Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
so gleichen Zufällen unterworffen,
Anno 1714.

Diese Dinge, die ich bisher erzehlet, be-
gegneten mir, so ich mich noch recht besinne,
schier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander;
und, damit ja alle solche Versuchungen bey mir,
wo nicht auf den höchsten, doch auf einen hohen
Grad getrieben würden, so wäre mein eigener
Famulus, den ich stets um mich hatte, und den
ich stets brauchen muste, bald durch einen ge-
wissen Zufall und Umgang mit einem Fanatico
seines Verstandes beraubet worden, welches
mir auf einige Tage schreckliche Noth verur-
sachte, weil ich nicht wuste, wie er zu solchem
Ubel käme. Es fieng derselbe an 1714 zu
Anfang des Sommers gantz seltsam und tieff-
sinnig auszusehen: redete wunderbare Dinge,
in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab
vor, es solte in kurtzem eine Zeit kommen, da
solte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne
in der Welt werden. Er that, und studirte
nichts mehr, die Bücher ließ er liegen, gieng
alle Tage aus, und kam des Abends wieder:
vorgebende, er brauche nun kein Studirens
mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe,
und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht
verstund, als der ich ihn wegen meiner Ein-
samkeit ordentlicher Weise bey mir in der Kam-

mer
ſo gleichen Zufaͤllen unterworffen,
Anno 1714.

Dieſe Dinge, die ich bisher erzehlet, be-
gegneten mir, ſo ich mich noch recht beſinne,
ſchier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander;
und, damit ja alle ſolche Verſuchungen bey mir,
wo nicht auf den hoͤchſten, doch auf einen hohen
Grad getrieben wuͤrden, ſo waͤre mein eigener
Famulus, den ich ſtets um mich hatte, und den
ich ſtets brauchen muſte, bald durch einen ge-
wiſſen Zufall und Umgang mit einem Fanatico
ſeines Verſtandes beraubet worden, welches
mir auf einige Tage ſchreckliche Noth verur-
ſachte, weil ich nicht wuſte, wie er zu ſolchem
Ubel kaͤme. Es fieng derſelbe an 1714 zu
Anfang des Sommers gantz ſeltſam und tieff-
ſinnig auszuſehen: redete wunderbare Dinge,
in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab
vor, es ſolte in kurtzem eine Zeit kommen, da
ſolte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne
in der Welt werden. Er that, und ſtudirte
nichts mehr, die Buͤcher ließ er liegen, gieng
alle Tage aus, und kam des Abends wieder:
vorgebende, er brauche nun kein Studirens
mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe,
und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht
verſtund, als der ich ihn wegen meiner Ein-
ſamkeit ordentlicher Weiſe bey mir in der Kam-

mer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0633" n="587"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">&#x017F;o gleichen Zufa&#x0364;llen unterworffen,</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1714.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Dinge, die ich bisher erzehlet, be-<lb/>
gegneten mir, &#x017F;o ich mich noch recht be&#x017F;inne,<lb/>
&#x017F;chier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander;<lb/>
und, damit ja alle &#x017F;olche Ver&#x017F;uchungen bey mir,<lb/>
wo nicht auf den ho&#x0364;ch&#x017F;ten, doch auf einen hohen<lb/>
Grad getrieben wu&#x0364;rden, &#x017F;o wa&#x0364;re mein eigener<lb/><hi rendition="#aq">Famulus,</hi> den ich &#x017F;tets um mich hatte, und den<lb/>
ich &#x017F;tets brauchen mu&#x017F;te, bald durch einen ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Zufall und Umgang mit einem <hi rendition="#aq">Fanatico</hi><lb/>
&#x017F;eines Ver&#x017F;tandes beraubet worden, welches<lb/>
mir auf einige Tage &#x017F;chreckliche Noth verur-<lb/>
&#x017F;achte, weil ich nicht wu&#x017F;te, wie er zu &#x017F;olchem<lb/>
Ubel ka&#x0364;me. Es fieng der&#x017F;elbe an 1714 zu<lb/>
Anfang des Sommers gantz &#x017F;elt&#x017F;am und tieff-<lb/>
&#x017F;innig auszu&#x017F;ehen: redete wunderbare Dinge,<lb/>
in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab<lb/>
vor, es &#x017F;olte in kurtzem eine Zeit kommen, da<lb/>
&#x017F;olte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne<lb/>
in der Welt werden. Er that, und <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi</hi>rte<lb/>
nichts mehr, die Bu&#x0364;cher ließ er liegen, gieng<lb/>
alle Tage aus, und kam des Abends wieder:<lb/>
vorgebende, er brauche nun kein <hi rendition="#aq">Studi</hi>rens<lb/>
mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe,<lb/>
und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht<lb/>
ver&#x017F;tund, als der ich ihn wegen meiner Ein-<lb/>
&#x017F;amkeit ordentlicher Wei&#x017F;e bey mir in der Kam-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mer</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[587/0633] ſo gleichen Zufaͤllen unterworffen, Anno 1714. Dieſe Dinge, die ich bisher erzehlet, be- gegneten mir, ſo ich mich noch recht beſinne, ſchier auf eine Zeit, oder kurtz auf einander; und, damit ja alle ſolche Verſuchungen bey mir, wo nicht auf den hoͤchſten, doch auf einen hohen Grad getrieben wuͤrden, ſo waͤre mein eigener Famulus, den ich ſtets um mich hatte, und den ich ſtets brauchen muſte, bald durch einen ge- wiſſen Zufall und Umgang mit einem Fanatico ſeines Verſtandes beraubet worden, welches mir auf einige Tage ſchreckliche Noth verur- ſachte, weil ich nicht wuſte, wie er zu ſolchem Ubel kaͤme. Es fieng derſelbe an 1714 zu Anfang des Sommers gantz ſeltſam und tieff- ſinnig auszuſehen: redete wunderbare Dinge, in welche ich mich nicht finden kunte. Er gab vor, es ſolte in kurtzem eine Zeit kommen, da ſolte ich durch ihn noch zu einem reichen Manne in der Welt werden. Er that, und ſtudirte nichts mehr, die Buͤcher ließ er liegen, gieng alle Tage aus, und kam des Abends wieder: vorgebende, er brauche nun kein Studirens mehr. Jn der Nacht hatte er keine Ruhe, und redete viel Dinge im Traum, die ich nicht verſtund, als der ich ihn wegen meiner Ein- ſamkeit ordentlicher Weiſe bey mir in der Kam- mer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/633
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/633>, abgerufen am 24.04.2024.