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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Seevögel und Seeschildkröten.
leucogaster Gmel., beide über den ganzen Archipel verbreitet.
Ebensoweit verbreitet auf den einsameren Küstenstrecken und Inseln
von Siam bis zu den Molukken, in verschiedenen Unterarten und
Racen, ist die Küstentaube, Carpophaga bicolor Scopoli sp., oder
litoralis Tem., burong-rawa, durch ihre weisse Farbe mit schwarzen
Schwanz- und Flügelspitzen die Möven nachahmend, wie auch die
genannten See-Adler und Seehabichte in der weissen Farbe von
Kopf, Hals und Brust damit übereinstimmen. Seemöven selbst sieht
man im Archipel weit weniger als z. B. in unserer Nordsee oder
im Mittelmeer, obwohl sie keineswegs ganz fehlen.71) Weiter vom
Lande entfernen sich einige eigenthümlich tropischen Seevögel, wie
die Fregatte, Tachypetes aquilus, durch Schwalbenschwanz und
unverhältnissmässig lange schmale Flügel ausgezeichnet, schon von
Valentyn unter dem Namen talan genannt, bei Raffles dandang-laut
nach der Aehnlichkeit mit Plotus, dandang-ayer -- ich sah ihn auf
See z. B. nahe bei Batjan und Halmahera, wo die mich begleiten-
den Eingebornen ihn burong shong nannten72) -- die braunen oder
weissen Tölpel, Sula fusca und piscator, die dummen Seeschwalben,
Sterna stolida L., beide durch die Verzweiflung des Hungers oder
der Müdigkeit in den Ruf der Dummheit gekommen, und endlich
die hochfliegenden Tropikvögel, Phaethon. Dass dagegen die hoch-
südliche Gattung der Pinguine schon auf Neuguinea vorkomme, ist
ein Irrthum, der in der Wissenschaft nur gar zu lange auf die un-
zuverlässige Angabe von Sonnerat hin sich fortgepflanzt hat. In
neuester Zeit wurde wiederum ein lebender Pinguin auf der Rhede
von Batavia gefangen; es stellte sich aber bald heraus, dass er auf
einem von den Inseln Paul und Amsterdam kommenden Schiff lebend
mitgebracht und eben erst entflohen war.73)

Aus der Klasse der Reptilien besitzen dagegen nur die wär-
meren, nicht die kälteren Zonen Meeresbewohner: zwei weitverbrei-
tete Arten von Meerschildkröten sind im indischen Archipel,
von den grossen Sunda-Inseln bis zu den Molukken und Philippi-
nen, nicht selten, die grüne, Chelonia midas L. (viridis Schneider),
und die eigentliche Carettschildkröte mit dem Habichtschnabel, Ch.
imbricata L. sp. Die Thiere selbst heissen malaiisch pinju, und
dass das Schildpatt hauptsächlich durch die Nachfrage der Euro-
päer ein Handelsartikel geworden, scheint dessen aus dem Portu-
giesischen tartaruga entlehnte malaiische Bezeichnung tutrugu an-
zudeuten. Eine ebenso seltene Erscheinung wie in den europäischen

Ost-Asien. Zoologisch. I. 21

Seevögel und Seeschildkröten.
leucogaster Gmel., beide über den ganzen Archipel verbreitet.
Ebensoweit verbreitet auf den einsameren Küstenstrecken und Inseln
von Siam bis zu den Molukken, in verschiedenen Unterarten und
Racen, ist die Küstentaube, Carpophaga bicolor Scopoli sp., oder
litoralis Tem., burong-rawa, durch ihre weisse Farbe mit schwarzen
Schwanz- und Flügelspitzen die Möven nachahmend, wie auch die
genannten See-Adler und Seehabichte in der weissen Farbe von
Kopf, Hals und Brust damit übereinstimmen. Seemöven selbst sieht
man im Archipel weit weniger als z. B. in unserer Nordsee oder
im Mittelmeer, obwohl sie keineswegs ganz fehlen.71) Weiter vom
Lande entfernen sich einige eigenthümlich tropischen Seevögel, wie
die Fregatte, Tachypetes aquilus, durch Schwalbenschwanz und
unverhältnissmässig lange schmale Flügel ausgezeichnet, schon von
Valentyn unter dem Namen talan genannt, bei Raffles dandang-laut
nach der Aehnlichkeit mit Plotus, dandang-ayer — ich sah ihn auf
See z. B. nahe bei Batjan und Halmahera, wo die mich begleiten-
den Eingebornen ihn burong shong nannten72) — die braunen oder
weissen Tölpel, Sula fusca und piscator, die dummen Seeschwalben,
Sterna stolida L., beide durch die Verzweiflung des Hungers oder
der Müdigkeit in den Ruf der Dummheit gekommen, und endlich
die hochfliegenden Tropikvögel, Phaëthon. Dass dagegen die hoch-
südliche Gattung der Pinguine schon auf Neuguinea vorkomme, ist
ein Irrthum, der in der Wissenschaft nur gar zu lange auf die un-
zuverlässige Angabe von Sonnerat hin sich fortgepflanzt hat. In
neuester Zeit wurde wiederum ein lebender Pinguin auf der Rhede
von Batavia gefangen; es stellte sich aber bald heraus, dass er auf
einem von den Inseln Paul und Amsterdam kommenden Schiff lebend
mitgebracht und eben erst entflohen war.73)

