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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

Mit dem Maschinenbetrieb gingen die Stahlwerke in den Ver-
einigten Staaten von Amerika am entschiedensten vor und ihre Ein-
richtungen wurden vielfach mustergültig. Als ein solches Musterwerk
galt 1881 das nach den Plänen von A. L. Holley unter Mitwirkung
des Betriebsleiters John Fritz neu errichtete Bessemerstahlwerk zu
Bethlehem in Pennsylvanien 1). Bei keiner Anlage waren bis dahin
die Vorteile des maschinellen Transportes aller Roh-, Zwischen- und
Fertigprodukte so ausgenutzt wie hier. Gerade darin lag aber der
Hauptgrund der überlegenen Leistung der amerikanischen Bessemer-
werke. Jede Birne hatte dabei ihre besondere Giesspfanne mit Giess-
kran, zwei Blockkränen und drei Kränen für den Transport der
Blöcke. Die Birnen waren auf Säulen montiert; überall war hydrau-
lische Bewegung angewendet. Zum Umschmelzen des Roheisens
dienten grosse Kupolöfen von 2300 mm Schachtdurchmesser. Die
Weite zwischen den Düsen betrug 1820 mm. Das Spiegeleisen wurde
ebenfalls in Kupolöfen von 770 mm Schachtweite und 500 mm zwischen
den Düsen, welche mit vier Formen von 100 mm Öffnung versehen
waren, geschmolzen. Sämmtliche Pfannen wurden in einem besonderen
Heizraum mit Gasfeuerung vorgewärmt.

Die allgemeine Benutzung des Wasserdruckes zur Bewegung der
Birnen, Kräne u. s. w., welche ebenfalls von Bessemer zuerst ein-
geführt worden war, gehört zu den wichtigsten Verbesserungen bei
der Flussstahlfabrikation, ferner die allgemeine Anwendung der von
Holley zuerst angegebenen Losböden und die Einführung der von
John Gjers 1882 erfundenen Ausgleichgruben (soaking-pits, Engl.
Pat. 1882, Nr. 3545; D. R. P. Nr. 21712), durch welche ein Teil der
Hitze der Blöcke für die Weiterverarbeitung nutzbar gemacht wurde.
Alle diese Verbesserungen haben wir schon bei dem Thomasver-
fahren erwähnt. Überhaupt lassen sich die mechanischen Verbesse-
rungen bei dem pneumatischen Betriebe für den sauren oder den
basischen Prozess nicht scheiden, sie kamen beiden zu gut. Dies gilt
für alle im folgenden aufgeführten Vorschläge und Erfindungen, wo
dies nicht besonders erwähnt wird.

Um das flüssige Eisen von Hochöfen, die von dem Flussstahlwerk
entfernt lagen, herzuschaffen, konstruierte man fahrbare Giesspfannen
mit Dampfbetrieb. Solche führte Snelus 1880 auf den West-Cumber-
landwerken ein. Zu Ebbw Vale in Südwales fuhr man 1885 das

1) Siehe Engineering v. 28. Okt. 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 54; Ker-
pely,
Fortschritte des Eisenhüttenwesens, S. 273 u. Taf. X, Fig. 3 bis 7.
Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881.

Mit dem Maschinenbetrieb gingen die Stahlwerke in den Ver-
einigten Staaten von Amerika am entschiedensten vor und ihre Ein-
richtungen wurden vielfach mustergültig. Als ein solches Musterwerk
galt 1881 das nach den Plänen von A. L. Holley unter Mitwirkung
des Betriebsleiters John Fritz neu errichtete Bessemerstahlwerk zu
Bethlehem in Pennsylvanien 1). Bei keiner Anlage waren bis dahin
die Vorteile des maschinellen Transportes aller Roh-, Zwischen- und
Fertigprodukte so ausgenutzt wie hier. Gerade darin lag aber der
Hauptgrund der überlegenen Leistung der amerikanischen Bessemer-
werke. Jede Birne hatte dabei ihre besondere Gieſspfanne mit Gieſs-
kran, zwei Blockkränen und drei Kränen für den Transport der
Blöcke. Die Birnen waren auf Säulen montiert; überall war hydrau-
lische Bewegung angewendet. Zum Umschmelzen des Roheisens
dienten groſse Kupolöfen von 2300 mm Schachtdurchmesser. Die
Weite zwischen den Düsen betrug 1820 mm. Das Spiegeleisen wurde
ebenfalls in Kupolöfen von 770 mm Schachtweite und 500 mm zwischen
den Düsen, welche mit vier Formen von 100 mm Öffnung versehen
waren, geschmolzen. Sämmtliche Pfannen wurden in einem besonderen
Heizraum mit Gasfeuerung vorgewärmt.

