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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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DIE ENTWICKELUNG DER POLITISCHEN VERHÄLTNISSE UND DES
FREMDENVERKEHRS IN JAPAN SEIT 1861.

Der Darstellung der neuesten Ereignisse muss hier eine kurze
Schilderung der Handelsverhältnisse seit Eröffnung der Häfen vor-
angehen, welche sich der Erzählung unserer Erlebnisse nicht ein-
flechten liess. Damals war der Verkehr noch in seinen Anfängen
und gestattete keine Uebersicht.

Als im Juli 1859 die Häfen von Yokuhama, Nangasaki und
Hakodade dem Verkehr übergeben wurden, war Japan für den
westländischen Handel ein neu-entdecktes Land, von dessen Be-
dürfnissen und Leistungsfähigkeit man keinen Begriff hatte. Die
von den Holländern auf Desima gemachten Erfahrungen bewiesen
im Wesentlichen nur zwei Dinge: dass Japan fähig ist, alle seine
Bedürfnisse selbst zu erzeugen und dass die traditionelle Handels-
politik der Regierung der Ausfuhr der Landeserzeugnisse abhold ist.
Die Einfuhr begriff meist Luxusartikel und stand in ihrer geringen
Ausdehnung zur Grösse der Bevölkerung in gar keinem Verhältniss.1)
Für die Ausfuhr war nur das Kupfer von wirklicher Bedeutung,
und grade die Kupferausfuhr suchte die Regierung von Jahr zu
Jahr zu beschränken. Diejenigen Artikel, welche seit Eröffnung
von Yokuhama für den Ausfuhrhandel die wichtigsten wurden,
namentlich Seide und Thee, haben die Niederländer garnicht exportirt.
Sie führten sogar geraume Zeit Seide aus China und Bengalen
in grossen Quantitäten nach Japan ein.

Bald nach Eröffnung der Häfen zeigte sich, dass Hakodade
nur für Wallfischfahrer und solche Schiffe Bedeutung hat, die nach
der Amur-Mündung, Kamschatka und anderen Küstenpuncten des
nördlichen Weltmeers gehen. Nur Russland, welches sich bei
vertragsmässiger Gleichberechtigung mit den anderen Mächten am

1) Ueber den Handel der Holländer auf Desima s. Bd. I. SS. 138--155.
II. 16
DIE ENTWICKELUNG DER POLITISCHEN VERHÄLTNISSE UND DES
FREMDENVERKEHRS IN JAPAN SEIT 1861.

Der Darstellung der neuesten Ereignisse muss hier eine kurze
Schilderung der Handelsverhältnisse seit Eröffnung der Häfen vor-
angehen, welche sich der Erzählung unserer Erlebnisse nicht ein-
flechten liess. Damals war der Verkehr noch in seinen Anfängen
und gestattete keine Uebersicht.

Als im Juli 1859 die Häfen von Yokuhama, Naṅgasaki und
Hakodade dem Verkehr übergeben wurden, war Japan für den
westländischen Handel ein neu-entdecktes Land, von dessen Be-
dürfnissen und Leistungsfähigkeit man keinen Begriff hatte. Die
von den Holländern auf Desima gemachten Erfahrungen bewiesen
im Wesentlichen nur zwei Dinge: dass Japan fähig ist, alle seine
Bedürfnisse selbst zu erzeugen und dass die traditionelle Handels-
politik der Regierung der Ausfuhr der Landeserzeugnisse abhold ist.
Die Einfuhr begriff meist Luxusartikel und stand in ihrer geringen
Ausdehnung zur Grösse der Bevölkerung in gar keinem Verhältniss.1)
Für die Ausfuhr war nur das Kupfer von wirklicher Bedeutung,
und grade die Kupferausfuhr suchte die Regierung von Jahr zu
Jahr zu beschränken. Diejenigen Artikel, welche seit Eröffnung
von Yokuhama für den Ausfuhrhandel die wichtigsten wurden,
namentlich Seide und Thee, haben die Niederländer garnicht exportirt.
Sie führten sogar geraume Zeit Seide aus China und Bengalen
in grossen Quantitäten nach Japan ein.

Bald nach Eröffnung der Häfen zeigte sich, dass Hakodade
nur für Wallfischfahrer und solche Schiffe Bedeutung hat, die nach
der Amur-Mündung, Kamschatka und anderen Küstenpuncten des
nördlichen Weltmeers gehen. Nur Russland, welches sich bei
vertragsmässiger Gleichberechtigung mit den anderen Mächten am

1) Ueber den Handel der Holländer auf Desima s. Bd. I. SS. 138—155.
II. 16
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[[241]/0261] DIE ENTWICKELUNG DER POLITISCHEN VERHÄLTNISSE UND DES FREMDENVERKEHRS IN JAPAN SEIT 1861. Der Darstellung der neuesten Ereignisse muss hier eine kurze Schilderung der Handelsverhältnisse seit Eröffnung der Häfen vor- angehen, welche sich der Erzählung unserer Erlebnisse nicht ein- flechten liess. Damals war der Verkehr noch in seinen Anfängen und gestattete keine Uebersicht. Als im Juli 1859 die Häfen von Yokuhama, Naṅgasaki und Hakodade dem Verkehr übergeben wurden, war Japan für den westländischen Handel ein neu-entdecktes Land, von dessen Be- dürfnissen und Leistungsfähigkeit man keinen Begriff hatte. Die von den Holländern auf Desima gemachten Erfahrungen bewiesen im Wesentlichen nur zwei Dinge: dass Japan fähig ist, alle seine Bedürfnisse selbst zu erzeugen und dass die traditionelle Handels- politik der Regierung der Ausfuhr der Landeserzeugnisse abhold ist. Die Einfuhr begriff meist Luxusartikel und stand in ihrer geringen Ausdehnung zur Grösse der Bevölkerung in gar keinem Verhältniss. 1) Für die Ausfuhr war nur das Kupfer von wirklicher Bedeutung, und grade die Kupferausfuhr suchte die Regierung von Jahr zu Jahr zu beschränken. Diejenigen Artikel, welche seit Eröffnung von Yokuhama für den Ausfuhrhandel die wichtigsten wurden, namentlich Seide und Thee, haben die Niederländer garnicht exportirt. Sie führten sogar geraume Zeit Seide aus China und Bengalen in grossen Quantitäten nach Japan ein. Bald nach Eröffnung der Häfen zeigte sich, dass Hakodade nur für Wallfischfahrer und solche Schiffe Bedeutung hat, die nach der Amur-Mündung, Kamschatka und anderen Küstenpuncten des nördlichen Weltmeers gehen. Nur Russland, welches sich bei vertragsmässiger Gleichberechtigung mit den anderen Mächten am 1) Ueber den Handel der Holländer auf Desima s. Bd. I. SS. 138—155. II. 16

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. [241]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/261>, abgerufen am 28.03.2024.