Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Holzschläger und Flößer.
den hintersten, geschluchteten Thälern, am Fuße des Rheinwald¬
hornes, unter dem Beile der Borratori fallen. Die Waldung liegt
weit von der Straße ab und wohl einige Tagereisen entfernt von
dem lombardischen Orte, wo das Holz an den Sägemüller ver¬
kauft wird. Durch den Transport auf der Achse würde das Holz
zu einem enormen Preise hinaufgetrieben werden, den Nie¬
mand zahlte; deshalb müssen andere Transportmittel ersonnen
werden, -- namentlich auch schon, um nur das Holz aus den tief¬
versteckten, einsamen Gebirgswinkeln erst in die Nähe menschlicher
Communikation zu bringen.

Ueberall, wo große Bergströme von den Alpen herabkommen,
sind auch die Thalwände sehr von Waldungen entblößt. Das
Holz, welches nach Gewicht und Volumen in keinem Verhältniß
zu seinem Werthe steht, ist, bei nur einiger Entfernung, ein un¬
dankbar zu transportirendes Naturprodukt. Darum nahm man die
Flüsse für den Transport des Holzes in Anspruch, und deshalb
griff die Axt zunächst diejenigen Forste an, welche in der Nähe
kräftiger Wasseradern lagen. Auffallend entwaldeter ist die Süd¬
seite der Alpen als die nördliche. Das stark bevölkerte Italien
erzeugte von jeher nicht seinen Bedarf an Hölzern; deshalb griff
es in die Alpenwälder und rückte, Schritt für Schritt, immer wei¬
ter gegen den Kern der Forstschätze emporsteigend, mit seiner Plün¬
derungsspekulation vor, bis jene auffallende Entblößung an den
Südhängen entstand, welche uns bei jedem Berg-Uebergange so
sehr auffällt. Die leicht und frei gelegenen Forste fielen zuerst,
und als diese gelichtet waren, drang der Wälderhandel immer tiefer
in die Seitenthäler und die holzreichen, verwinkelten Gebirgsschluchten
ein, die früher selten eines Menschen Fuß betrat. Hier wächst,
mit dem Näher-Eindringen an den Gebirgskern, auch die Böschung,
die Zerklüftung des Bodens. An stoßigen Bergwänden, die gar
oft der Abdachung eines Kirchthurmhelmes wenig nachstehen, klettern
die Lärchen und Rothtannen wie rechte Sturmbäume muthig hinan,

Holzſchläger und Flößer.
den hinterſten, geſchluchteten Thälern, am Fuße des Rheinwald¬
hornes, unter dem Beile der Borratori fallen. Die Waldung liegt
weit von der Straße ab und wohl einige Tagereiſen entfernt von
dem lombardiſchen Orte, wo das Holz an den Sägemüller ver¬
kauft wird. Durch den Transport auf der Achſe würde das Holz
zu einem enormen Preiſe hinaufgetrieben werden, den Nie¬
mand zahlte; deshalb müſſen andere Transportmittel erſonnen
werden, — namentlich auch ſchon, um nur das Holz aus den tief¬
verſteckten, einſamen Gebirgswinkeln erſt in die Nähe menſchlicher
Communikation zu bringen.