Die allgemeine Benutzung des Wasserdruckes zur Bewegung der
Birnen, Kräne u. s. w., welche ebenfalls von Bessemer zuerst ein-
geführt worden war, gehört zu den wichtigsten Verbesserungen bei
der Fluſsstahlfabrikation, ferner die allgemeine Anwendung der von
Holley zuerst angegebenen Losböden und die Einführung der von
John Gjers 1882 erfundenen Ausgleichgruben (soaking-pits, Engl.
Pat. 1882, Nr. 3545; D. R. P. Nr. 21712), durch welche ein Teil der
Hitze der Blöcke für die Weiterverarbeitung nutzbar gemacht wurde.
Alle diese Verbesserungen haben wir schon bei dem Thomasver-
fahren erwähnt. Überhaupt lassen sich die mechanischen Verbesse-
rungen bei dem pneumatischen Betriebe für den sauren oder den
basischen Prozeſs nicht scheiden, sie kamen beiden zu gut. Dies gilt
für alle im folgenden aufgeführten Vorschläge und Erfindungen, wo
dies nicht besonders erwähnt wird.

Um das flüssige Eisen von Hochöfen, die von dem Fluſsstahlwerk
entfernt lagen, herzuschaffen, konstruierte man fahrbare Gieſspfannen
mit Dampfbetrieb. Solche führte Snelus 1880 auf den West-Cumber-
landwerken ein. Zu Ebbw Vale in Südwales fuhr man 1885 das

1) Siehe Engineering v. 28. Okt. 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 54; Ker-
pely,
Fortschritte des Eisenhüttenwesens, S. 273 u. Taf. X, Fig. 3 bis 7.
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[674/0690] Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Mit dem Maschinenbetrieb gingen die Stahlwerke in den Ver- einigten Staaten von Amerika am entschiedensten vor und ihre Ein- richtungen wurden vielfach mustergültig. Als ein solches Musterwerk galt 1881 das nach den Plänen von A. L. Holley unter Mitwirkung des Betriebsleiters John Fritz neu errichtete Bessemerstahlwerk zu Bethlehem in Pennsylvanien 1). Bei keiner Anlage waren bis dahin die Vorteile des maschinellen Transportes aller Roh-, Zwischen- und Fertigprodukte so ausgenutzt wie hier. Gerade darin lag aber der Hauptgrund der überlegenen Leistung der amerikanischen Bessemer- werke. Jede Birne hatte dabei ihre besondere Gieſspfanne mit Gieſs- kran, zwei Blockkränen und drei Kränen für den Transport der Blöcke. Die Birnen waren auf Säulen montiert; überall war hydrau- lische Bewegung angewendet. Zum Umschmelzen des Roheisens dienten groſse Kupolöfen von 2300 mm Schachtdurchmesser. Die Weite zwischen den Düsen betrug 1820 mm. Das Spiegeleisen wurde ebenfalls in Kupolöfen von 770 mm Schachtweite und 500 mm zwischen den Düsen, welche mit vier Formen von 100 mm Öffnung versehen waren, geschmolzen. Sämmtliche Pfannen wurden in einem besonderen Heizraum mit Gasfeuerung vorgewärmt. Die allgemeine Benutzung des Wasserdruckes zur Bewegung der Birnen, Kräne u. s. w., welche ebenfalls von Bessemer zuerst ein- geführt worden war, gehört zu den wichtigsten Verbesserungen bei der Fluſsstahlfabrikation, ferner die allgemeine Anwendung der von Holley zuerst angegebenen Losböden und die Einführung der von John Gjers 1882 erfundenen Ausgleichgruben (soaking-pits, Engl. Pat. 1882, Nr. 3545; D. R. P. Nr. 21712), durch welche ein Teil der Hitze der Blöcke für die Weiterverarbeitung nutzbar gemacht wurde. Alle diese Verbesserungen haben wir schon bei dem Thomasver- fahren erwähnt. Überhaupt lassen sich die mechanischen Verbesse- rungen bei dem pneumatischen Betriebe für den sauren oder den basischen Prozeſs nicht scheiden, sie kamen beiden zu gut. Dies gilt für alle im folgenden aufgeführten Vorschläge und Erfindungen, wo dies nicht besonders erwähnt wird. Um das flüssige Eisen von Hochöfen, die von dem Fluſsstahlwerk entfernt lagen, herzuschaffen, konstruierte man fahrbare Gieſspfannen mit Dampfbetrieb. Solche führte Snelus 1880 auf den West-Cumber- landwerken ein. Zu Ebbw Vale in Südwales fuhr man 1885 das 1) Siehe Engineering v. 28. Okt. 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 54; Ker- pely, Fortschritte des Eisenhüttenwesens, S. 273 u. Taf. X, Fig. 3 bis 7.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/690>, abgerufen am 29.03.2024.