Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Lord Elgin auf dem Yan-tse-kian.
den Werke genommen und zerstört worden, zur Warnung für Alle,
die sich hinfort an Ihrer Majestät Schiffen vergreifen sollten."

Auf ihrer weiteren Fahrt erhielten die Engländer vor Gan-
kin
abermals Feuer und bombardirten dafür eine halbe Stunde die
Stadt. -- Die so oft genommene Dreistadt Han-kau-Han-yan-
Wu-tsan
, früher der grösste Stapelplatz des chinesischen Binnen-
handels, war damals nur ein Trümmerhaufen, in dessen ver-
ödeten Strassen man Fasanen aufstörte. Auf dem Rückwege be-
suchte Lord Elgin mehrere von den Tae-pin besetzte Plätze, deren
Bevölkerung im tiefsten Elend lebte. Alle waffenfähigen Männer
waren zu Soldaten gepresst, alle Uebrigen völlig ausgesogen wor-
den. Die Meisten wohnten in Erdhütten auf dem Felde, denn die
Tae-pin duldeten innerhalb der Städte Niemand, den sie nicht
brauchten. Gan-kin und Wu-hu fand man elend armirt; die Soldaten
gehörten zur schlechtesten Classe des chinesischen Gesindels und
sprachen die Dialecte aller Provinzen, eine zusammengelaufene Horde.
Sie liessen das Haar rings um den Kopf wachsen, ohne jedoch, wie
die alten Tae-pin, den Zopf abzuschneiden, den sie nur aufgesteckt
trugen, um nach Gefallen in die Reihen der Kaiserlichen überzutreten.
Das Amtszimmer des Commandanten von Wu-hu fand Herr Wade voll
lärmenden Gesindels, das sich von dem zugleich als Richter und
Oberpriester fungirenden General nicht zur Ruhe weisen liess. Der
Commandeur des Geschwaders erhielt dort ein Schreiben von den
Behörden zu Nan-kin: der Tien-wan habe alle Diejenigen köpfen
lassen, die aus Unwissenheit auf die Engländer geschossen hätten.
Zugleich wurde folgendes an Lord Elgin gerichtete Manifest des
Tien-wan auf der Retribution abgegeben:

1. Wir melden zu Unterweisung unserer fremden jüngeren Brüder
vom westlichen Ocean.
2. Die Dinge des Himmels unterscheiden sich sehr von denen
der Welt.
3. Der himmlische Vater San-ti, der kaiserliche San-ti.
4. Der geheiligte Vater Eines und Aller, über welche der Himmel
sich ausspannt.
5. Unser leiblicher älterer Bruder ist Jesus.
6. Unser leiblicher jüngerer Bruder ist Siu-tsuen.
7. Im dritten Mond des Jahres Mo-sin (1848) stieg San-ti herab
8. Und befahl dem König von Osten, ein Sterblicher zu werden.
9. Im 9. Mond dieses Jahres stieg der Erlöser herab,

Lord Elgin auf dem Yaṅ-tse-kiaṅ.
den Werke genommen und zerstört worden, zur Warnung für Alle,
die sich hinfort an Ihrer Majestät Schiffen vergreifen sollten.«

Auf ihrer weiteren Fahrt erhielten die Engländer vor Gan-
kiṅ
abermals Feuer und bombardirten dafür eine halbe Stunde die
Stadt. — Die so oft genommene Dreistadt Han-kau-Han-yaṅ-
Wu-tšaṅ
, früher der grösste Stapelplatz des chinesischen Binnen-
handels, war damals nur ein Trümmerhaufen, in dessen ver-
ödeten Strassen man Fasanen aufstörte. Auf dem Rückwege be-
suchte Lord Elgin mehrere von den Tae-piṅ besetzte Plätze, deren
Bevölkerung im tiefsten Elend lebte. Alle waffenfähigen Männer
waren zu Soldaten gepresst, alle Uebrigen völlig ausgesogen wor-
den. Die Meisten wohnten in Erdhütten auf dem Felde, denn die
Tae-piṅ duldeten innerhalb der Städte Niemand, den sie nicht
brauchten. Gan-kiṅ und Wu-hu fand man elend armirt; die Soldaten
gehörten zur schlechtesten Classe des chinesischen Gesindels und
sprachen die Dialecte aller Provinzen, eine zusammengelaufene Horde.
Sie liessen das Haar rings um den Kopf wachsen, ohne jedoch, wie
die alten Tae-piṅ, den Zopf abzuschneiden, den sie nur aufgesteckt
trugen, um nach Gefallen in die Reihen der Kaiserlichen überzutreten.
Das Amtszimmer des Commandanten von Wu-hu fand Herr Wade voll
lärmenden Gesindels, das sich von dem zugleich als Richter und
Oberpriester fungirenden General nicht zur Ruhe weisen liess. Der
Commandeur des Geschwaders erhielt dort ein Schreiben von den
Behörden zu Nan-kiṅ: der Tien-waṅ habe alle Diejenigen köpfen
lassen, die aus Unwissenheit auf die Engländer geschossen hätten.
Zugleich wurde folgendes an Lord Elgin gerichtete Manifest des
Tien-waṅ auf der Retribution abgegeben:

