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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Siamesische Hausthiere.
wurden bald die Lieblinge der ganzen Gesellschaft durch ihr sanftes
einschmeichelndes Betragen. Wir hatten sie auf der Veranda un-
serer Wohnung angebunden; die Nacht brachten sie auf den Dach-
balken zu. Sie belustigten uns durch ihre gewandten Turnkünste,
indem sie die Füsse frei herabhängen lassend, nur mit den langen
Armen abwechselnd ausgreifend und festhaltend, überraschend
schnell an einem Balken oder Stricke sich vorwärts bewegten. So-
bald Früchte auf unsern Tisch kamen und wir nicht sogleich an
ihn dachten, wusste der eine von ihnen durch das jämmerlichste
Kindergeschrei und verzweiflungsvolles Herumwälzen auf dem Boden
unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der andere hatte ganz
besonders die Haare des Vorderkopfs kurz aufgerichtet, wie die
siamesischen Männer sie zu tragen pflegen und es war ein Gegen-
stand der Controverse, ob er von seinem früheren Herrn so frisirt
geworden, oder ob das siamesische Volk seine Frisur von der natür-
lichen des Affen entlehnt.8)

7. Hausthiere, einheimische Thiernamen und Thierbilder.

Ueber die zahmen Thiere ist wenig zu sagen; das werth-
vollste und eigenthümlichste ist der Elephant, aber insofern kein
Hausthier, als er sich nicht als solches fortpflanzt, sondern stets
wieder neue aus der Wildniss eingefangen werden müssen. Das
Schwein, mu, ist das bekannte siamesische oder chinesische mit
hängendem Bauch und rundem Rücken, wahrscheinlich dieselbe Art
mit dem hier wild vorkommenden. Das Pferd, ma, spielt, wie in
Indien eine geringe Rolle, und ist nur Luxusthier der Reichsten.
Der gemeine Mann geht zu Fuss, Nachen vertreten im Flachland
die Wagen, im Binnenland der Rücken des Elephanten, Ochsen,
ngua, oder Büffels, kuai. Letztere Beide dienen auch zum Ackerbau,
nicht aber als Schlachtvieh, denn die Siamesen sind kein fleisch-
essendes Volk. Ebensowenig zahlreich sind Ziegen, phe, und
Schafe, ke, deren ich einige wenige zu Bangkok sah. Die Hunde,
auch ma, aber mit etwas anderem Ton gesprochen, sind wie in ganz
Ostasien fast herrenlos und auf sich selbst angewiesen, mehr an
Strassen und andere Oertlichkeiten (vgl. oben S. 216) als an die
Menschen anhänglich.

Hühner, ke, Gänse, han, und Enten, pet, werden häufig
gehalten. Ueber einen Hahnenkampf siehe den erzählenden Reise-
bericht, Bd. IV., S. 297.

Siamesische Hausthiere.
wurden bald die Lieblinge der ganzen Gesellschaft durch ihr sanftes
einschmeichelndes Betragen. Wir hatten sie auf der Veranda un-
serer Wohnung angebunden; die Nacht brachten sie auf den Dach-
balken zu. Sie belustigten uns durch ihre gewandten Turnkünste,
indem sie die Füsse frei herabhängen lassend, nur mit den langen
Armen abwechselnd ausgreifend und festhaltend, überraschend
schnell an einem Balken oder Stricke sich vorwärts bewegten. So-
bald Früchte auf unsern Tisch kamen und wir nicht sogleich an
ihn dachten, wusste der eine von ihnen durch das jämmerlichste
Kindergeschrei und verzweiflungsvolles Herumwälzen auf dem Boden
unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der andere hatte ganz
besonders die Haare des Vorderkopfs kurz aufgerichtet, wie die
siamesischen Männer sie zu tragen pflegen und es war ein Gegen-
stand der Controverse, ob er von seinem früheren Herrn so frisirt
geworden, oder ob das siamesische Volk seine Frisur von der natür-
lichen des Affen entlehnt.8)

