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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der übersetzte Vertrag. XV.
besprochen, welcher im Wesentlichen gleich denen der anderen
Mächte lautete, und traf auf ihren Vorschlag einige Aenderungen.
In der neuen Fassung liess er ihn zunächst in das Englische und
Französische, dann durch Herrn Marques in das Chinesische über-
tragen; eine mühselige Arbeit, da bei des Herrn Marques nicht
vollkommener Kenntniss des Französischen immer sorgfältig geprüft
werden musste, ob der Sinn getreu übersetzt sei. Unüberwindliche
Schwierigkeit bereitete der Eingang, wo sämmtliche Staaten des
Zollvereins genannt waren. So viele den deutschen ähnliche Silben
zu finden, die, nicht anstössig oder lächerlich von Bedeutung, dem
chinesischen Ohr leidlich klangen, schien unmöglich. Dazu gerech-
net die Unfähigkeit sowohl des Herrn Marques, als des englischen
Dolmetschers, der in Shang-hae freundlich Hülfe leistete, deutsche
Worte richtig zu hören und auszusprechen, so kann man sich vor-
stellen, wie die falsch gesagte deutsche Silbe erst chinesisch klang.
Der Gesandte arbeitete den Eingang wiederholt mit Herrn Mar-
ques
durch, brachte aber trotz unsäglicher Geduld nichts Gutes
zu Stande.

Nach Erledigung der Vollmachtsfrage sandte Graf Eulenburg
den Commissaren auf ihren Wunsch täglich etwa zehn Artikel des
übersetzten Vertrags-Entwurfes zur Prüfung. Kaum aber war die
Hälfte in ihren Händen, als sie, am 30. Mai, in einem langen
Schreiben erklärten, es sei unnütze Mühe, ihnen Artikel politischen
Inhalts zu schicken; nur über Handelsbestimmungen dürften sie
unterhandeln; ein Gesandter könne nicht zugelassen werden, son-
dern nur ein in Shang-hae residirender General-Consul und Con-
suln in den anderen Häfen; sollten Diese andere Functionen üben,
als die Erlegung der Zölle und Klarirung der Schiffe, so müssten
Beamte, nicht Kaufleute ernannt werden. Der deutsche Text dürfe
nicht maassgebend sein; auf ein Schutzrecht über Christen müsse
Preussen verzichten. -- Das Hervorheben letzteren Punctes begrün-
dete wohl der übele Namen, welchen sich protestantische Missio-
nare durch ihre Tae-pin-Sympathieen bei der kaiserlichen Regie-
rung gemacht hatten. -- Die Unruhen im Reiche und die militäri-
schen Operationen gegen die Rebellen, fahren die Commissare fort,
nähmen die Regierung ganz in Anspruch; sie seien zu Unterhand-
lungen bereit, wenn die Handelsbestimmungen der anderen Verträge
als Grundlage genommen würden; die Umstände erlaubten es nicht
anders; Preussen dürfe, nur weil es ihm Vortheil bringe, nicht Zu-

Der übersetzte Vertrag. XV.
besprochen, welcher im Wesentlichen gleich denen der anderen
Mächte lautete, und traf auf ihren Vorschlag einige Aenderungen.
In der neuen Fassung liess er ihn zunächst in das Englische und
Französische, dann durch Herrn Marques in das Chinesische über-
tragen; eine mühselige Arbeit, da bei des Herrn Marques nicht
vollkommener Kenntniss des Französischen immer sorgfältig geprüft
werden musste, ob der Sinn getreu übersetzt sei. Unüberwindliche
Schwierigkeit bereitete der Eingang, wo sämmtliche Staaten des
Zollvereins genannt waren. So viele den deutschen ähnliche Silben
zu finden, die, nicht anstössig oder lächerlich von Bedeutung, dem
chinesischen Ohr leidlich klangen, schien unmöglich. Dazu gerech-
net die Unfähigkeit sowohl des Herrn Marques, als des englischen
Dolmetschers, der in Shang-hae freundlich Hülfe leistete, deutsche
Worte richtig zu hören und auszusprechen, so kann man sich vor-
stellen, wie die falsch gesagte deutsche Silbe erst chinesisch klang.
Der Gesandte arbeitete den Eingang wiederholt mit Herrn Mar-
ques
durch, brachte aber trotz unsäglicher Geduld nichts Gutes
zu Stande.

