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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

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Holzschläger und Flößer.

Welch ein Gebraus im grünen Alpstrom-Schlunde!
Wie donnert Wog' an Woge mit Schaum-Gebrüll!
Wie tobt es wirbelnd, sich selbst verschlingend!
Bin ich entrückt in des Orkus Nachtgrau'n?

"Cinque! sette! tre! Cinque! quatter! due! Hahahaha!"
schallt brüllendes, heiseres Geschrei aus der Osteria von Cremaglia.
Die souveränen Bauern dieses, auf hoher Berg-Terrasse liegenden,
tessinischen Dörfchens sitzen beim vollen Boccale des feurigen
Weines von Cugnasco und spielen, die Finger auf dem Tische
beinahe sich wund schlagend und Tollhäuslern gleich einander
gegenseitig anschreiend, mit leidenschaftlicher Lebhaftigkeit das be¬
liebte Mora-Spiel. In Deutschland und diesseit der Alpen würde
man die Gesellschaft für Wahnsinnige halten, so geberden sie sich
in aller Liebe und Freundschaft; das ist eben italienisches Blut. --
Der leventiner Aelpler, oder der aus der Tiefe des Val Maggia
ist ein ganz gelassener Mann, so lange die Leidenschaften ihn nicht
aufregen; Streit, Gesellschaft, ein fröhlicher Trunk gestalten ihn
völlig um, und machen aus dem sonst so besonnenen, ruhigen

Holzſchläger und Flößer.

Welch ein Gebraus im grünen Alpſtrom-Schlunde!
Wie donnert Wog' an Woge mit Schaum-Gebrüll!
Wie tobt es wirbelnd, ſich ſelbſt verſchlingend!
Bin ich entrückt in des Orkus Nachtgrau'n?

„Cinque! sette! tre! Cinque! quatter! due! Hahahaha!
ſchallt brüllendes, heiſeres Geſchrei aus der Oſteria von Cremaglia.
Die ſouveränen Bauern dieſes, auf hoher Berg-Terraſſe liegenden,
teſſiniſchen Dörfchens ſitzen beim vollen Boccale des feurigen
Weines von Cugnasco und ſpielen, die Finger auf dem Tiſche
beinahe ſich wund ſchlagend und Tollhäuslern gleich einander
gegenſeitig anſchreiend, mit leidenſchaftlicher Lebhaftigkeit das be¬
liebte Mora-Spiel. In Deutſchland und dieſſeit der Alpen würde
man die Geſellſchaft für Wahnſinnige halten, ſo geberden ſie ſich
in aller Liebe und Freundſchaft; das iſt eben italieniſches Blut. —
Der leventiner Aelpler, oder der aus der Tiefe des Val Maggia
iſt ein ganz gelaſſener Mann, ſo lange die Leidenſchaften ihn nicht
aufregen; Streit, Geſellſchaft, ein fröhlicher Trunk geſtalten ihn
völlig um, und machen aus dem ſonſt ſo beſonnenen, ruhigen

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[[397]/0443] Holzſchläger und Flößer. Welch ein Gebraus im grünen Alpſtrom-Schlunde! Wie donnert Wog' an Woge mit Schaum-Gebrüll! Wie tobt es wirbelnd, ſich ſelbſt verſchlingend! Bin ich entrückt in des Orkus Nachtgrau'n? „Cinque! sette! tre! Cinque! quatter! due! Hahahaha!“ ſchallt brüllendes, heiſeres Geſchrei aus der Oſteria von Cremaglia. Die ſouveränen Bauern dieſes, auf hoher Berg-Terraſſe liegenden, teſſiniſchen Dörfchens ſitzen beim vollen Boccale des feurigen Weines von Cugnasco und ſpielen, die Finger auf dem Tiſche beinahe ſich wund ſchlagend und Tollhäuslern gleich einander gegenſeitig anſchreiend, mit leidenſchaftlicher Lebhaftigkeit das be¬ liebte Mora-Spiel. In Deutſchland und dieſſeit der Alpen würde man die Geſellſchaft für Wahnſinnige halten, ſo geberden ſie ſich in aller Liebe und Freundſchaft; das iſt eben italieniſches Blut. — Der leventiner Aelpler, oder der aus der Tiefe des Val Maggia iſt ein ganz gelaſſener Mann, ſo lange die Leidenſchaften ihn nicht aufregen; Streit, Geſellſchaft, ein fröhlicher Trunk geſtalten ihn völlig um, und machen aus dem ſonſt ſo beſonnenen, ruhigen

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Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. [397]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/443>, abgerufen am 29.03.2024.