1. Wir melden zu Unterweisung unserer fremden jüngeren Brüder
vom westlichen Ocean.
2. Die Dinge des Himmels unterscheiden sich sehr von denen
der Welt.
3. Der himmlische Vater Šaṅ-ti, der kaiserliche Šaṅ-ti.
4. Der geheiligte Vater Eines und Aller, über welche der Himmel
sich ausspannt.
5. Unser leiblicher älterer Bruder ist Jesus.
6. Unser leiblicher jüngerer Bruder ist Siu-tsuen.
7. Im dritten Mond des Jahres Mo-šin (1848) stieg Šaṅ-ti herab
8. Und befahl dem König von Osten, ein Sterblicher zu werden.
9. Im 9. Mond dieses Jahres stieg der Erlöser herab,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0286" n="264"/>
            <fw place="top" type="header">Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> auf dem <hi rendition="#k"><choice><sic>yan&#x0307;-tse-kian&#x0307;</sic><corr><placeName>Yan&#x0307;-tse-kian&#x0307;</placeName></corr></choice></hi>.</fw><lb/> <hi rendition="#et">den Werke genommen und zerstört worden, zur Warnung für Alle,<lb/>
die sich hinfort an Ihrer Majestät Schiffen vergreifen sollten.«</hi> </p><lb/>
          <p>Auf ihrer weiteren Fahrt erhielten die Engländer vor <hi rendition="#k"><placeName>Gan-<lb/>
kin&#x0307;</placeName></hi> abermals Feuer und bombardirten dafür eine halbe Stunde die<lb/>
Stadt. &#x2014; Die so oft genommene <placeName>Dreistadt</placeName> <hi rendition="#k"><placeName>Han-kau-Han-yan&#x0307;-<lb/>
Wu-t&#x0161;an&#x0307;</placeName></hi>, früher der grösste Stapelplatz des chinesischen Binnen-<lb/>
handels, war damals nur ein Trümmerhaufen, in dessen ver-<lb/>
ödeten Strassen man Fasanen aufstörte. Auf dem Rückwege be-<lb/>
suchte Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> mehrere von den <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi> besetzte Plätze, deren<lb/>
Bevölkerung im tiefsten Elend lebte. Alle waffenfähigen Männer<lb/>
waren zu Soldaten gepresst, alle Uebrigen völlig ausgesogen wor-<lb/>
den. Die Meisten wohnten in Erdhütten auf dem Felde, denn die<lb/><hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi> duldeten innerhalb der Städte Niemand, den sie nicht<lb/>
brauchten. <hi rendition="#k"><placeName>Gan-kin&#x0307;</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Wu-hu</placeName></hi> fand man elend armirt; die Soldaten<lb/>
gehörten zur schlechtesten Classe des chinesischen Gesindels und<lb/>
sprachen die Dialecte aller Provinzen, eine zusammengelaufene Horde.<lb/>
Sie liessen das Haar rings um den Kopf wachsen, ohne jedoch, wie<lb/>
die alten <hi rendition="#k">Tae-pin&#x0307;</hi>, den Zopf abzuschneiden, den sie nur aufgesteckt<lb/>
trugen, um nach Gefallen in die Reihen der Kaiserlichen überzutreten.<lb/>
Das Amtszimmer des Commandanten von <hi rendition="#k"><placeName>Wu-hu</placeName></hi> fand Herr <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117086649">Wade</persName> voll<lb/>
lärmenden Gesindels, das sich von dem zugleich als Richter und<lb/>
Oberpriester fungirenden General nicht zur Ruhe weisen liess. Der<lb/>
Commandeur des Geschwaders erhielt dort ein Schreiben von den<lb/>
Behörden zu <hi rendition="#k"><placeName>Nan-kin&#x0307;</placeName></hi>: der <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118967266">Tien-wan&#x0307;</persName></hi> habe alle Diejenigen köpfen<lb/>
lassen, die aus Unwissenheit auf die Engländer geschossen hätten.<lb/>
Zugleich wurde folgendes an Lord <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122820339">Elgin</persName> gerichtete Manifest des<lb/><hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118967266">Tien-wan&#x0307;</persName></hi> auf der Retribution abgegeben:</p><lb/>
          <list>
            <item>1. Wir melden zu Unterweisung unserer fremden jüngeren Brüder<lb/>
