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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Granit.

Was uranfänglich ist, das ist auch unanfänglich
Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich.
Was irgend wo und wann hat selber angefangen.
Kann nicht der Anfang sein und muß ein End' erlangen.
Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn,
Weil er aus Nichts entstand, Nichts ohn' ihn kann entstehn.

Rückert.

Granit ist eine symbolische Größe, -- in Gemeinschaft mit
dem Marmor der historische Stein. Wie im Thierreich der Löwe,
ein Repräsentant edler Eigenschaften, physischer Kraft, als König
in herrschender Macht dasteht, -- in der Pflanzenwelt die Eiche
ein Bild der Festigkeit und Ausdauer, des stolzen Trotzes gegen
Sturm und Wetter abgiebt, -- so gilt der Granit als das Un¬
überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganischen
Gesteine, -- nach beschränktem materiellen Begriff: als ein Körper
der beinahe ewigen Existenz. Jahrtausende scheinen spurlos an ihm
vorüberzurauschen und die zerstörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬
tig an seinen Massen abzugleiten. Wo Werke für die fernsten
Menschengeschlechter, sichtbare Denksäulen für die Annalen der Ge¬
schichte errichtet werden sollten, -- wo ägyptische Dynasten ihre
kolossalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an

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Granit.

Was uranfänglich iſt, das iſt auch unanfänglich
Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich.
Was irgend wo und wann hat ſelber angefangen.
Kann nicht der Anfang ſein und muß ein End' erlangen.
Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn,
Weil er aus Nichts entſtand, Nichts ohn' ihn kann entſtehn.

Rückert.

Granit iſt eine ſymboliſche Größe, — in Gemeinſchaft mit
dem Marmor der hiſtoriſche Stein. Wie im Thierreich der Löwe,
ein Repräſentant edler Eigenſchaften, phyſiſcher Kraft, als König
in herrſchender Macht daſteht, — in der Pflanzenwelt die Eiche
ein Bild der Feſtigkeit und Ausdauer, des ſtolzen Trotzes gegen
Sturm und Wetter abgiebt, — ſo gilt der Granit als das Un¬
überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganiſchen
Geſteine, — nach beſchränktem materiellen Begriff: als ein Körper
der beinahe ewigen Exiſtenz. Jahrtauſende ſcheinen ſpurlos an ihm
vorüberzurauſchen und die zerſtörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬
tig an ſeinen Maſſen abzugleiten. Wo Werke für die fernſten
Menſchengeſchlechter, ſichtbare Denkſäulen für die Annalen der Ge¬
ſchichte errichtet werden ſollten, — wo ägyptiſche Dynaſten ihre
koloſſalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an

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[[19]/0037] Granit. Was uranfänglich iſt, das iſt auch unanfänglich Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich. Was irgend wo und wann hat ſelber angefangen. Kann nicht der Anfang ſein und muß ein End' erlangen. Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn, Weil er aus Nichts entſtand, Nichts ohn' ihn kann entſtehn. Rückert. Granit iſt eine ſymboliſche Größe, — in Gemeinſchaft mit dem Marmor der hiſtoriſche Stein. Wie im Thierreich der Löwe, ein Repräſentant edler Eigenſchaften, phyſiſcher Kraft, als König in herrſchender Macht daſteht, — in der Pflanzenwelt die Eiche ein Bild der Feſtigkeit und Ausdauer, des ſtolzen Trotzes gegen Sturm und Wetter abgiebt, — ſo gilt der Granit als das Un¬ überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganiſchen Geſteine, — nach beſchränktem materiellen Begriff: als ein Körper der beinahe ewigen Exiſtenz. Jahrtauſende ſcheinen ſpurlos an ihm vorüberzurauſchen und die zerſtörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬ tig an ſeinen Maſſen abzugleiten. Wo Werke für die fernſten Menſchengeſchlechter, ſichtbare Denkſäulen für die Annalen der Ge¬ ſchichte errichtet werden ſollten, — wo ägyptiſche Dynaſten ihre koloſſalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an 2*

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. [19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/37>, abgerufen am 29.03.2024.