Ueberall, wo große Bergſtröme von den Alpen herabkommen,
ſind auch die Thalwände ſehr von Waldungen entblößt. Das
Holz, welches nach Gewicht und Volumen in keinem Verhältniß
zu ſeinem Werthe ſteht, iſt, bei nur einiger Entfernung, ein un¬
dankbar zu transportirendes Naturprodukt. Darum nahm man die
Flüſſe für den Transport des Holzes in Anſpruch, und deshalb
griff die Axt zunächſt diejenigen Forſte an, welche in der Nähe
kräftiger Waſſeradern lagen. Auffallend entwaldeter iſt die Süd¬
ſeite der Alpen als die nördliche. Das ſtark bevölkerte Italien
erzeugte von jeher nicht ſeinen Bedarf an Hölzern; deshalb griff
es in die Alpenwälder und rückte, Schritt für Schritt, immer wei¬
ter gegen den Kern der Forſtſchätze emporſteigend, mit ſeiner Plün¬
derungsſpekulation vor, bis jene auffallende Entblößung an den
Südhängen entſtand, welche uns bei jedem Berg-Uebergange ſo
ſehr auffällt. Die leicht und frei gelegenen Forſte fielen zuerſt,
und als dieſe gelichtet waren, drang der Wälderhandel immer tiefer
in die Seitenthäler und die holzreichen, verwinkelten Gebirgsſchluchten
ein, die früher ſelten eines Menſchen Fuß betrat. Hier wächſt,
mit dem Näher-Eindringen an den Gebirgskern, auch die Böſchung,
die Zerklüftung des Bodens. An ſtoßigen Bergwänden, die gar
oft der Abdachung eines Kirchthurmhelmes wenig nachſtehen, klettern
die Lärchen und Rothtannen wie rechte Sturmbäume muthig hinan,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0445" n="399"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr #g">Holz&#x017F;chläger</hi><hi rendition="#fr">und</hi><hi rendition="#fr #g">Flößer</hi>.<lb/></fw> den hinter&#x017F;ten, ge&#x017F;chluchteten Thälern, am Fuße des Rheinwald¬<lb/>
hornes, unter dem Beile der <hi rendition="#aq">Borratori</hi> fallen. Die Waldung liegt<lb/>
weit von der Straße ab und wohl einige Tagerei&#x017F;en entfernt von<lb/>
dem lombardi&#x017F;chen Orte, wo das Holz an den Sägemüller ver¬<lb/>
kauft wird. Durch den Transport auf der Ach&#x017F;e würde das Holz<lb/>
zu einem enormen Prei&#x017F;e hinaufgetrieben werden, den Nie¬<lb/>
mand zahlte; deshalb mü&#x017F;&#x017F;en andere Transportmittel er&#x017F;onnen<lb/>
werden, &#x2014; namentlich auch &#x017F;chon, um nur das Holz aus den tief¬<lb/>
ver&#x017F;teckten, ein&#x017F;amen Gebirgswinkeln er&#x017F;t in die Nähe men&#x017F;chlicher<lb/>
Communikation zu bringen.</p><lb/>
        <p>Ueberall, wo große Berg&#x017F;tröme von den Alpen herabkommen,<lb/>
&#x017F;ind auch die Thalwände &#x017F;ehr von Waldungen entblößt. Das<lb/>
Holz, welches nach Gewicht und Volumen in keinem Verhältniß<lb/>
zu &#x017F;einem Werthe &#x017F;teht, i&#x017F;t, bei nur einiger Entfernung, ein un¬<lb/>
dankbar zu transportirendes Naturprodukt. Darum nahm man die<lb/>
Flü&#x017F;&#x017F;e für den Transport des Holzes in An&#x017F;pruch, und deshalb<lb/>
griff die Axt zunäch&#x017F;t diejenigen For&#x017F;te an, welche in der Nähe<lb/>
kräftiger Wa&#x017F;&#x017F;eradern lagen. Auffallend entwaldeter i&#x017F;t die Süd¬<lb/>
&#x017F;eite der Alpen als die nördliche. Das &#x017F;tark bevölkerte Italien<lb/>
erzeugte von jeher nicht &#x017F;einen Bedarf an Hölzern; deshalb griff<lb/>
es in die Alpenwälder und rückte, Schritt für Schritt, immer wei¬<lb/>
ter gegen den Kern der For&#x017F;t&#x017F;chätze empor&#x017F;teigend, mit &#x017F;einer Plün¬<lb/>
derungs&#x017F;pekulation vor, bis jene auffallende Entblößung an den<lb/>
Südhängen ent&#x017F;tand, welche uns bei jedem Berg-Uebergange &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr auffällt. Die leicht und frei gelegenen For&#x017F;te fielen zuer&#x017F;t,<lb/>
und als die&#x017F;e gelichtet waren, drang der Wälderhandel immer tiefer<lb/>
in die Seitenthäler und die holzreichen, verwinkelten Gebirgs&#x017F;chluchten<lb/>
ein, die früher &#x017F;elten eines Men&#x017F;chen Fuß betrat. Hier wäch&#x017F;t,<lb/>
mit dem Näher-Eindringen an den Gebirgskern, auch die Bö&#x017F;chung,<lb/>
die Zerklüftung des Bodens. An &#x017F;toßigen Bergwänden, die gar<lb/>
oft der Abdachung eines Kirchthurmhelmes wenig nach&#x017F;tehen, klettern<lb/>
die Lärchen und Rothtannen wie rechte Sturmbäume muthig hinan,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0445] Holzſchläger und Flößer. den hinterſten, geſchluchteten Thälern, am Fuße des Rheinwald¬ hornes, unter dem Beile der Borratori fallen. Die Waldung liegt weit von der Straße ab und wohl einige Tagereiſen entfernt von dem lombardiſchen Orte, wo das Holz an den Sägemüller ver¬ kauft wird. Durch den Transport auf der Achſe würde das Holz zu einem enormen Preiſe hinaufgetrieben werden, den Nie¬ mand zahlte; deshalb müſſen andere Transportmittel erſonnen werden, — namentlich auch ſchon, um nur das Holz aus den tief¬ verſteckten, einſamen Gebirgswinkeln erſt in die Nähe menſchlicher Communikation zu bringen. Ueberall, wo große Bergſtröme von den Alpen herabkommen, ſind auch die Thalwände ſehr von Waldungen entblößt. Das Holz, welches nach Gewicht und Volumen in keinem Verhältniß zu ſeinem Werthe ſteht, iſt, bei nur einiger Entfernung, ein un¬ dankbar zu transportirendes Naturprodukt. Darum nahm man die Flüſſe für den Transport des Holzes in Anſpruch, und deshalb griff die Axt zunächſt diejenigen Forſte an, welche in der Nähe kräftiger Waſſeradern lagen. Auffallend entwaldeter iſt die Süd¬ ſeite der Alpen als die nördliche. Das ſtark bevölkerte Italien erzeugte von jeher nicht ſeinen Bedarf an Hölzern; deshalb griff es in die Alpenwälder und rückte, Schritt für Schritt, immer wei¬ ter gegen den Kern der Forſtſchätze emporſteigend, mit ſeiner Plün¬ derungsſpekulation vor, bis jene auffallende Entblößung an den Südhängen entſtand, welche uns bei jedem Berg-Uebergange ſo ſehr auffällt. Die leicht und frei gelegenen Forſte fielen zuerſt, und als dieſe gelichtet waren, drang der Wälderhandel immer tiefer in die Seitenthäler und die holzreichen, verwinkelten Gebirgsſchluchten ein, die früher ſelten eines Menſchen Fuß betrat. Hier wächſt, mit dem Näher-Eindringen an den Gebirgskern, auch die Böſchung, die Zerklüftung des Bodens. An ſtoßigen Bergwänden, die gar oft der Abdachung eines Kirchthurmhelmes wenig nachſtehen, klettern die Lärchen und Rothtannen wie rechte Sturmbäume muthig hinan,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/445
Zitationshilfe: Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/445>, abgerufen am 19.04.2024.