vom westlichen Ocean.</item><lb/>
            <item>2. Die Dinge des Himmels unterscheiden sich sehr von denen<lb/>
der Welt.</item><lb/>
            <item>3. Der himmlische Vater <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">&#x0160;an&#x0307;-ti</persName></hi>, der kaiserliche <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">&#x0160;an&#x0307;-ti</persName></hi>.</item><lb/>
            <item>4. Der geheiligte Vater Eines und Aller, über welche der Himmel<lb/>
sich ausspannt.</item><lb/>
            <item>5. Unser leiblicher älterer Bruder ist <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557513">Jesus</persName>.</item><lb/>
            <item>6. Unser leiblicher jüngerer Bruder ist <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/nr91019968">Siu-tsuen</persName></hi>.</item><lb/>
            <item>7. Im dritten Mond des Jahres <hi rendition="#k">Mo-&#x0161;in</hi> (1848) stieg <hi rendition="#k"><persName ref="nognd">&#x0160;an&#x0307;-ti</persName></hi> herab</item><lb/>
            <item>8. Und befahl dem König von Osten, ein Sterblicher zu werden.</item><lb/>
            <item>9. Im 9. Mond dieses Jahres stieg der Erlöser herab,</item><lb/>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0286] Lord Elgin auf dem Yaṅ-tse-kiaṅ. den Werke genommen und zerstört worden, zur Warnung für Alle, die sich hinfort an Ihrer Majestät Schiffen vergreifen sollten.« Auf ihrer weiteren Fahrt erhielten die Engländer vor Gan- kiṅ abermals Feuer und bombardirten dafür eine halbe Stunde die Stadt. — Die so oft genommene Dreistadt Han-kau-Han-yaṅ- Wu-tšaṅ, früher der grösste Stapelplatz des chinesischen Binnen- handels, war damals nur ein Trümmerhaufen, in dessen ver- ödeten Strassen man Fasanen aufstörte. Auf dem Rückwege be- suchte Lord Elgin mehrere von den Tae-piṅ besetzte Plätze, deren Bevölkerung im tiefsten Elend lebte. Alle waffenfähigen Männer waren zu Soldaten gepresst, alle Uebrigen völlig ausgesogen wor- den. Die Meisten wohnten in Erdhütten auf dem Felde, denn die Tae-piṅ duldeten innerhalb der Städte Niemand, den sie nicht brauchten. Gan-kiṅ und Wu-hu fand man elend armirt; die Soldaten gehörten zur schlechtesten Classe des chinesischen Gesindels und sprachen die Dialecte aller Provinzen, eine zusammengelaufene Horde. Sie liessen das Haar rings um den Kopf wachsen, ohne jedoch, wie die alten Tae-piṅ, den Zopf abzuschneiden, den sie nur aufgesteckt trugen, um nach Gefallen in die Reihen der Kaiserlichen überzutreten. Das Amtszimmer des Commandanten von Wu-hu fand Herr Wade voll lärmenden Gesindels, das sich von dem zugleich als Richter und Oberpriester fungirenden General nicht zur Ruhe weisen liess. Der Commandeur des Geschwaders erhielt dort ein Schreiben von den Behörden zu Nan-kiṅ: der Tien-waṅ habe alle Diejenigen köpfen lassen, die aus Unwissenheit auf die Engländer geschossen hätten. Zugleich wurde folgendes an Lord Elgin gerichtete Manifest des Tien-waṅ auf der Retribution abgegeben: 1. Wir melden zu Unterweisung unserer fremden jüngeren Brüder vom westlichen Ocean. 2. Die Dinge des Himmels unterscheiden sich sehr von denen der Welt. 3. Der himmlische Vater Šaṅ-ti, der kaiserliche Šaṅ-ti. 4. Der geheiligte Vater Eines und Aller, über welche der Himmel sich ausspannt. 5. Unser leiblicher älterer Bruder ist Jesus. 6. Unser leiblicher jüngerer Bruder ist Siu-tsuen. 7. Im dritten Mond des Jahres Mo-šin (1848) stieg Šaṅ-ti herab 8. Und befahl dem König von Osten, ein Sterblicher zu werden. 9. Im 9. Mond dieses Jahres stieg der Erlöser herab,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/286
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/286>, abgerufen am 24.04.2024.