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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der Tempel des Confucius. XVII.
und ein grosser Himmelsglobus mit goldenen Sternen. Nach Angaben
des Pater Verbiest 1673 wahrscheinlich von Chinesen gefertigt, sind
sie wahre Meisterwerke künstlerischer Behandlung. Alle Handhaben,
Stützen und Träger der Instrumente bilden Drachen und andere
fabelhafte Thiere in phantastischer Stellung und Verschlingung;
Zeichnung, Guss und Ciselirung sind von vollendeter Schönheit. --
Die Aussicht ist umfassend; auch von hier aus gleicht Pe-kin einem
mauerumschlossenen Park. Ausserhalb blickt man in dürftige Vor-
städte; nach Osten streckt sich die grüne Fläche unabsehbar;
westlich und nördlich begrenzen sie zackige Berge.

Im Südosten der Tartarenstadt liegen ferner die kaiserlichen
Kornspeicher und der Tempel der Gelehrten, wo die öffentlichen
Prüfungen stattfinden; die ausgedehnten Gärten des letzteren ent-
halten lange Reihen von Zellen für die Clausurarbeiten. Zu diesen
Prüfungen sollen jedesmal gegen 40,000 Menschen aus den Provinzen
nach Pe-kin zusammenströmen, da die Candidaten von vielen Ver-
wandten begleitet werden. -- Die Gebäude der kaiserlichen Han-
lin
-Academie, des vornehmsten wissenschaftlichen Institutes in
China, stehen im Osten der Tartarenstadt. -- Im Nordosten liegt
der grosse Confucius-Tempel, dessen Besuch uns die zarten Rück-
sichten der Diplomaten gegen die chinesische Regierung leider ver-
boten. Ihnen wurde der Tempel bald nach unserem Scheiden zu-
gänglich; die darüber gedruckten Beschreibungen stimmen aber so
wenig überein, dass ein Auszug daraus hier nur unter Vorbehalt
mitgetheilt werden kann. Nach der Schilderung des Dr. Rennie
tritt man von der Westseite in einen Hain, in welchem Reihen von
Marmortafeln mit den Namen ausgezeichneter Gelehrten stehen. Ein
nach Süden gewendetes dreifaches Portal von reicher schöner Arbeit
führt in einen Hof mit drei tempelartigen, von hohen Bäumen be-
schatteten Gebäuden an jeder Seite. In der Mitte steht auf reichem
Marmorsockel der Tempel des "Vollkommenen" im schönsten Zu-
stande der Erhaltung. Die Aussenwände zieren goldene Drachen
auf grünem Grunde; die Holzschnitzarbeit ist durch Netze gegen
Vögel geschützt. Innen ist die hohe luftige Tempelhalle ernst und
einfach gehalten, die Decke getäfelt, mit goldenen Drachen auf
grünem Grund in den Feldern. In einer roth angestrichenen Holz-
nische steht die Gedenktafel des Confucius, ebenfalls von roth an-
gemaltem Holz, mit der goldenen Inschrift: "Sitz des heiligsten
Mannes Confucius"; davor ein Altar mit massiven Broncevasen und

Der Tempel des Confucius. XVII.
und ein grosser Himmelsglobus mit goldenen Sternen. Nach Angaben
des Pater Verbiest 1673 wahrscheinlich von Chinesen gefertigt, sind
sie wahre Meisterwerke künstlerischer Behandlung. Alle Handhaben,
Stützen und Träger der Instrumente bilden Drachen und andere
fabelhafte Thiere in phantastischer Stellung und Verschlingung;
Zeichnung, Guss und Ciselirung sind von vollendeter Schönheit. —
Die Aussicht ist umfassend; auch von hier aus gleicht Pe-kiṅ einem
mauerumschlossenen Park. Ausserhalb blickt man in dürftige Vor-
städte; nach Osten streckt sich die grüne Fläche unabsehbar;
westlich und nördlich begrenzen sie zackige Berge.

