Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Wettertanne.

-- -- ein schattiger Baum,
Der fächernd kühle Zweige bewegt,
Wenn dicht um die Sonne den Raum
Mit glühenden Strahlenbüscheln durchfegt,
Und dessen gastlich breites Dach
Bedrängte ladet in sicheres Fach.
(Waldau.)

Licht! Luft! wir treten ins Freie. Der obere Waldgürtel
liegt hinter uns. Er schließt zwischen 5000 und 5500 Fuß über
dem Meere ab. Weiter bergwärts steigen nur kurzkräuterige, dichtbe¬
wachsene, frischgrüne Alptriften an, hie und da unterbrochen von
sporadisch ausgestreuten kleinen Holzbeständen und einzelnen Tan¬
nen, Arven und Lärchen.

"-- -- Vorposten grüner Jäger
"Ihren Heeren vor sich wagend."
    (A. Grün.)
Wie eine Tirailleurkette dringen sie gegen die Schneeregion vor,
gleichsam die Rechte der Pflanzenwelt gegen den alten Urfeind
alles Lebenden zu schirmen. Zu diesen kühnen Plänklern des Wal¬
des gehört ganz besonders die Wettertanne.

Man spricht von Charakterbäumen, welche der Landschaft
einen ihr eigenthümlichen Ausdruck, ein physiognomisches Gepräge
geben; -- die Wettertanne ist ein solcher; aber auch ein Baum¬

Berlepsch, die Alpen. 6
Die Wettertanne.

— — ein ſchattiger Baum,
Der fächernd kühle Zweige bewegt,
Wenn dicht um die Sonne den Raum
Mit glühenden Strahlenbüſcheln durchfegt,
Und deſſen gaſtlich breites Dach
Bedrängte ladet in ſicheres Fach.
(Waldau.)

Licht! Luft! wir treten ins Freie. Der obere Waldgürtel
liegt hinter uns. Er ſchließt zwiſchen 5000 und 5500 Fuß über
dem Meere ab. Weiter bergwärts ſteigen nur kurzkräuterige, dichtbe¬
wachſene, friſchgrüne Alptriften an, hie und da unterbrochen von
ſporadiſch ausgeſtreuten kleinen Holzbeſtänden und einzelnen Tan¬
nen, Arven und Lärchen.

„— — Vorpoſten grüner Jäger
„Ihren Heeren vor ſich wagend.“
    (A. Grün.)
Wie eine Tirailleurkette dringen ſie gegen die Schneeregion vor,
gleichſam die Rechte der Pflanzenwelt gegen den alten Urfeind
alles Lebenden zu ſchirmen. Zu dieſen kühnen Plänklern des Wal¬
des gehört ganz beſonders die Wettertanne.

Man ſpricht von Charakterbäumen, welche der Landſchaft
einen ihr eigenthümlichen Ausdruck, ein phyſiognomiſches Gepräge
geben; — die Wettertanne iſt ein ſolcher; aber auch ein Baum¬

Berlepſch, die Alpen. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0105"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#fr #g">Die Wettertanne</hi>.<lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l>&#x2014; &#x2014; ein &#x017F;chattiger Baum,<lb/></l>
              <l>Der fächernd kühle Zweige bewegt,<lb/></l>
              <l>Wenn dicht um die Sonne den Raum<lb/></l>
              <l>Mit glühenden Strahlenbü&#x017F;cheln durchfegt,<lb/></l>
              <l>Und de&#x017F;&#x017F;en ga&#x017F;tlich breites Dach<lb/></l>
              <l>Bedrängte ladet in &#x017F;icheres Fach.<lb/></l>
            </lg>
          </quote>
          <bibl rendition="#right">(<hi rendition="#g">Waldau</hi>.)<lb/></bibl>
        </cit>
        <p>Licht! Luft! wir treten ins Freie. Der obere Waldgürtel<lb/>
liegt hinter uns. Er &#x017F;chließt zwi&#x017F;chen 5000 und 5500 Fuß über<lb/>
dem Meere ab. Weiter bergwärts &#x017F;teigen nur kurzkräuterige, dichtbe¬<lb/>
wach&#x017F;ene, fri&#x017F;chgrüne Alptriften an, hie und da unterbrochen von<lb/>
&#x017F;poradi&#x017F;ch ausge&#x017F;treuten kleinen Holzbe&#x017F;tänden und einzelnen Tan¬<lb/>
nen, Arven und Lärchen.<lb/><cit><quote><lg type="poem"><l>&#x201E;&#x2014; &#x2014; Vorpo&#x017F;ten grüner Jäger<lb/></l><l>&#x201E;Ihren Heeren vor &#x017F;ich wagend.&#x201C;</l></lg></quote><space dim="horizontal"/><bibl>(A. <hi rendition="#g">Grün</hi>.)<lb/></bibl></cit> Wie eine Tirailleurkette dringen &#x017F;ie gegen die Schneeregion vor,<lb/>
gleich&#x017F;am die Rechte der Pflanzenwelt gegen den alten Urfeind<lb/>
alles Lebenden zu &#x017F;chirmen. Zu die&#x017F;en kühnen Plänklern des Wal¬<lb/>
des gehört ganz be&#x017F;onders die Wettertanne.</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;pricht von Charakterbäumen, welche der Land&#x017F;chaft<lb/>
einen ihr eigenthümlichen Ausdruck, ein phy&#x017F;iognomi&#x017F;ches Gepräge<lb/>
geben; &#x2014; die Wettertanne i&#x017F;t ein &#x017F;olcher; aber auch ein Baum¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Berlep&#x017F;ch</hi>, die Alpen. 6<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] Die Wettertanne. — — ein ſchattiger Baum, Der fächernd kühle Zweige bewegt, Wenn dicht um die Sonne den Raum Mit glühenden Strahlenbüſcheln durchfegt, Und deſſen gaſtlich breites Dach Bedrängte ladet in ſicheres Fach. (Waldau.) Licht! Luft! wir treten ins Freie. Der obere Waldgürtel liegt hinter uns. Er ſchließt zwiſchen 5000 und 5500 Fuß über dem Meere ab. Weiter bergwärts ſteigen nur kurzkräuterige, dichtbe¬ wachſene, friſchgrüne Alptriften an, hie und da unterbrochen von ſporadiſch ausgeſtreuten kleinen Holzbeſtänden und einzelnen Tan¬ nen, Arven und Lärchen. „— — Vorpoſten grüner Jäger „Ihren Heeren vor ſich wagend.“ (A. Grün.) Wie eine Tirailleurkette dringen ſie gegen die Schneeregion vor, gleichſam die Rechte der Pflanzenwelt gegen den alten Urfeind alles Lebenden zu ſchirmen. Zu dieſen kühnen Plänklern des Wal¬ des gehört ganz beſonders die Wettertanne. Man ſpricht von Charakterbäumen, welche der Landſchaft einen ihr eigenthümlichen Ausdruck, ein phyſiognomiſches Gepräge geben; — die Wettertanne iſt ein ſolcher; aber auch ein Baum¬ Berlepſch, die Alpen. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/105
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/105>, abgerufen am 25.04.2024.