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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Denkschrift an den Kaiser.
werden Störungen bereiten. -- Besser wäre deshalb, bei dieser Gelegen-
heit einen Sieg zu erringen, als die Schmach hinunter zu würgen und,
um Frieden zu haben, so viel bleibendes Unheil zu stiften.

1. Die Commissare behaupten, dass die Barbaren in ihren mör-
derischen Anschlägen noch niemals von einem Heere bezwungen wur-
den, obgleich wiederholt erhebliche Streitkräfte gegen sie ausrückten.
Wird nicht das an Yu-yu-pun 57) vollzogene Exempel andere Führer
zu besserem Betragen leiten? An den Ufern des Yan-tse zog das
Heer sich zurück; der grosse Canal ist im Besitze des Feindes; die
Commissare wagen sogar zu berichten, dass Nan-kin nicht zu halten
ist. Statt Furcht und Schrecken einzuflössen, sind sie selbst ganz in
Angst und Zittern versunken und verpflichten sich den Engländern
über zwanzig Millionen zu zahlen! Sie fordern ferner, dass die von
ihnen abgeschlossene Convention mit dem kaiserlichen Siegel versehen
werde, ganz wie wenn ein Schuldner eine Verschreibung ausstellt oder
ein Verkäufer einen Kaufact aufnimmt. Bedenken diese Männer wohl,
welchem Hause sie dienen? und werden nicht Tributvölker, die
davon hören, mit Verachtung auf China herabschauen? -- Das ist der
Schaden, den des Reiches Majestät erleidet.

2. Die Commissare verlangen für diese Barbaren zwanzig Mil-
lionen Dollars, als Entschädigung für das Opium, für Schulden der
Hon-Kaufleute und für Kriegskosten. Aber ist es nicht Unrecht, einen
verbotenen Gegenstand zu bezahlen? -- um so mehr, da der am zer-
störten Safte erlittene Verlust schon durch ein Geschenk von Thee und
Rhabarber ersetzt wurde? Wie kann nun ein so ausschweifender Preis
verlangt werden? -- Für die Schulden der Hon-Kaufleute mögen
diese selbst aufkommen; aber wie wird man einem Feinde Kriegskosten
vergüten? Kann man ertragen, dass solche Summen aus den beschränk-
ten Mitteln unseres Schatzes, vom Fett und Mark unseres Volkes ge-
nommen werden? Welche Bürgschaft haben wir, dass die Engländer
in Zukunft ruhig bleiben und ihre Forderungen nicht steigern? Wenn
also doch am Ende der Vertrag gebrochen und der Krieg erklärt wer-
den muss, -- welchen Vortheil kann dieser Frieden dem Volke bringen,
wenn, neben den enormen Ausgaben für den dreijährigen Krieg, diese
Contributionen unsere bereiten Mittel gänzlich erschöpfen? -- Des-
halb wird mit Genehmigung dieses Vertrages die Pulsader des Staates
zerschnitten.

3. Die Commissare fordern Verzeihung für die treulosen Landes-
kinder, welche dem Feinde beistanden. Haben wir auch nichts da-

57) Er wurde wegen seines feigen Benehmens bei Tsin-hae zum Tode ver-
urtheilt und in Pe-kin enthauptet.
9*

Denkschrift an den Kaiser.
werden Störungen bereiten. — Besser wäre deshalb, bei dieser Gelegen-
heit einen Sieg zu erringen, als die Schmach hinunter zu würgen und,
um Frieden zu haben, so viel bleibendes Unheil zu stiften.

1. Die Commissare behaupten, dass die Barbaren in ihren mör-
derischen Anschlägen noch niemals von einem Heere bezwungen wur-
den, obgleich wiederholt erhebliche Streitkräfte gegen sie ausrückten.
Wird nicht das an Yu-yu-pun 57) vollzogene Exempel andere Führer
zu besserem Betragen leiten? An den Ufern des Yaṅ-tse zog das
Heer sich zurück; der grosse Canal ist im Besitze des Feindes; die
Commissare wagen sogar zu berichten, dass Nan-kiṅ nicht zu halten
ist. Statt Furcht und Schrecken einzuflössen, sind sie selbst ganz in
Angst und Zittern versunken und verpflichten sich den Engländern
über zwanzig Millionen zu zahlen! Sie fordern ferner, dass die von
ihnen abgeschlossene Convention mit dem kaiserlichen Siegel versehen
werde, ganz wie wenn ein Schuldner eine Verschreibung ausstellt oder
ein Verkäufer einen Kaufact aufnimmt. Bedenken diese Männer wohl,
welchem Hause sie dienen? und werden nicht Tributvölker, die
davon hören, mit Verachtung auf China herabschauen? — Das ist der
Schaden, den des Reiches Majestät erleidet.