Nach Erledigung der Vollmachtsfrage sandte Graf Eulenburg
den Commissaren auf ihren Wunsch täglich etwa zehn Artikel des
übersetzten Vertrags-Entwurfes zur Prüfung. Kaum aber war die
Hälfte in ihren Händen, als sie, am 30. Mai, in einem langen
Schreiben erklärten, es sei unnütze Mühe, ihnen Artikel politischen
Inhalts zu schicken; nur über Handelsbestimmungen dürften sie
unterhandeln; ein Gesandter könne nicht zugelassen werden, son-
dern nur ein in Shang-hae residirender General-Consul und Con-
suln in den anderen Häfen; sollten Diese andere Functionen üben,
als die Erlegung der Zölle und Klarirung der Schiffe, so müssten
Beamte, nicht Kaufleute ernannt werden. Der deutsche Text dürfe
nicht maassgebend sein; auf ein Schutzrecht über Christen müsse
Preussen verzichten. — Das Hervorheben letzteren Punctes begrün-
dete wohl der übele Namen, welchen sich protestantische Missio-
nare durch ihre Tae-piṅ-Sympathieen bei der kaiserlichen Regie-
rung gemacht hatten. — Die Unruhen im Reiche und die militäri-
schen Operationen gegen die Rebellen, fahren die Commissare fort,
nähmen die Regierung ganz in Anspruch; sie seien zu Unterhand-
lungen bereit, wenn die Handelsbestimmungen der anderen Verträge
als Grundlage genommen würden; die Umstände erlaubten es nicht
anders; Preussen dürfe, nur weil es ihm Vortheil bringe, nicht Zu-

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[42/0056] Der übersetzte Vertrag. XV. besprochen, welcher im Wesentlichen gleich denen der anderen Mächte lautete, und traf auf ihren Vorschlag einige Aenderungen. In der neuen Fassung liess er ihn zunächst in das Englische und Französische, dann durch Herrn Marques in das Chinesische über- tragen; eine mühselige Arbeit, da bei des Herrn Marques nicht vollkommener Kenntniss des Französischen immer sorgfältig geprüft werden musste, ob der Sinn getreu übersetzt sei. Unüberwindliche Schwierigkeit bereitete der Eingang, wo sämmtliche Staaten des Zollvereins genannt waren. So viele den deutschen ähnliche Silben zu finden, die, nicht anstössig oder lächerlich von Bedeutung, dem chinesischen Ohr leidlich klangen, schien unmöglich. Dazu gerech- net die Unfähigkeit sowohl des Herrn Marques, als des englischen Dolmetschers, der in Shang-hae freundlich Hülfe leistete, deutsche Worte richtig zu hören und auszusprechen, so kann man sich vor- stellen, wie die falsch gesagte deutsche Silbe erst chinesisch klang. Der Gesandte arbeitete den Eingang wiederholt mit Herrn Mar- ques durch, brachte aber trotz unsäglicher Geduld nichts Gutes zu Stande. Nach Erledigung der Vollmachtsfrage sandte Graf Eulenburg den Commissaren auf ihren Wunsch täglich etwa zehn Artikel des übersetzten Vertrags-Entwurfes zur Prüfung. Kaum aber war die Hälfte in ihren Händen, als sie, am 30. Mai, in einem langen Schreiben erklärten, es sei unnütze Mühe, ihnen Artikel politischen Inhalts zu schicken; nur über Handelsbestimmungen dürften sie unterhandeln; ein Gesandter könne nicht zugelassen werden, son- dern nur ein in Shang-hae residirender General-Consul und Con- suln in den anderen Häfen; sollten Diese andere Functionen üben, als die Erlegung der Zölle und Klarirung der Schiffe, so müssten Beamte, nicht Kaufleute ernannt werden. Der deutsche Text dürfe nicht maassgebend sein; auf ein Schutzrecht über Christen müsse Preussen verzichten. — Das Hervorheben letzteren Punctes begrün- dete wohl der übele Namen, welchen sich protestantische Missio- nare durch ihre Tae-piṅ-Sympathieen bei der kaiserlichen Regie- rung gemacht hatten. — Die Unruhen im Reiche und die militäri- schen Operationen gegen die Rebellen, fahren die Commissare fort, nähmen die Regierung ganz in Anspruch; sie seien zu Unterhand- lungen bereit, wenn die Handelsbestimmungen der anderen Verträge als Grundlage genommen würden; die Umstände erlaubten es nicht anders; Preussen dürfe, nur weil es ihm Vortheil bringe, nicht Zu-

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/56>, abgerufen am 19.04.2024.