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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Italien 1861 bis 1870.

Die Zahl der Hochöfen war damals eine ziemlich ansehnliche.
Freilich waren die meisten klein und wurden nicht das ganze Jahr
durch betrieben. Solcher kleiner Holzkohlenöfen (Blauöfen) zählte
man damals in Piemont 30, in Savoyen 13 bis 14, in der Lombardei
etwa 8, in Parma und Modena je einen. Gut gebaute Hochöfen mit
für jene Zeit hoher Produktion hatte man nur in Toscana. Dort
schmolzen vier Hochöfen aus elbanischen Erzen 1861 das oben
angegebene Quantum von 120000 Centner. Von grosser Wichtigkeit
war, wie aus obiger Aufstellung zu ersehen, noch der alte Rennfeuer-
betrieb, durch den an der Tyrrhenischen Küste elbanische Erze auf
schmiedbares Eisen verschmolzen wurden.

In den vierziger Jahren blieben die Verhältnisse ziemlich unver-
ändert. In den fünfziger Jahren (1854) begann der Eisenbahnbau in
Italien. Das Eisenmaterial dafür wurde aus England bezogen.

Im übrigen war aber die einheimische Eisenindustrie durch hohe
Einfuhrzölle geschützt. Dass die italienische Eisenindustrie in der
Zeit von 1840 bis 1860 an Umfang nicht zugenommen, sondern einen
Rückgang erfahren hat, steht fest, doch kann derselbe nicht so gross
gewesen sein, wie vielfach, z. B. auch in der oben erwähnten Statistik,
angenommen wird. Am glaubhaftesten erscheinen die Angaben, welche
die Roheisenproduktion Italiens in seinen jetzigen Grenzen für 1860
auf 15576 Tonnen, für 1870 auf 19914 Tonnen beziffern. Die Er-
zeugung von Renneisen war zurückgegangen, betrug aber 1860 immer
noch etwa 1000 Tonnen. Die grösste Roheisenerzeugung hatte Toscana,
diesem folgten die Lombardei und Sardinien. Nachstehende Angaben
über die Roheisenerzeugung im Jahre 1864 dürften übertrieben sein.

Danach soll die Roheisenerzeugung damals 860000 Centner
(39560 Tonnen) betragen haben. Die Zahl der Hochöfen war gegen
früher sehr vermindert, ihre Leistung sehr erhöht. 3 Hochöfen in
der Provinz Aosta in Sardinien schmolzen aus Magneteisenstein
60000 Centner, 4 in der Lombardei aus Spateisenstein 120000 Centner
und 3 in Toscana aus elbanischen Erzen 560000 Centner.

Ein Ereignis von grosser Bedeutung war die Einführung des
Bessemerprozesses, die hauptsächlich dem Franzosen A. Ponsard,
Direktor der königlichen Eisenhütten in Toscana, zu verdanken ist.
Dieser liess bereits im Jahre 1860 das Roheisen in Fallonica von
Bessemer in Sheffield prüfen und dehnte diese Versuche in den
folgenden Jahren auf lombardisches Roheisen und das Eisen von
Mongiana aus. Am letzteren Orte wurden Magnet- und Brauneisen-
steine aus den Cantabrischen Apenninen in fünf Hochöfen ver-

Italien 1861 bis 1870.

Die Zahl der Hochöfen war damals eine ziemlich ansehnliche.
Freilich waren die meisten klein und wurden nicht das ganze Jahr
durch betrieben. Solcher kleiner Holzkohlenöfen (Blauöfen) zählte
man damals in Piemont 30, in Savoyen 13 bis 14, in der Lombardei
etwa 8, in Parma und Modena je einen. Gut gebaute Hochöfen mit
für jene Zeit hoher Produktion hatte man nur in Toscana. Dort
schmolzen vier Hochöfen aus elbanischen Erzen 1861 das oben
angegebene Quantum von 120000 Centner. Von groſser Wichtigkeit
war, wie aus obiger Aufstellung zu ersehen, noch der alte Rennfeuer-
betrieb, durch den an der Tyrrhenischen Küste elbanische Erze auf
schmiedbares Eisen verschmolzen wurden.

In den vierziger Jahren blieben die Verhältnisse ziemlich unver-
ändert. In den fünfziger Jahren (1854) begann der Eisenbahnbau in
Italien. Das Eisenmaterial dafür wurde aus England bezogen.