2. Die Commissare verlangen für diese Barbaren zwanzig Mil-
lionen Dollars, als Entschädigung für das Opium, für Schulden der
Hoṅ-Kaufleute und für Kriegskosten. Aber ist es nicht Unrecht, einen
verbotenen Gegenstand zu bezahlen? — um so mehr, da der am zer-
störten Safte erlittene Verlust schon durch ein Geschenk von Thee und
Rhabarber ersetzt wurde? Wie kann nun ein so ausschweifender Preis
verlangt werden? — Für die Schulden der Hoṅ-Kaufleute mögen
diese selbst aufkommen; aber wie wird man einem Feinde Kriegskosten
vergüten? Kann man ertragen, dass solche Summen aus den beschränk-
ten Mitteln unseres Schatzes, vom Fett und Mark unseres Volkes ge-
nommen werden? Welche Bürgschaft haben wir, dass die Engländer
in Zukunft ruhig bleiben und ihre Forderungen nicht steigern? Wenn
also doch am Ende der Vertrag gebrochen und der Krieg erklärt wer-
den muss, — welchen Vortheil kann dieser Frieden dem Volke bringen,
wenn, neben den enormen Ausgaben für den dreijährigen Krieg, diese
Contributionen unsere bereiten Mittel gänzlich erschöpfen? — Des-
halb wird mit Genehmigung dieses Vertrages die Pulsader des Staates
zerschnitten.

3. Die Commissare fordern Verzeihung für die treulosen Landes-
kinder, welche dem Feinde beistanden. Haben wir auch nichts da-

57) Er wurde wegen seines feigen Benehmens bei Tšin-hae zum Tode ver-
urtheilt und in Pe-kiṅ enthauptet.
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[131/0153] Denkschrift an den Kaiser. werden Störungen bereiten. — Besser wäre deshalb, bei dieser Gelegen- heit einen Sieg zu erringen, als die Schmach hinunter zu würgen und, um Frieden zu haben, so viel bleibendes Unheil zu stiften. 1. Die Commissare behaupten, dass die Barbaren in ihren mör- derischen Anschlägen noch niemals von einem Heere bezwungen wur- den, obgleich wiederholt erhebliche Streitkräfte gegen sie ausrückten. Wird nicht das an Yu-yu-pun 57) vollzogene Exempel andere Führer zu besserem Betragen leiten? An den Ufern des Yaṅ-tse zog das Heer sich zurück; der grosse Canal ist im Besitze des Feindes; die Commissare wagen sogar zu berichten, dass Nan-kiṅ nicht zu halten ist. Statt Furcht und Schrecken einzuflössen, sind sie selbst ganz in Angst und Zittern versunken und verpflichten sich den Engländern über zwanzig Millionen zu zahlen! Sie fordern ferner, dass die von ihnen abgeschlossene Convention mit dem kaiserlichen Siegel versehen werde, ganz wie wenn ein Schuldner eine Verschreibung ausstellt oder ein Verkäufer einen Kaufact aufnimmt. Bedenken diese Männer wohl, welchem Hause sie dienen? und werden nicht Tributvölker, die davon hören, mit Verachtung auf China herabschauen? — Das ist der Schaden, den des Reiches Majestät erleidet. 2. Die Commissare verlangen für diese Barbaren zwanzig Mil- lionen Dollars, als Entschädigung für das Opium, für Schulden der Hoṅ-Kaufleute und für Kriegskosten. Aber ist es nicht Unrecht, einen verbotenen Gegenstand zu bezahlen? — um so mehr, da der am zer- störten Safte erlittene Verlust schon durch ein Geschenk von Thee und Rhabarber ersetzt wurde? Wie kann nun ein so ausschweifender Preis verlangt werden? — Für die Schulden der Hoṅ-Kaufleute mögen diese selbst aufkommen; aber wie wird man einem Feinde Kriegskosten vergüten? Kann man ertragen, dass solche Summen aus den beschränk- ten Mitteln unseres Schatzes, vom Fett und Mark unseres Volkes ge- nommen werden? Welche Bürgschaft haben wir, dass die Engländer in Zukunft ruhig bleiben und ihre Forderungen nicht steigern? Wenn also doch am Ende der Vertrag gebrochen und der Krieg erklärt wer- den muss, — welchen Vortheil kann dieser Frieden dem Volke bringen, wenn, neben den enormen Ausgaben für den dreijährigen Krieg, diese Contributionen unsere bereiten Mittel gänzlich erschöpfen? — Des- halb wird mit Genehmigung dieses Vertrages die Pulsader des Staates zerschnitten. 3. Die Commissare fordern Verzeihung für die treulosen Landes- kinder, welche dem Feinde beistanden. Haben wir auch nichts da- 57) Er wurde wegen seines feigen Benehmens bei Tšin-hae zum Tode ver- urtheilt und in Pe-kiṅ enthauptet. 9*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/153>, abgerufen am 29.03.2024.