Im Südosten der Tartarenstadt liegen ferner die kaiserlichen
Kornspeicher und der Tempel der Gelehrten, wo die öffentlichen
Prüfungen stattfinden; die ausgedehnten Gärten des letzteren ent-
halten lange Reihen von Zellen für die Clausurarbeiten. Zu diesen
Prüfungen sollen jedesmal gegen 40,000 Menschen aus den Provinzen
nach Pe-kiṅ zusammenströmen, da die Candidaten von vielen Ver-
wandten begleitet werden. — Die Gebäude der kaiserlichen Han-
lin
-Academie, des vornehmsten wissenschaftlichen Institutes in
China, stehen im Osten der Tartarenstadt. — Im Nordosten liegt
der grosse Confucius-Tempel, dessen Besuch uns die zarten Rück-
sichten der Diplomaten gegen die chinesische Regierung leider ver-
boten. Ihnen wurde der Tempel bald nach unserem Scheiden zu-
gänglich; die darüber gedruckten Beschreibungen stimmen aber so
wenig überein, dass ein Auszug daraus hier nur unter Vorbehalt
mitgetheilt werden kann. Nach der Schilderung des Dr. Rennie
tritt man von der Westseite in einen Hain, in welchem Reihen von
Marmortafeln mit den Namen ausgezeichneter Gelehrten stehen. Ein
nach Süden gewendetes dreifaches Portal von reicher schöner Arbeit
führt in einen Hof mit drei tempelartigen, von hohen Bäumen be-
schatteten Gebäuden an jeder Seite. In der Mitte steht auf reichem
Marmorsockel der Tempel des »Vollkommenen« im schönsten Zu-
stande der Erhaltung. Die Aussenwände zieren goldene Drachen
auf grünem Grunde; die Holzschnitzarbeit ist durch Netze gegen
Vögel geschützt. Innen ist die hohe luftige Tempelhalle ernst und
einfach gehalten, die Decke getäfelt, mit goldenen Drachen auf
grünem Grund in den Feldern. In einer roth angestrichenen Holz-
nische steht die Gedenktafel des Confucius, ebenfalls von roth an-
gemaltem Holz, mit der goldenen Inschrift: »Sitz des heiligsten
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[122/0136] Der Tempel des Confucius. XVII. und ein grosser Himmelsglobus mit goldenen Sternen. Nach Angaben des Pater Verbiest 1673 wahrscheinlich von Chinesen gefertigt, sind sie wahre Meisterwerke künstlerischer Behandlung. Alle Handhaben, Stützen und Träger der Instrumente bilden Drachen und andere fabelhafte Thiere in phantastischer Stellung und Verschlingung; Zeichnung, Guss und Ciselirung sind von vollendeter Schönheit. — Die Aussicht ist umfassend; auch von hier aus gleicht Pe-kiṅ einem mauerumschlossenen Park. Ausserhalb blickt man in dürftige Vor- städte; nach Osten streckt sich die grüne Fläche unabsehbar; westlich und nördlich begrenzen sie zackige Berge. Im Südosten der Tartarenstadt liegen ferner die kaiserlichen Kornspeicher und der Tempel der Gelehrten, wo die öffentlichen Prüfungen stattfinden; die ausgedehnten Gärten des letzteren ent- halten lange Reihen von Zellen für die Clausurarbeiten. Zu diesen Prüfungen sollen jedesmal gegen 40,000 Menschen aus den Provinzen nach Pe-kiṅ zusammenströmen, da die Candidaten von vielen Ver- wandten begleitet werden. — Die Gebäude der kaiserlichen Han- lin-Academie, des vornehmsten wissenschaftlichen Institutes in China, stehen im Osten der Tartarenstadt. — Im Nordosten liegt der grosse Confucius-Tempel, dessen Besuch uns die zarten Rück- sichten der Diplomaten gegen die chinesische Regierung leider ver- boten. Ihnen wurde der Tempel bald nach unserem Scheiden zu- gänglich; die darüber gedruckten Beschreibungen stimmen aber so wenig überein, dass ein Auszug daraus hier nur unter Vorbehalt mitgetheilt werden kann. Nach der Schilderung des Dr. Rennie tritt man von der Westseite in einen Hain, in welchem Reihen von Marmortafeln mit den Namen ausgezeichneter Gelehrten stehen. Ein nach Süden gewendetes dreifaches Portal von reicher schöner Arbeit führt in einen Hof mit drei tempelartigen, von hohen Bäumen be- schatteten Gebäuden an jeder Seite. In der Mitte steht auf reichem Marmorsockel der Tempel des »Vollkommenen« im schönsten Zu- stande der Erhaltung. Die Aussenwände zieren goldene Drachen auf grünem Grunde; die Holzschnitzarbeit ist durch Netze gegen Vögel geschützt. Innen ist die hohe luftige Tempelhalle ernst und einfach gehalten, die Decke getäfelt, mit goldenen Drachen auf grünem Grund in den Feldern. In einer roth angestrichenen Holz- nische steht die Gedenktafel des Confucius, ebenfalls von roth an- gemaltem Holz, mit der goldenen Inschrift: »Sitz des heiligsten Mannes Confucius«; davor ein Altar mit massiven Broncevasen und

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/136>, abgerufen am 29.03.2024.