7. Hausthiere, einheimische Thiernamen und Thierbilder.

Ueber die zahmen Thiere ist wenig zu sagen; das werth-
vollste und eigenthümlichste ist der Elephant, aber insofern kein
Hausthier, als er sich nicht als solches fortpflanzt, sondern stets
wieder neue aus der Wildniss eingefangen werden müssen. Das
Schwein, mŭ, ist das bekannte siamesische oder chinesische mit
hängendem Bauch und rundem Rücken, wahrscheinlich dieselbe Art
mit dem hier wild vorkommenden. Das Pferd, ma, spielt, wie in
Indien eine geringe Rolle, und ist nur Luxusthier der Reichsten.
Der gemeine Mann geht zu Fuss, Nachen vertreten im Flachland
die Wagen, im Binnenland der Rücken des Elephanten, Ochsen,
ngua, oder Büffels, kuai. Letztere Beide dienen auch zum Ackerbau,
nicht aber als Schlachtvieh, denn die Siamesen sind kein fleisch-
essendes Volk. Ebensowenig zahlreich sind Ziegen, phe, und
Schafe, ke, deren ich einige wenige zu Bangkok sah. Die Hunde,
auch ma, aber mit etwas anderem Ton gesprochen, sind wie in ganz
Ostasien fast herrenlos und auf sich selbst angewiesen, mehr an
Strassen und andere Oertlichkeiten (vgl. oben S. 216) als an die
Menschen anhänglich.

Hühner, ke, Gänse, han, und Enten, pet, werden häufig
gehalten. Ueber einen Hahnenkampf siehe den erzählenden Reise-
bericht, Bd. IV., S. 297.

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[221/0239] Siamesische Hausthiere. wurden bald die Lieblinge der ganzen Gesellschaft durch ihr sanftes einschmeichelndes Betragen. Wir hatten sie auf der Veranda un- serer Wohnung angebunden; die Nacht brachten sie auf den Dach- balken zu. Sie belustigten uns durch ihre gewandten Turnkünste, indem sie die Füsse frei herabhängen lassend, nur mit den langen Armen abwechselnd ausgreifend und festhaltend, überraschend schnell an einem Balken oder Stricke sich vorwärts bewegten. So- bald Früchte auf unsern Tisch kamen und wir nicht sogleich an ihn dachten, wusste der eine von ihnen durch das jämmerlichste Kindergeschrei und verzweiflungsvolles Herumwälzen auf dem Boden unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der andere hatte ganz besonders die Haare des Vorderkopfs kurz aufgerichtet, wie die siamesischen Männer sie zu tragen pflegen und es war ein Gegen- stand der Controverse, ob er von seinem früheren Herrn so frisirt geworden, oder ob das siamesische Volk seine Frisur von der natür- lichen des Affen entlehnt.8) 7. Hausthiere, einheimische Thiernamen und Thierbilder. Ueber die zahmen Thiere ist wenig zu sagen; das werth- vollste und eigenthümlichste ist der Elephant, aber insofern kein Hausthier, als er sich nicht als solches fortpflanzt, sondern stets wieder neue aus der Wildniss eingefangen werden müssen. Das Schwein, mŭ, ist das bekannte siamesische oder chinesische mit hängendem Bauch und rundem Rücken, wahrscheinlich dieselbe Art mit dem hier wild vorkommenden. Das Pferd, ma, spielt, wie in Indien eine geringe Rolle, und ist nur Luxusthier der Reichsten. Der gemeine Mann geht zu Fuss, Nachen vertreten im Flachland die Wagen, im Binnenland der Rücken des Elephanten, Ochsen, ngua, oder Büffels, kuai. Letztere Beide dienen auch zum Ackerbau, nicht aber als Schlachtvieh, denn die Siamesen sind kein fleisch- essendes Volk. Ebensowenig zahlreich sind Ziegen, phe, und Schafe, ke, deren ich einige wenige zu Bangkok sah. Die Hunde, auch ma, aber mit etwas anderem Ton gesprochen, sind wie in ganz Ostasien fast herrenlos und auf sich selbst angewiesen, mehr an Strassen und andere Oertlichkeiten (vgl. oben S. 216) als an die Menschen anhänglich. Hühner, ke, Gänse, han, und Enten, pet, werden häufig gehalten. Ueber einen Hahnenkampf siehe den erzählenden Reise- bericht, Bd. IV., S. 297.

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/239>, abgerufen am 19.04.2024.