Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
und auch am Leibe, so noch schwach,
Anno 1704.
§. 59.

Doch war schon die Seele nunmehro gehei-
let, so mochte doch der Leib noch nicht völlig von
der Unordnung und üblen Disposition, in welche
er durch die ein Viertel-Jahr her währende Her-
tzens-Angst gerathen, befreyet seyn. Es über-
fiel mich öffters noch Furcht und Zittern, wenn
ich nur daran gedachte, wie nahe ich der Höllen,
dem ewigen Tode, und einem erschrecklichen zeit-
lichen Tode gewesen; doch überwand ich stets
gar bald wieder, und wurde reichlich getröstet.
Der Kopff, und die Imagination war auch noch
schwach, so daß mir dann und wann die vorigen
Phantasien und schrecklichen Gedancken einfielen,
sie hatten aber nicht mehr die vorige Krafft mich
zu schrecken. Z. E. ich hatte den 3. Sonntag
nach Trinitatis in der Vesper vor Herr M. Wei-
sen in der Niclas-Kirchen geprediget, und bey
dem starcken Auditorio, das der Mann stets
hatte, wie auch bey der großen Hitze des Som-
mers, war mir der Kopff noch schwächer wor-
den. Etliche meiner Auditorum, die meine
Collegia frequentirten, und die mich predigen
gehöret, baten mich mit ihnen nach Golitz spa-
tzieren zu gehen. Jch willigte zwar drein, doch
bat ich, sie möchten voran gehen, ich wolte ih-

nen
und auch am Leibe, ſo noch ſchwach,
Anno 1704.
§. 59.

Doch war ſchon die Seele nunmehro gehei-
let, ſo mochte doch der Leib noch nicht voͤllig von
der Unordnung und uͤblen Diſpoſition, in welche
er durch die ein Viertel-Jahr her waͤhrende Her-
tzens-Angſt gerathen, befreyet ſeyn. Es uͤber-
fiel mich oͤffters noch Furcht und Zittern, wenn
ich nur daran gedachte, wie nahe ich der Hoͤllen,
dem ewigen Tode, und einem erſchrecklichen zeit-
lichen Tode geweſen; doch uͤberwand ich ſtets
gar bald wieder, und wurde reichlich getroͤſtet.
Der Kopff, und die Imagination war auch noch
ſchwach, ſo daß mir dann und wann die vorigen
Phantaſien und ſchrecklichen Gedancken einfielen,
ſie hatten aber nicht mehr die vorige Krafft mich
zu ſchrecken. Z. E. ich hatte den 3. Sonntag
nach Trinitatis in der Veſper vor Herr M. Wei-
ſen in der Niclas-Kirchen geprediget, und bey
dem ſtarcken Auditorio, das der Mann ſtets
hatte, wie auch bey der großen Hitze des Som-
mers, war mir der Kopff noch ſchwaͤcher wor-
den. Etliche meiner Auditorum, die meine
Collegia frequentirten, und die mich predigen
gehoͤret, baten mich mit ihnen nach Golitz ſpa-
tzieren zu gehen. Jch willigte zwar drein, doch
bat ich, ſie moͤchten voran gehen, ich wolte ih-

nen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0296" n="250"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und auch am Leibe, &#x017F;o noch &#x017F;chwach,</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Anno</hi></hi> 1704.<lb/>
§. 59.</head><lb/>
        <p>Doch war &#x017F;chon die Seele nunmehro gehei-<lb/>
let, &#x017F;o mochte doch der Leib noch nicht vo&#x0364;llig von<lb/>
der Unordnung und u&#x0364;blen <hi rendition="#aq">Di&#x017F;po&#x017F;ition,</hi> in welche<lb/>
er durch die ein Viertel-Jahr her wa&#x0364;hrende Her-<lb/>
tzens-Ang&#x017F;t gerathen, befreyet &#x017F;eyn. Es u&#x0364;ber-<lb/>
fiel mich o&#x0364;ffters noch Furcht und Zittern, wenn<lb/>
ich nur daran gedachte, wie nahe ich der Ho&#x0364;llen,<lb/>
dem ewigen Tode, und einem er&#x017F;chrecklichen zeit-<lb/>
lichen Tode gewe&#x017F;en; doch u&#x0364;berwand ich &#x017F;tets<lb/>
gar bald wieder, und wurde reichlich getro&#x0364;&#x017F;tet.<lb/>
Der Kopff, und die <hi rendition="#aq">Imagination</hi> war auch noch<lb/>
&#x017F;chwach, &#x017F;o daß mir dann und wann die vorigen<lb/><hi rendition="#aq">Phanta&#x017F;i</hi>en und &#x017F;chrecklichen Gedancken einfielen,<lb/>
&#x017F;ie hatten aber nicht mehr die vorige Krafft mich<lb/>
zu &#x017F;chrecken. Z. E. ich hatte den 3. Sonntag<lb/>
nach <hi rendition="#aq">Trinitatis</hi> in der <hi rendition="#aq">Ve&#x017F;per</hi> vor Herr <hi rendition="#aq">M.</hi> Wei-<lb/>
&#x017F;en in der Niclas-Kirchen geprediget, und bey<lb/>
dem &#x017F;tarcken <hi rendition="#aq">Auditorio,</hi> das der Mann &#x017F;tets<lb/>
hatte, wie auch bey der großen Hitze des Som-<lb/>
mers, war mir der Kopff noch &#x017F;chwa&#x0364;cher wor-<lb/>
den. Etliche meiner <hi rendition="#aq">Auditorum,</hi> die meine<lb/><hi rendition="#aq">Collegia frequenti</hi>rten, und die mich predigen<lb/>
geho&#x0364;ret, baten mich mit ihnen nach Golitz &#x017F;pa-<lb/>
tzieren zu gehen. Jch willigte zwar drein, doch<lb/>
bat ich, &#x017F;ie mo&#x0364;chten voran gehen, ich wolte ih-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0296] und auch am Leibe, ſo noch ſchwach, Anno 1704. §. 59. Doch war ſchon die Seele nunmehro gehei- let, ſo mochte doch der Leib noch nicht voͤllig von der Unordnung und uͤblen Diſpoſition, in welche er durch die ein Viertel-Jahr her waͤhrende Her- tzens-Angſt gerathen, befreyet ſeyn. Es uͤber- fiel mich oͤffters noch Furcht und Zittern, wenn ich nur daran gedachte, wie nahe ich der Hoͤllen, dem ewigen Tode, und einem erſchrecklichen zeit- lichen Tode geweſen; doch uͤberwand ich ſtets gar bald wieder, und wurde reichlich getroͤſtet. Der Kopff, und die Imagination war auch noch ſchwach, ſo daß mir dann und wann die vorigen Phantaſien und ſchrecklichen Gedancken einfielen, ſie hatten aber nicht mehr die vorige Krafft mich zu ſchrecken. Z. E. ich hatte den 3. Sonntag nach Trinitatis in der Veſper vor Herr M. Wei- ſen in der Niclas-Kirchen geprediget, und bey dem ſtarcken Auditorio, das der Mann ſtets hatte, wie auch bey der großen Hitze des Som- mers, war mir der Kopff noch ſchwaͤcher wor- den. Etliche meiner Auditorum, die meine Collegia frequentirten, und die mich predigen gehoͤret, baten mich mit ihnen nach Golitz ſpa- tzieren zu gehen. Jch willigte zwar drein, doch bat ich, ſie moͤchten voran gehen, ich wolte ih- nen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/296
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/296>, abgerufen am 23.04.2024.