Aus der Klasse der Reptilien besitzen dagegen nur die wär-
meren, nicht die kälteren Zonen Meeresbewohner: zwei weitverbrei-
tete Arten von Meerschildkröten sind im indischen Archipel,
von den grossen Sunda-Inseln bis zu den Molukken und Philippi-
nen, nicht selten, die grüne, Chelonia midas L. (viridis Schneider),
und die eigentliche Carettschildkröte mit dem Habichtschnabel, Ch.
imbricata L. sp. Die Thiere selbst heissen malaiisch pinju, und
dass das Schildpatt hauptsächlich durch die Nachfrage der Euro-
päer ein Handelsartikel geworden, scheint dessen aus dem Portu-
giesischen tartaruga entlehnte malaiische Bezeichnung tutrugu an-
zudeuten. Eine ebenso seltene Erscheinung wie in den europäischen

Ost-Asien. Zoologisch. I. 21
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[321/0339] Seevögel und Seeschildkröten. leucogaster Gmel., beide über den ganzen Archipel verbreitet. Ebensoweit verbreitet auf den einsameren Küstenstrecken und Inseln von Siam bis zu den Molukken, in verschiedenen Unterarten und Racen, ist die Küstentaube, Carpophaga bicolor Scopoli sp., oder litoralis Tem., burong-rawa, durch ihre weisse Farbe mit schwarzen Schwanz- und Flügelspitzen die Möven nachahmend, wie auch die genannten See-Adler und Seehabichte in der weissen Farbe von Kopf, Hals und Brust damit übereinstimmen. Seemöven selbst sieht man im Archipel weit weniger als z. B. in unserer Nordsee oder im Mittelmeer, obwohl sie keineswegs ganz fehlen.71) Weiter vom Lande entfernen sich einige eigenthümlich tropischen Seevögel, wie die Fregatte, Tachypetes aquilus, durch Schwalbenschwanz und unverhältnissmässig lange schmale Flügel ausgezeichnet, schon von Valentyn unter dem Namen talan genannt, bei Raffles dandang-laut nach der Aehnlichkeit mit Plotus, dandang-ayer — ich sah ihn auf See z. B. nahe bei Batjan und Halmahera, wo die mich begleiten- den Eingebornen ihn burong shong nannten72) — die braunen oder weissen Tölpel, Sula fusca und piscator, die dummen Seeschwalben, Sterna stolida L., beide durch die Verzweiflung des Hungers oder der Müdigkeit in den Ruf der Dummheit gekommen, und endlich die hochfliegenden Tropikvögel, Phaëthon. Dass dagegen die hoch- südliche Gattung der Pinguine schon auf Neuguinea vorkomme, ist ein Irrthum, der in der Wissenschaft nur gar zu lange auf die un- zuverlässige Angabe von Sonnerat hin sich fortgepflanzt hat. In neuester Zeit wurde wiederum ein lebender Pinguin auf der Rhede von Batavia gefangen; es stellte sich aber bald heraus, dass er auf einem von den Inseln Paul und Amsterdam kommenden Schiff lebend mitgebracht und eben erst entflohen war.73) Aus der Klasse der Reptilien besitzen dagegen nur die wär- meren, nicht die kälteren Zonen Meeresbewohner: zwei weitverbrei- tete Arten von Meerschildkröten sind im indischen Archipel, von den grossen Sunda-Inseln bis zu den Molukken und Philippi- nen, nicht selten, die grüne, Chelonia midas L. (viridis Schneider), und die eigentliche Carettschildkröte mit dem Habichtschnabel, Ch. imbricata L. sp. Die Thiere selbst heissen malaiisch pinju, und dass das Schildpatt hauptsächlich durch die Nachfrage der Euro- päer ein Handelsartikel geworden, scheint dessen aus dem Portu- giesischen tartaruga entlehnte malaiische Bezeichnung tutrugu an- zudeuten. Eine ebenso seltene Erscheinung wie in den europäischen Ost-Asien. Zoologisch. I. 21

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/339>, abgerufen am 25.04.2024.