Im übrigen war aber die einheimische Eisenindustrie durch hohe
Einfuhrzölle geschützt. Daſs die italienische Eisenindustrie in der
Zeit von 1840 bis 1860 an Umfang nicht zugenommen, sondern einen
Rückgang erfahren hat, steht fest, doch kann derselbe nicht so groſs
gewesen sein, wie vielfach, z. B. auch in der oben erwähnten Statistik,
angenommen wird. Am glaubhaftesten erscheinen die Angaben, welche
die Roheisenproduktion Italiens in seinen jetzigen Grenzen für 1860
auf 15576 Tonnen, für 1870 auf 19914 Tonnen beziffern. Die Er-
zeugung von Renneisen war zurückgegangen, betrug aber 1860 immer
noch etwa 1000 Tonnen. Die gröſste Roheisenerzeugung hatte Toscana,
diesem folgten die Lombardei und Sardinien. Nachstehende Angaben
über die Roheisenerzeugung im Jahre 1864 dürften übertrieben sein.

Danach soll die Roheisenerzeugung damals 860000 Centner
(39560 Tonnen) betragen haben. Die Zahl der Hochöfen war gegen
früher sehr vermindert, ihre Leistung sehr erhöht. 3 Hochöfen in
der Provinz Aosta in Sardinien schmolzen aus Magneteisenstein
60000 Centner, 4 in der Lombardei aus Spateisenstein 120000 Centner
und 3 in Toscana aus elbanischen Erzen 560000 Centner.

Ein Ereignis von groſser Bedeutung war die Einführung des
Bessemerprozesses, die hauptsächlich dem Franzosen A. Ponsard,
Direktor der königlichen Eisenhütten in Toscana, zu verdanken ist.
Dieser lieſs bereits im Jahre 1860 das Roheisen in Fallonica von
Bessemer in Sheffield prüfen und dehnte diese Versuche in den
folgenden Jahren auf lombardisches Roheisen und das Eisen von
Mongiana aus. Am letzteren Orte wurden Magnet- und Brauneisen-
steine aus den Cantabrischen Apenninen in fünf Hochöfen ver-

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[285/0301] Italien 1861 bis 1870. Die Zahl der Hochöfen war damals eine ziemlich ansehnliche. Freilich waren die meisten klein und wurden nicht das ganze Jahr durch betrieben. Solcher kleiner Holzkohlenöfen (Blauöfen) zählte man damals in Piemont 30, in Savoyen 13 bis 14, in der Lombardei etwa 8, in Parma und Modena je einen. Gut gebaute Hochöfen mit für jene Zeit hoher Produktion hatte man nur in Toscana. Dort schmolzen vier Hochöfen aus elbanischen Erzen 1861 das oben angegebene Quantum von 120000 Centner. Von groſser Wichtigkeit war, wie aus obiger Aufstellung zu ersehen, noch der alte Rennfeuer- betrieb, durch den an der Tyrrhenischen Küste elbanische Erze auf schmiedbares Eisen verschmolzen wurden. In den vierziger Jahren blieben die Verhältnisse ziemlich unver- ändert. In den fünfziger Jahren (1854) begann der Eisenbahnbau in Italien. Das Eisenmaterial dafür wurde aus England bezogen. Im übrigen war aber die einheimische Eisenindustrie durch hohe Einfuhrzölle geschützt. Daſs die italienische Eisenindustrie in der Zeit von 1840 bis 1860 an Umfang nicht zugenommen, sondern einen Rückgang erfahren hat, steht fest, doch kann derselbe nicht so groſs gewesen sein, wie vielfach, z. B. auch in der oben erwähnten Statistik, angenommen wird. Am glaubhaftesten erscheinen die Angaben, welche die Roheisenproduktion Italiens in seinen jetzigen Grenzen für 1860 auf 15576 Tonnen, für 1870 auf 19914 Tonnen beziffern. Die Er- zeugung von Renneisen war zurückgegangen, betrug aber 1860 immer noch etwa 1000 Tonnen. Die gröſste Roheisenerzeugung hatte Toscana, diesem folgten die Lombardei und Sardinien. Nachstehende Angaben über die Roheisenerzeugung im Jahre 1864 dürften übertrieben sein. Danach soll die Roheisenerzeugung damals 860000 Centner (39560 Tonnen) betragen haben. Die Zahl der Hochöfen war gegen früher sehr vermindert, ihre Leistung sehr erhöht. 3 Hochöfen in der Provinz Aosta in Sardinien schmolzen aus Magneteisenstein 60000 Centner, 4 in der Lombardei aus Spateisenstein 120000 Centner und 3 in Toscana aus elbanischen Erzen 560000 Centner. Ein Ereignis von groſser Bedeutung war die Einführung des Bessemerprozesses, die hauptsächlich dem Franzosen A. Ponsard, Direktor der königlichen Eisenhütten in Toscana, zu verdanken ist. Dieser lieſs bereits im Jahre 1860 das Roheisen in Fallonica von Bessemer in Sheffield prüfen und dehnte diese Versuche in den folgenden Jahren auf lombardisches Roheisen und das Eisen von Mongiana aus. Am letzteren Orte wurden Magnet- und Brauneisen- steine aus den Cantabrischen Apenninen in fünf Hochöfen ver-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/301>, abgerufen am 19.04.2024.