlerzeugung verwendete er Braun-
kohlen und Siemens-Gasöfen. v. Mayr machte bekanntlich als Extra-
stahl einen harten Manganstahl und einen sehr harten Wolframstahl.

1863 erwarb sich Direktor Moschitz in Rhonitz in Ungarn
mancherlei Verdienste um die Verbesserung des Hochofenbetriebes.
Er konstruierte geschlossene Formen, Schachtröstöfen, einen Gicht-
gasfang und benutzte die Hochofengase zum Puddel- und Schweiſs-
ofenbetrieb 2).

1863 erfolgte die denkwürdige Einführung des Bessemerprozesses
in Österreich und zwar zu Turrach in Steiermark auf Tunners
Anregung (s. S. 135).

Die niedrigen Eisenpreise in England und Deutschland drückten
besonders in den Jahren 1864 und 1865 schwer auf die österreichische
Eisenerzeugung. Am besten erging es noch den Steinkohlenwerken,
wie namentlich dem der Staatseisenbahngesellschaft gehörigen Eisen-
werk Reschitza im Banat mit drei Hochöfen und einem bedeutenden
Puddel- und Walzwerk, welches 1864 120000 Centner, darunter
25000 bis 30000 Centner Kesselbleche, produzierte 3). Auſser Reschitza
lagen im Banat die Eisenwerke Anina, Dognacska und Bogschan 4).

1865 wurde der Bessemerprozeſs in Neuberg eingeführt. In
demselben Jahre schickte Baron Rothschild zwei Ingenieure zu
H. Bessemer in Sheffield, um dort den Prozeſs zu studieren, und

1) Siehe Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und
das Bessemern in England, 1863; vergl. ferner das Bessemern in Österreich, von
Fr. Münichsdorfer; Österr. Ztg. f. Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 29 etc.
2) Siehe Rittingers Erfahrungen für 1863.
3) Vergl. Berggeist 1864, S. 355.
4) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 241.
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[270/0286] Österreich-Ungarn 1861 bis 1870. aussichtsvolle Verbesserungen und Erfindungen mit der ihm eigenen Wärme und Entschiedenheit eintrat. So erkannte er vor allem die Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich, dessen vortreffliche Erze in den Alpenländern von jeher auf die Stahlfabrikation hin- wiesen 1). 1860 wurden in der österreichischen Monarchie 5581338 Centner Roheisen und 4934122 Centner Frischeisen erzeugt. 1861 zählte man 234 Hochöfen, daneben auch noch 8 Wolfsöfen. 1862 wurden 5565690 Centner Roheisen zum Durchschnittspreise von 3½ Gulden der Centner und 652987 Centner Guſswaren aus Erzen zum Preise von 6⅕ Gulden der Centner erzeugt. v. Mayr in Leoben produzierte 1862 12000 Centner Guſsstahl und an 20000 Centner Puddel-, Cement- und Gärbstahl. Bei der Guſsstahlerzeugung verwendete er Braun- kohlen und Siemens-Gasöfen. v. Mayr machte bekanntlich als Extra- stahl einen harten Manganstahl und einen sehr harten Wolframstahl. 1863 erwarb sich Direktor Moschitz in Rhonitz in Ungarn mancherlei Verdienste um die Verbesserung des Hochofenbetriebes. Er konstruierte geschlossene Formen, Schachtröstöfen, einen Gicht- gasfang und benutzte die Hochofengase zum Puddel- und Schweiſs- ofenbetrieb 2). 1863 erfolgte die denkwürdige Einführung des Bessemerprozesses in Österreich und zwar zu Turrach in Steiermark auf Tunners Anregung (s. S. 135). Die niedrigen Eisenpreise in England und Deutschland drückten besonders in den Jahren 1864 und 1865 schwer auf die österreichische Eisenerzeugung. Am besten erging es noch den Steinkohlenwerken, wie namentlich dem der Staatseisenbahngesellschaft gehörigen Eisen- werk Reschitza im Banat mit drei Hochöfen und einem bedeutenden Puddel- und Walzwerk, welches 1864 120000 Centner, darunter 25000 bis 30000 Centner Kesselbleche, produzierte 3). Auſser Reschitza lagen im Banat die Eisenwerke Anina, Dognacska und Bogschan 4). 1865 wurde der Bessemerprozeſs in Neuberg eingeführt. In demselben Jahre schickte Baron Rothschild zwei Ingenieure zu H. Bessemer in Sheffield, um dort den Prozeſs zu studieren, und 1) Siehe Tunner, Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das Bessemern in England, 1863; vergl. ferner das Bessemern in Österreich, von Fr. Münichsdorfer; Österr. Ztg. f. Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 29 etc. 2) Siehe Rittingers Erfahrungen für 1863. 3) Vergl. Berggeist 1864, S. 355. 4) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 241.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/286>, abgerufen am 25.04.2024.