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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Engländer bei Kan-ton ermordet.
Willen die Ordnung aufrecht zu halten, und die Bevölkerung von
Kan-ton schien für einige Zeit eingeschüchtert. In der Umgegend
war es nicht geheuer; das wehrhafte Landvolk bedrohte jeden Frem-
den, und diese gingen nur bewaffnet hinaus. Anfang December 1847
wurden sechs Engländer auf einem Ausflug in die Umgegend von
einem Volkshaufen ermordet, nachdem sie mit Taschenpistolen einen
Chinesen erschossen und einen anderen im Unterleib verwundet
hatten. Ki-yin traf die wirksamsten Maassregeln zu Verhaftung
der schuldigen Chinesen und liess ungesäumt die vier Rädelsführer
in ihrem Dorfe, wo sie die That verübten, in Gegenwart eines eng-
lischen Militär-Detachements enthaupten. Ueber elf andere berich-
tete er an den Kaiser, welcher die gefällten Urtheile bestätigte. 69)

Einige Jahre vergingen nun ohne blutige Reibungen; aber das
Feuer des Hasses glomm unter der Asche, und die Obrigkeit ge-
wann ihr Ansehn bei der Bevölkerung so bald nicht wieder. Als
mit dem Jahre 1849 der für die vertragsmässige Freigebung der Stadt
Kan-ton zuletzt bestimmte Termin eintrat, erklärte die chinesische
Regierung abermals, gegen den Willen der Bewohner nichts aus-
richten zu können, und die Engländer kannten die Stimmung zu
gut, um auf Einhaltung der Frist unbedingt zu bestehen.


69) Von diesen elf wurden einer zu Enthauptung, einer zu Erdrosselung, drei
zu schwerer Verbannung auf Lebenszeit, sechs zu leichterer Verbannung und der
Bastonade verurtheilt. In Ki-yin's Bericht an den Kaiser, von welchem Davis sich
eine Abschrift verschaffte, kommt Folgendes vor: "Ich möchte deshalb wünschen
diese hartköpfigen Dorfbewohner mit äusserster Strenge zu züchtigen, damit das
widerspänstige Volk mit ehrerbietiger Scheu erfüllt, damit für die Zukunft unzähligen
Verwickelungen vorgebeugt und den Engländern jede Veranlassung genommen werde,
selbst Vergeltung zu üben. Da es nur ein einziges Dorf ist, das keine Milde ver-
dient, und auf mehrere Provinzen Rücksicht genommen werden muss, so können die
in dieser einen Ortschaft zur Erbauung von Hunderten vollzogenen Todesstrafen auf
deiner geheiligten Majestät Milde und zärtliche Sorge für das menschliche Lehen
keinen Schatten werfen."

Engländer bei Kan-ton ermordet.
Willen die Ordnung aufrecht zu halten, und die Bevölkerung von
Kan-ton schien für einige Zeit eingeschüchtert. In der Umgegend
war es nicht geheuer; das wehrhafte Landvolk bedrohte jeden Frem-
den, und diese gingen nur bewaffnet hinaus. Anfang December 1847
wurden sechs Engländer auf einem Ausflug in die Umgegend von
einem Volkshaufen ermordet, nachdem sie mit Taschenpistolen einen
Chinesen erschossen und einen anderen im Unterleib verwundet
hatten. Ki-yiṅ traf die wirksamsten Maassregeln zu Verhaftung
der schuldigen Chinesen und liess ungesäumt die vier Rädelsführer
in ihrem Dorfe, wo sie die That verübten, in Gegenwart eines eng-
lischen Militär-Detachements enthaupten. Ueber elf andere berich-
tete er an den Kaiser, welcher die gefällten Urtheile bestätigte. 69)

Einige Jahre vergingen nun ohne blutige Reibungen; aber das
Feuer des Hasses glomm unter der Asche, und die Obrigkeit ge-
wann ihr Ansehn bei der Bevölkerung so bald nicht wieder. Als
mit dem Jahre 1849 der für die vertragsmässige Freigebung der Stadt
Kan-ton zuletzt bestimmte Termin eintrat, erklärte die chinesische
Regierung abermals, gegen den Willen der Bewohner nichts aus-
richten zu können, und die Engländer kannten die Stimmung zu
gut, um auf Einhaltung der Frist unbedingt zu bestehen.


