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[Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680.

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Historie I. Buch.
vor mir stehen meine leibliche Schwe-
ster/ als die benannte Vagantin und
liederliche Verläßerin ihres Eheman-
nes. Sie hatte einen Violet-brau-
nen Rock an/ welcher mit mehr denn
funfzig Flecklein von allerhand Farben
behangen war. Jhr Haupt hatte sie
mit einem ringen Schnupf-Salvet
verbunden/ unter welchem ihre Haar
in ganzer Unordnung stunden. Unter
dem Arm truge sie zusammen-gepackte
Lumpen/ in welchen ein Stück Brodt
eingewickelt war/ sie hatte einen
Stock/ nicht viel anders/ als ihn die
Bauern zu Markt tragen/ und die
Schuh hat sie von einem Mannsbild
geschenkt bekommen/ darinnen sie mit
bloßen Beinen gienge.

Jn einem so miserablen Zustande
kame mir die jenige vor Augen/ wel-
che doch zuvor so herrlich gelebet. Zu-
vor war sie mit den aller stattlichsten
[L]ecker-Bißlein nicht zu sättigen/ aniez-
[verlorenes Material - 1 Zeichen fehlt]o muß sie mit germgen Haus-Brodt
[v]or lieb nehmen. Zuvor konten ihr
[d]ie silbernen Gallonen nimmer recht
[a]ufgenähet werden/ anietzo muste sie

in schlech
B

Hiſtorie I. Buch.
vor mir ſtehen meine leibliche Schwe-
ſter/ als die benannte Vagantin und
liederliche Verlaͤßerin ihres Eheman-
nes. Sie hatte einen Violet-brau-
nen Rock an/ welcher mit mehr denn
funfzig Flecklein von allerhand Farben
behangen war. Jhr Haupt hatte ſie
mit einem ringen Schnupf-Salvet
verbunden/ unter welchem ihre Haar
in ganzer Unordnung ſtunden. Unter
dem Arm truge ſie zuſammen-gepackte
Lumpen/ in welchen ein Stuͤck Brodt
eingewickelt war/ ſie hatte einen
Stock/ nicht viel anders/ als ihn die
Bauern zu Markt tragen/ und die
Schuh hat ſie von einem Mannsbild
geſchenkt bekommen/ darinnen ſie mit
bloßen Beinen gienge.

Jn einem ſo miſerablen Zuſtande
kame mir die jenige vor Augen/ wel-
che doch zuvor ſo herꝛlich gelebet. Zu-
vor war ſie mit den aller ſtattlichſten
[L]ecker-Bißlein nicht zu ſaͤttigen/ aniez-
[verlorenes Material – 1 Zeichen fehlt]o muß ſie mit germgen Haus-Brodt
[v]or lieb nehmen. Zuvor konten ihr
[d]ie ſilbernen Gallonen nimmer recht
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[21/0029] Hiſtorie I. Buch. vor mir ſtehen meine leibliche Schwe- ſter/ als die benannte Vagantin und liederliche Verlaͤßerin ihres Eheman- nes. Sie hatte einen Violet-brau- nen Rock an/ welcher mit mehr denn funfzig Flecklein von allerhand Farben behangen war. Jhr Haupt hatte ſie mit einem ringen Schnupf-Salvet verbunden/ unter welchem ihre Haar in ganzer Unordnung ſtunden. Unter dem Arm truge ſie zuſammen-gepackte Lumpen/ in welchen ein Stuͤck Brodt eingewickelt war/ ſie hatte einen Stock/ nicht viel anders/ als ihn die Bauern zu Markt tragen/ und die Schuh hat ſie von einem Mannsbild geſchenkt bekommen/ darinnen ſie mit bloßen Beinen gienge. Jn einem ſo miſerablen Zuſtande kame mir die jenige vor Augen/ wel- che doch zuvor ſo herꝛlich gelebet. Zu- vor war ſie mit den aller ſtattlichſten Lecker-Bißlein nicht zu ſaͤttigen/ aniez- _o muß ſie mit germgen Haus-Brodt vor lieb nehmen. Zuvor konten ihr die ſilbernen Gallonen nimmer recht aufgenaͤhet werden/ anietzo muſte ſie in ſchlech B

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Zitationshilfe: [Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beer_lebensbeschreibung_1680/29>, abgerufen am 20.04.2024.