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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und den Herrn Inspectorem

Jm Thone: Die Sonne hat sich mit ihrem
Glantz gewendet.

Anno 1705.
§. 79.

Auch bey dem Herrn Inspector Neumann
hatte sich die Sonne und ehemalige Gunst und
Zuneigung gewendet, die er in großem Maaße,
da ich noch ein Gymnasiaste war, gegen mich ge-
habt hatte. Er hatte sich allzu leicht durch das
Vorurtheil anderer einnehmen lassen, daß ich
unus ex illis, und einer aus denselben wäre, viel-
leicht weil er es gewünscht hatte, daß ich es seyn
möchte. Da ich kaum ein und das anderemahl
geprediget hatte, so fieng ein Gerüchte an zu cir-
culi
ren: ich wäre ein anderer Neumann, ja
ich überträffe ihn noch; denn Herr Neumann
wäre bey seinem arguten Stylo gar zu gelinde,
und greiffe das lasterhaffte Leben der Menschen
nicht genug an, weswegen ihn auch seine ehe-
mahlige Collegen vorlängst einen Zucker-Predi-
ger genennet hätten. Dieß mochte vor seine
Ohren gekommen seyn, und dadurch das Feuer
seines Zornes wider mich seyn angezündet wor-
den. Denn wie mir hernach ein vornehmer
Rath erzehlete, so kunte er keinen leiden, der ihm
nachahmte, oder ihm nachahmen wolte, und
am allerwenigsten den, von welchem so gar die

Leute
und den Herrn Inſpectorem

Jm Thone: Die Sonne hat ſich mit ihrem
Glantz gewendet.

Anno 1705.
§. 79.

Auch bey dem Herrn Inſpector Neumann
hatte ſich die Sonne und ehemalige Gunſt und
Zuneigung gewendet, die er in großem Maaße,
da ich noch ein Gymnaſiaſte war, gegen mich ge-
habt hatte. Er hatte ſich allzu leicht durch das
Vorurtheil anderer einnehmen laſſen, daß ich
unus ex illis, und einer aus denſelben waͤre, viel-
leicht weil er es gewuͤnſcht hatte, daß ich es ſeyn
moͤchte. Da ich kaum ein und das anderemahl
geprediget hatte, ſo fieng ein Geruͤchte an zu cir-
culi
ren: ich waͤre ein anderer Neumann, ja
ich uͤbertraͤffe ihn noch; denn Herr Neumann
waͤre bey ſeinem arguten Stylo gar zu gelinde,
und greiffe das laſterhaffte Leben der Menſchen
nicht genug an, weswegen ihn auch ſeine ehe-
mahlige Collegen vorlaͤngſt einen Zucker-Predi-
ger genennet haͤtten. Dieß mochte vor ſeine
Ohren gekommen ſeyn, und dadurch das Feuer
ſeines Zornes wider mich ſeyn angezuͤndet wor-
den. Denn wie mir hernach ein vornehmer
Rath erzehlete, ſo kunte er keinen leiden, der ihm
nachahmte, oder ihm nachahmen wolte, und
am allerwenigſten den, von welchem ſo gar die

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[382/0428] und den Herrn Inſpectorem Jm Thone: Die Sonne hat ſich mit ihrem Glantz gewendet. Anno 1705. §. 79. Auch bey dem Herrn Inſpector Neumann hatte ſich die Sonne und ehemalige Gunſt und Zuneigung gewendet, die er in großem Maaße, da ich noch ein Gymnaſiaſte war, gegen mich ge- habt hatte. Er hatte ſich allzu leicht durch das Vorurtheil anderer einnehmen laſſen, daß ich unus ex illis, und einer aus denſelben waͤre, viel- leicht weil er es gewuͤnſcht hatte, daß ich es ſeyn moͤchte. Da ich kaum ein und das anderemahl geprediget hatte, ſo fieng ein Geruͤchte an zu cir- culiren: ich waͤre ein anderer Neumann, ja ich uͤbertraͤffe ihn noch; denn Herr Neumann waͤre bey ſeinem arguten Stylo gar zu gelinde, und greiffe das laſterhaffte Leben der Menſchen nicht genug an, weswegen ihn auch ſeine ehe- mahlige Collegen vorlaͤngſt einen Zucker-Predi- ger genennet haͤtten. Dieß mochte vor ſeine Ohren gekommen ſeyn, und dadurch das Feuer ſeines Zornes wider mich ſeyn angezuͤndet wor- den. Denn wie mir hernach ein vornehmer Rath erzehlete, ſo kunte er keinen leiden, der ihm nachahmte, oder ihm nachahmen wolte, und am allerwenigſten den, von welchem ſo gar die Leute

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/428>, abgerufen am 24.04.2024.