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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Nebelbilder.
gleicher Hast eine dunkle Gestalt auf und blieb jetzt eben so erstarrt
stehen. Ich schwang meinen Hut, machte tiefe Bücklinge, und das
Gespenst zeigte sich eben so erfreut und höflich. Die Erscheinung
hielt mehre Minuten an und verschwand alsdann mit dem Regen¬
bogen im grauen Nebel, der von einem leichten Windhauch weiter
getragen bald zerstob. Es war vier Uhr Nachmittags." --

Zu leichterer Erklärung möge beigefügt werden, daß das Thäl¬
chen, aus welchem der Nebel aufstieg, gegen Ost sich öffnete. Als
daher die Sonne nach dem westlichen Horizont sank, trat dasselbe
streckenweis allmählig in Schatten, wodurch die Temperatur ziem¬
lich rasch fiel und die durch die häufigen Lauinenstürze und die
hohe Temperatur während des Mittages entwickelten Wasserdämpfe
zu Nebel condensirte, die mit den, noch von der Sonne beschienenen,
wärmeren und leichteren, höheren Luftschichten in Berührung tretend
sich wieder auflösten.

Von einem gleichen, in den hauptsächlichsten Thatsachen gänz¬
lich übereinstimmenden Nebelbilde berichtet, im Fremdenbuche des
Appenzeller Weißbades, Herr G. Kuhn aus Dresden, welches er
am 24. September 1855 auf Ebenalp nach starkem Regenwetter
beobachtete. Scharfkantig schwebte in dem Nebelbilde der Schatten
seines Kopfes mit dem Hute, wenig über Lebensgröße, von weißem
Licht umflossen; darum ein dunkler Ring, dann ein Kranz der
hellsten Regenbogenfarben, etwa 4 Ellen im Durchmesser. Auch
der übrige Körper sammt dem Alpenstocke war, aufrecht stehend in
der Farbenscheibe, deutlich abgespiegelt, jedoch nach unten etwas
langgezogen. Neben dieser Silhouette stand der dunkele Schatten
seines Führers; ging letzterer etliche Schritte seitwärts, so sah ein
Jeder sein Schattenbild allein ohne das des Nebenmannes. Wa¬
ckelten sie mit den Köpfen, so wackelte der ganze Regenbogenkreis
mit. Hier dauerte das ganze Schauspiel wohl eine Viertelstunde.


Nebelbilder.
gleicher Haſt eine dunkle Geſtalt auf und blieb jetzt eben ſo erſtarrt
ſtehen. Ich ſchwang meinen Hut, machte tiefe Bücklinge, und das
Geſpenſt zeigte ſich eben ſo erfreut und höflich. Die Erſcheinung
hielt mehre Minuten an und verſchwand alsdann mit dem Regen¬
bogen im grauen Nebel, der von einem leichten Windhauch weiter
getragen bald zerſtob. Es war vier Uhr Nachmittags.“ —

Zu leichterer Erklärung möge beigefügt werden, daß das Thäl¬
chen, aus welchem der Nebel aufſtieg, gegen Oſt ſich öffnete. Als
daher die Sonne nach dem weſtlichen Horizont ſank, trat daſſelbe
ſtreckenweis allmählig in Schatten, wodurch die Temperatur ziem¬
lich raſch fiel und die durch die häufigen Lauinenſtürze und die
hohe Temperatur während des Mittages entwickelten Waſſerdämpfe
zu Nebel condenſirte, die mit den, noch von der Sonne beſchienenen,
wärmeren und leichteren, höheren Luftſchichten in Berührung tretend
ſich wieder auflöſten.

Von einem gleichen, in den hauptſächlichſten Thatſachen gänz¬
lich übereinſtimmenden Nebelbilde berichtet, im Fremdenbuche des
Appenzeller Weißbades, Herr G. Kuhn aus Dresden, welches er
am 24. September 1855 auf Ebenalp nach ſtarkem Regenwetter
beobachtete. Scharfkantig ſchwebte in dem Nebelbilde der Schatten
ſeines Kopfes mit dem Hute, wenig über Lebensgröße, von weißem
Licht umfloſſen; darum ein dunkler Ring, dann ein Kranz der
hellſten Regenbogenfarben, etwa 4 Ellen im Durchmeſſer. Auch
der übrige Körper ſammt dem Alpenſtocke war, aufrecht ſtehend in
der Farbenſcheibe, deutlich abgeſpiegelt, jedoch nach unten etwas
langgezogen. Neben dieſer Silhouette ſtand der dunkele Schatten
ſeines Führers; ging letzterer etliche Schritte ſeitwärts, ſo ſah ein
Jeder ſein Schattenbild allein ohne das des Nebenmannes. Wa¬
ckelten ſie mit den Köpfen, ſo wackelte der ganze Regenbogenkreis
mit. Hier dauerte das ganze Schauſpiel wohl eine Viertelſtunde.


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[134/0162] Nebelbilder. gleicher Haſt eine dunkle Geſtalt auf und blieb jetzt eben ſo erſtarrt ſtehen. Ich ſchwang meinen Hut, machte tiefe Bücklinge, und das Geſpenſt zeigte ſich eben ſo erfreut und höflich. Die Erſcheinung hielt mehre Minuten an und verſchwand alsdann mit dem Regen¬ bogen im grauen Nebel, der von einem leichten Windhauch weiter getragen bald zerſtob. Es war vier Uhr Nachmittags.“ — Zu leichterer Erklärung möge beigefügt werden, daß das Thäl¬ chen, aus welchem der Nebel aufſtieg, gegen Oſt ſich öffnete. Als daher die Sonne nach dem weſtlichen Horizont ſank, trat daſſelbe ſtreckenweis allmählig in Schatten, wodurch die Temperatur ziem¬ lich raſch fiel und die durch die häufigen Lauinenſtürze und die hohe Temperatur während des Mittages entwickelten Waſſerdämpfe zu Nebel condenſirte, die mit den, noch von der Sonne beſchienenen, wärmeren und leichteren, höheren Luftſchichten in Berührung tretend ſich wieder auflöſten. Von einem gleichen, in den hauptſächlichſten Thatſachen gänz¬ lich übereinſtimmenden Nebelbilde berichtet, im Fremdenbuche des Appenzeller Weißbades, Herr G. Kuhn aus Dresden, welches er am 24. September 1855 auf Ebenalp nach ſtarkem Regenwetter beobachtete. Scharfkantig ſchwebte in dem Nebelbilde der Schatten ſeines Kopfes mit dem Hute, wenig über Lebensgröße, von weißem Licht umfloſſen; darum ein dunkler Ring, dann ein Kranz der hellſten Regenbogenfarben, etwa 4 Ellen im Durchmeſſer. Auch der übrige Körper ſammt dem Alpenſtocke war, aufrecht ſtehend in der Farbenſcheibe, deutlich abgeſpiegelt, jedoch nach unten etwas langgezogen. Neben dieſer Silhouette ſtand der dunkele Schatten ſeines Führers; ging letzterer etliche Schritte ſeitwärts, ſo ſah ein Jeder ſein Schattenbild allein ohne das des Nebenmannes. Wa¬ ckelten ſie mit den Köpfen, ſo wackelte der ganze Regenbogenkreis mit. Hier dauerte das ganze Schauſpiel wohl eine Viertelſtunde.

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/162>, abgerufen am 25.04.2024.