Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
wegen seines Schülers,
Anno 1736.
§. 159.

Schier gleiche Bewandniß hatte es mit dem
unvermutheten Gewissens-Scrupel, der einige
Wochen hernach wegen meines eintzigen Schü-
lers, den ich mir erwehlet hatte, entstand. Er
gehörte einem von meinen guten Freunden an,
und ist noch dazu meine Pathe: ein Knabe von
ohngefehr 12. Jahren. Die Zeiten sind schwer,
dachte ich, und die Eltern haben der Kinder
mehr, der Knabe ist der Handlung gewidmet,
und kan wenig mehr Schul-Sachen tractiren, so
daß zu befürchten, er werde in kurtzen wieder
vergessen, was er gelernet. Weil dir die Zeit
ohnedem zu lang wird, ich will ihn doch etwan
ein halb Stündgen des Tages ein wenig in
Sprachen unterrichten, die bey der Handlung
nützlich sind. Jch that es, der Knabe bezeugete
große Lust; aber siehe, auch dieses mahl, als
ich in bestem Informiren bin (wenn gleich der
Teufel solche unvermuthete Pfeile bisher hätte
abzuschießen angefangen, es hätte nicht ärger
seyn können) gantz unvermuthet, und ohne alle
Connexion der Gedancken überfällt mich der
Scrupel, als wenn ich wider das Verbot und
Rescript Jhro Majestät sündigte, in welchem
mir Predigen, Collegia halten, und alles Haus-

Dociren
wegen ſeines Schuͤlers,
Anno 1736.
§. 159.

Schier gleiche Bewandniß hatte es mit dem
unvermutheten Gewiſſens-Scrupel, der einige
Wochen hernach wegen meines eintzigen Schuͤ-
lers, den ich mir erwehlet hatte, entſtand. Er
gehoͤrte einem von meinen guten Freunden an,
und iſt noch dazu meine Pathe: ein Knabe von
ohngefehr 12. Jahren. Die Zeiten ſind ſchwer,
dachte ich, und die Eltern haben der Kinder
mehr, der Knabe iſt der Handlung gewidmet,
und kan wenig mehr Schul-Sachen tractiren, ſo
daß zu befuͤrchten, er werde in kurtzen wieder
vergeſſen, was er gelernet. Weil dir die Zeit
ohnedem zu lang wird, ich will ihn doch etwan
ein halb Stuͤndgen des Tages ein wenig in
Sprachen unterrichten, die bey der Handlung
nuͤtzlich ſind. Jch that es, der Knabe bezeugete
große Luſt; aber ſiehe, auch dieſes mahl, als
ich in beſtem Informiren bin (wenn gleich der
Teufel ſolche unvermuthete Pfeile bisher haͤtte
abzuſchießen angefangen, es haͤtte nicht aͤrger
ſeyn koͤnnen) gantz unvermuthet, und ohne alle
Connexion der Gedancken uͤberfaͤllt mich der
Scrupel, als wenn ich wider das Verbot und
Reſcript Jhro Majeſtaͤt ſuͤndigte, in welchem
mir Predigen, Collegia halten, und alles Haus-

Dociren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0776" n="730"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">wegen &#x017F;eines Schu&#x0364;lers,</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1736.</hi><lb/>
§. 159.</hi> </head><lb/>
        <p>Schier gleiche Bewandniß hatte es mit dem<lb/>
unvermutheten Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Scrupel, der einige<lb/>
Wochen hernach wegen meines eintzigen Schu&#x0364;-<lb/>
lers, den ich mir erwehlet hatte, ent&#x017F;tand. Er<lb/>
geho&#x0364;rte einem von meinen guten Freunden an,<lb/>
und i&#x017F;t noch dazu meine Pathe: ein Knabe von<lb/>
ohngefehr 12. Jahren. Die Zeiten &#x017F;ind &#x017F;chwer,<lb/>
dachte ich, und die Eltern haben der Kinder<lb/>
mehr, der Knabe i&#x017F;t der Handlung gewidmet,<lb/>
und kan wenig mehr Schul-Sachen <hi rendition="#aq">tracti</hi>ren, &#x017F;o<lb/>
daß zu befu&#x0364;rchten, er werde in kurtzen wieder<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en, was er gelernet. Weil dir die Zeit<lb/>
ohnedem zu lang wird, ich will ihn doch etwan<lb/>
ein halb Stu&#x0364;ndgen des Tages ein wenig in<lb/>
Sprachen unterrichten, die bey der Handlung<lb/>
nu&#x0364;tzlich &#x017F;ind. Jch that es, der Knabe bezeugete<lb/>
große Lu&#x017F;t; aber &#x017F;iehe, auch die&#x017F;es mahl, als<lb/>
ich in be&#x017F;tem <hi rendition="#aq">Informi</hi>ren bin (wenn gleich der<lb/>
Teufel &#x017F;olche unvermuthete Pfeile bisher ha&#x0364;tte<lb/>
abzu&#x017F;chießen angefangen, es ha&#x0364;tte nicht a&#x0364;rger<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnen) gantz unvermuthet, und ohne alle<lb/><hi rendition="#aq">Connexion</hi> der Gedancken u&#x0364;berfa&#x0364;llt mich der<lb/>
Scrupel, als wenn ich wider das Verbot und<lb/><hi rendition="#aq">Re&#x017F;cript</hi> Jhro Maje&#x017F;ta&#x0364;t &#x017F;u&#x0364;ndigte, in welchem<lb/>
mir Predigen, <hi rendition="#aq">Collegia</hi> halten, und alles Haus-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Doci</hi>ren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[730/0776] wegen ſeines Schuͤlers, Anno 1736. §. 159. Schier gleiche Bewandniß hatte es mit dem unvermutheten Gewiſſens-Scrupel, der einige Wochen hernach wegen meines eintzigen Schuͤ- lers, den ich mir erwehlet hatte, entſtand. Er gehoͤrte einem von meinen guten Freunden an, und iſt noch dazu meine Pathe: ein Knabe von ohngefehr 12. Jahren. Die Zeiten ſind ſchwer, dachte ich, und die Eltern haben der Kinder mehr, der Knabe iſt der Handlung gewidmet, und kan wenig mehr Schul-Sachen tractiren, ſo daß zu befuͤrchten, er werde in kurtzen wieder vergeſſen, was er gelernet. Weil dir die Zeit ohnedem zu lang wird, ich will ihn doch etwan ein halb Stuͤndgen des Tages ein wenig in Sprachen unterrichten, die bey der Handlung nuͤtzlich ſind. Jch that es, der Knabe bezeugete große Luſt; aber ſiehe, auch dieſes mahl, als ich in beſtem Informiren bin (wenn gleich der Teufel ſolche unvermuthete Pfeile bisher haͤtte abzuſchießen angefangen, es haͤtte nicht aͤrger ſeyn koͤnnen) gantz unvermuthet, und ohne alle Connexion der Gedancken uͤberfaͤllt mich der Scrupel, als wenn ich wider das Verbot und Reſcript Jhro Majeſtaͤt ſuͤndigte, in welchem mir Predigen, Collegia halten, und alles Haus- Dociren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/776
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/776>, abgerufen am 25.04.2024.