69) Von diesen elf wurden einer zu Enthauptung, einer zu Erdrosselung, drei
zu schwerer Verbannung auf Lebenszeit, sechs zu leichterer Verbannung und der
Bastonade verurtheilt. In Ki-yiṅ’s Bericht an den Kaiser, von welchem Davis sich
eine Abschrift verschaffte, kommt Folgendes vor: »Ich möchte deshalb wünschen
diese hartköpfigen Dorfbewohner mit äusserster Strenge zu züchtigen, damit das
widerspänstige Volk mit ehrerbietiger Scheu erfüllt, damit für die Zukunft unzähligen
Verwickelungen vorgebeugt und den Engländern jede Veranlassung genommen werde,
selbst Vergeltung zu üben. Da es nur ein einziges Dorf ist, das keine Milde ver-
dient, und auf mehrere Provinzen Rücksicht genommen werden muss, so können die
in dieser einen Ortschaft zur Erbauung von Hunderten vollzogenen Todesstrafen auf
deiner geheiligten Majestät Milde und zärtliche Sorge für das menschliche Lehen
keinen Schatten werfen.«
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[150/0172] Engländer bei Kan-ton ermordet. Willen die Ordnung aufrecht zu halten, und die Bevölkerung von Kan-ton schien für einige Zeit eingeschüchtert. In der Umgegend war es nicht geheuer; das wehrhafte Landvolk bedrohte jeden Frem- den, und diese gingen nur bewaffnet hinaus. Anfang December 1847 wurden sechs Engländer auf einem Ausflug in die Umgegend von einem Volkshaufen ermordet, nachdem sie mit Taschenpistolen einen Chinesen erschossen und einen anderen im Unterleib verwundet hatten. Ki-yiṅ traf die wirksamsten Maassregeln zu Verhaftung der schuldigen Chinesen und liess ungesäumt die vier Rädelsführer in ihrem Dorfe, wo sie die That verübten, in Gegenwart eines eng- lischen Militär-Detachements enthaupten. Ueber elf andere berich- tete er an den Kaiser, welcher die gefällten Urtheile bestätigte. 69) Einige Jahre vergingen nun ohne blutige Reibungen; aber das Feuer des Hasses glomm unter der Asche, und die Obrigkeit ge- wann ihr Ansehn bei der Bevölkerung so bald nicht wieder. Als mit dem Jahre 1849 der für die vertragsmässige Freigebung der Stadt Kan-ton zuletzt bestimmte Termin eintrat, erklärte die chinesische Regierung abermals, gegen den Willen der Bewohner nichts aus- richten zu können, und die Engländer kannten die Stimmung zu gut, um auf Einhaltung der Frist unbedingt zu bestehen. 69) Von diesen elf wurden einer zu Enthauptung, einer zu Erdrosselung, drei zu schwerer Verbannung auf Lebenszeit, sechs zu leichterer Verbannung und der Bastonade verurtheilt. In Ki-yiṅ’s Bericht an den Kaiser, von welchem Davis sich eine Abschrift verschaffte, kommt Folgendes vor: »Ich möchte deshalb wünschen diese hartköpfigen Dorfbewohner mit äusserster Strenge zu züchtigen, damit das widerspänstige Volk mit ehrerbietiger Scheu erfüllt, damit für die Zukunft unzähligen Verwickelungen vorgebeugt und den Engländern jede Veranlassung genommen werde, selbst Vergeltung zu üben. Da es nur ein einziges Dorf ist, das keine Milde ver- dient, und auf mehrere Provinzen Rücksicht genommen werden muss, so können die in dieser einen Ortschaft zur Erbauung von Hunderten vollzogenen Todesstrafen auf deiner geheiligten Majestät Milde und zärtliche Sorge für das menschliche Lehen keinen Schatten werfen.«

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/172>, abgerufen am 18.04.2024.