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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Drahtfabrikation.
möglichst kleinem Querschnitt oder legte noch Vorwalzen für die
Drahtwalzen an.

Die Überlegenheit des Stahldrahts wurde 1876 durch Versuche
mit westfälischen Drahtsorten von W. Schultze-Velinghausen in
Witten festgestellt. Danach verhielten sich die Festigkeiten von
Schweisseisen-, Besssemer- und Tiegelstahldraht wie 1 : 1,46 : 2,46.

Die Fortschritte der Walzdrahtfabrikation bestanden vornehmlich
in der Steigerung der Leistung und in dem selbstthätigen Betriebe.
Die Steigerung der Leistung wurde sowohl durch zweckmässigere
Konstruktion und Anordnung der Walzen als durch erhöhte Ge-
schwindigkeit, namentlich der Endwalzen, bewirkt.

Die Zahl der neuerfundenen und patentierten Drahtwalzwerks-
konstruktionen war eine sehr grosse und können wir nur einige der
wichtigeren anführen. Sie lassen sich in zwei Systeme teilen, das
ältere war das kombinierte Vor-, Rückwärts- und Schlingenwalzen,
welches geschulte Arbeiter erfordert, das neuere ist das kontinuierliche
Walzen mit mechanischer Einführung, das fast ganz automatisch ver-
läuft. Eine Hauptsache dabei ist die richtige Geschwindigkeitszunahme
der aufeinanderfolgenden Walzenpaare. In den Vereinigten Staaten
erwarben sich J. Washburn und W. Garret besondere Verdienste
um die Verbesserung der Walzdrahtindustrie.

Für die mechanische Einführung des Drahtes nahmen H. B. Comer
1874 und John Beavis 1876 Patente. Bahnbrechend wurde aber
die mechanische Umführung von W. Mc. Callip in Columbus (Ohio)
1877.

Die Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit der Walzen erzielte
man durch grössere Durchmesser der Walzen, schnelleren Umtrieb
und stärkere Antriebsmaschinen. Durch diese Mittel verdoppelte man
in der Zeit von 1875 bis 1889 die Leistungen der Drahtwalzwerke.
Mitte der siebziger Jahre gehörte zu einer Drahtwalze von 180 bis
200 mm Durchmesser und 300 Umdrehungen ein Schweissofen von
8000 bis 12000 kg Erzeugung in der Schicht, Ende der achtziger
Jahre dagegen zwei Gasflammöfen von 25000 bis 30000 kg Leistung
für die stärkeren und rascher laufenden Walzen.

Die Washburne & Moen Manufacturing Company in Worcester
(Massachusetts) konnte 1876 auf der Weltausstellung zu Philadelphia
eine schöne Sammlung amerikanischer Drahtsorten vorführen. Diese
grösste Drahtfabrik der Welt, die 1831 von Schweden gegründet
worden war, hatte damals bereits eine Jahreserzeugung von 10000
Tonnen.


Die Drahtfabrikation.
möglichst kleinem Querschnitt oder legte noch Vorwalzen für die
Drahtwalzen an.

Die Überlegenheit des Stahldrahts wurde 1876 durch Versuche
mit westfälischen Drahtsorten von W. Schultze-Velinghausen in
Witten festgestellt. Danach verhielten sich die Festigkeiten von
Schweiſseisen-, Besssemer- und Tiegelstahldraht wie 1 : 1,46 : 2,46.

Die Fortschritte der Walzdrahtfabrikation bestanden vornehmlich
in der Steigerung der Leistung und in dem selbstthätigen Betriebe.
Die Steigerung der Leistung wurde sowohl durch zweckmässigere
Konstruktion und Anordnung der Walzen als durch erhöhte Ge-
schwindigkeit, namentlich der Endwalzen, bewirkt.

Die Zahl der neuerfundenen und patentierten Drahtwalzwerks-
konstruktionen war eine sehr groſse und können wir nur einige der
wichtigeren anführen. Sie lassen sich in zwei Systeme teilen, das
ältere war das kombinierte Vor-, Rückwärts- und Schlingenwalzen,
welches geschulte Arbeiter erfordert, das neuere ist das kontinuierliche
Walzen mit mechanischer Einführung, das fast ganz automatisch ver-
läuft. Eine Hauptsache dabei ist die richtige Geschwindigkeitszunahme
der aufeinanderfolgenden Walzenpaare. In den Vereinigten Staaten
erwarben sich J. Washburn und W. Garret besondere Verdienste
um die Verbesserung der Walzdrahtindustrie.

Für die mechanische Einführung des Drahtes nahmen H. B. Comer
1874 und John Beavis 1876 Patente. Bahnbrechend wurde aber
die mechanische Umführung von W. Mc. Callip in Columbus (Ohio)
1877.

Die Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit der Walzen erzielte
man durch gröſsere Durchmesser der Walzen, schnelleren Umtrieb
und stärkere Antriebsmaschinen. Durch diese Mittel verdoppelte man
in der Zeit von 1875 bis 1889 die Leistungen der Drahtwalzwerke.
Mitte der siebziger Jahre gehörte zu einer Drahtwalze von 180 bis
200 mm Durchmesser und 300 Umdrehungen ein Schweiſsofen von
8000 bis 12000 kg Erzeugung in der Schicht, Ende der achtziger
Jahre dagegen zwei Gasflammöfen von 25000 bis 30000 kg Leistung
für die stärkeren und rascher laufenden Walzen.

Die Washburne & Moen Manufacturing Company in Worcester
(Massachusetts) konnte 1876 auf der Weltausstellung zu Philadelphia
eine schöne Sammlung amerikanischer Drahtsorten vorführen. Diese
gröſste Drahtfabrik der Welt, die 1831 von Schweden gegründet
worden war, hatte damals bereits eine Jahreserzeugung von 10000
Tonnen.


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[866/0882] Die Drahtfabrikation. möglichst kleinem Querschnitt oder legte noch Vorwalzen für die Drahtwalzen an. Die Überlegenheit des Stahldrahts wurde 1876 durch Versuche mit westfälischen Drahtsorten von W. Schultze-Velinghausen in Witten festgestellt. Danach verhielten sich die Festigkeiten von Schweiſseisen-, Besssemer- und Tiegelstahldraht wie 1 : 1,46 : 2,46. Die Fortschritte der Walzdrahtfabrikation bestanden vornehmlich in der Steigerung der Leistung und in dem selbstthätigen Betriebe. Die Steigerung der Leistung wurde sowohl durch zweckmässigere Konstruktion und Anordnung der Walzen als durch erhöhte Ge- schwindigkeit, namentlich der Endwalzen, bewirkt. Die Zahl der neuerfundenen und patentierten Drahtwalzwerks- konstruktionen war eine sehr groſse und können wir nur einige der wichtigeren anführen. Sie lassen sich in zwei Systeme teilen, das ältere war das kombinierte Vor-, Rückwärts- und Schlingenwalzen, welches geschulte Arbeiter erfordert, das neuere ist das kontinuierliche Walzen mit mechanischer Einführung, das fast ganz automatisch ver- läuft. Eine Hauptsache dabei ist die richtige Geschwindigkeitszunahme der aufeinanderfolgenden Walzenpaare. In den Vereinigten Staaten erwarben sich J. Washburn und W. Garret besondere Verdienste um die Verbesserung der Walzdrahtindustrie. Für die mechanische Einführung des Drahtes nahmen H. B. Comer 1874 und John Beavis 1876 Patente. Bahnbrechend wurde aber die mechanische Umführung von W. Mc. Callip in Columbus (Ohio) 1877. Die Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit der Walzen erzielte man durch gröſsere Durchmesser der Walzen, schnelleren Umtrieb und stärkere Antriebsmaschinen. Durch diese Mittel verdoppelte man in der Zeit von 1875 bis 1889 die Leistungen der Drahtwalzwerke. Mitte der siebziger Jahre gehörte zu einer Drahtwalze von 180 bis 200 mm Durchmesser und 300 Umdrehungen ein Schweiſsofen von 8000 bis 12000 kg Erzeugung in der Schicht, Ende der achtziger Jahre dagegen zwei Gasflammöfen von 25000 bis 30000 kg Leistung für die stärkeren und rascher laufenden Walzen. Die Washburne & Moen Manufacturing Company in Worcester (Massachusetts) konnte 1876 auf der Weltausstellung zu Philadelphia eine schöne Sammlung amerikanischer Drahtsorten vorführen. Diese gröſste Drahtfabrik der Welt, die 1831 von Schweden gegründet worden war, hatte damals bereits eine Jahreserzeugung von 10000 Tonnen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 866. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/882>, abgerufen am 28.03.2024.