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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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bekommt freye Wohnung,
auf ein halb Jahr. Und ich wünschte, daß
auch da mein unordentliches Leben zugleich ein
Ende gehabt hätte. Allein dieses schien alsdenn
erst recht anzufangen, ob mir wol niemahls da-
bey wohl zu muthe, sondern dasselbe stets mit
großer Gemüths-Unruhe verknüpfft gewesen.
Meine Pathe, die Frau D. Vollgenadin, eine
reiche Apotheckerin, die mir viel gutes that, und
schon manchen Thaler zu Büchern, und Klei-
dern gegeben hatte, miethete vor mich eine Stube
auf dem Sperlings-Berge, bey einem Gast-
Schlächter, der nur ein Weib, aber keine Kinder
hatte, allwo ich ruhig in der Stuben studiren
kunte. Jch bekam auch allda die Kinder des
Roth-Gerbers, dem das Haus gehörte, und
der im untersten Stocke wohnte, zu informiren,
und hatte davon etwas Geld, und die Woche
zweymahl einen Mensam ambulatoriam. Jn
Breßlau essen die reichen Leute um 12, und die
mittelmäßigen und armen um 11. Uhr. Weil
mir es nun an Wohlthätern nicht fehlte, so
hatte ich zuweilen in einem Mittage zwey Ti-
sche; und mein Magen war dazumahl auch
noch so vortrefflich, daß eine Mahlzeit der an-
dern nichts schadete. Die Roth-Gerberin
hatte eine Anverwandtin, so eine Jungfrau von
21. Jahren, deren Eltern mir auch etwas zu-
wendeten, indem ich ihre Tochter im Schrei-

ben

bekommt freye Wohnung,
auf ein halb Jahr. Und ich wuͤnſchte, daß
auch da mein unordentliches Leben zugleich ein
Ende gehabt haͤtte. Allein dieſes ſchien alsdenn
erſt recht anzufangen, ob mir wol niemahls da-
bey wohl zu muthe, ſondern daſſelbe ſtets mit
großer Gemuͤths-Unruhe verknuͤpfft geweſen.
Meine Pathe, die Frau D. Vollgenadin, eine
reiche Apotheckerin, die mir viel gutes that, und
ſchon manchen Thaler zu Buͤchern, und Klei-
dern gegeben hatte, miethete vor mich eine Stube
auf dem Sperlings-Berge, bey einem Gaſt-
Schlaͤchter, der nur ein Weib, aber keine Kinder
hatte, allwo ich ruhig in der Stuben ſtudiren
kunte. Jch bekam auch allda die Kinder des
Roth-Gerbers, dem das Haus gehoͤrte, und
der im unterſten Stocke wohnte, zu informiren,
und hatte davon etwas Geld, und die Woche
zweymahl einen Menſam ambulatoriam. Jn
Breßlau eſſen die reichen Leute um 12, und die
mittelmaͤßigen und armen um 11. Uhr. Weil
mir es nun an Wohlthaͤtern nicht fehlte, ſo
hatte ich zuweilen in einem Mittage zwey Ti-
ſche; und mein Magen war dazumahl auch
noch ſo vortrefflich, daß eine Mahlzeit der an-
dern nichts ſchadete. Die Roth-Gerberin
hatte eine Anverwandtin, ſo eine Jungfrau von
21. Jahren, deren Eltern mir auch etwas zu-
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[95/0141] bekommt freye Wohnung, auf ein halb Jahr. Und ich wuͤnſchte, daß auch da mein unordentliches Leben zugleich ein Ende gehabt haͤtte. Allein dieſes ſchien alsdenn erſt recht anzufangen, ob mir wol niemahls da- bey wohl zu muthe, ſondern daſſelbe ſtets mit großer Gemuͤths-Unruhe verknuͤpfft geweſen. Meine Pathe, die Frau D. Vollgenadin, eine reiche Apotheckerin, die mir viel gutes that, und ſchon manchen Thaler zu Buͤchern, und Klei- dern gegeben hatte, miethete vor mich eine Stube auf dem Sperlings-Berge, bey einem Gaſt- Schlaͤchter, der nur ein Weib, aber keine Kinder hatte, allwo ich ruhig in der Stuben ſtudiren kunte. Jch bekam auch allda die Kinder des Roth-Gerbers, dem das Haus gehoͤrte, und der im unterſten Stocke wohnte, zu informiren, und hatte davon etwas Geld, und die Woche zweymahl einen Menſam ambulatoriam. Jn Breßlau eſſen die reichen Leute um 12, und die mittelmaͤßigen und armen um 11. Uhr. Weil mir es nun an Wohlthaͤtern nicht fehlte, ſo hatte ich zuweilen in einem Mittage zwey Ti- ſche; und mein Magen war dazumahl auch noch ſo vortrefflich, daß eine Mahlzeit der an- dern nichts ſchadete. Die Roth-Gerberin hatte eine Anverwandtin, ſo eine Jungfrau von 21. Jahren, deren Eltern mir auch etwas zu- wendeten, indem ich ihre Tochter im Schrei- ben

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/141>, abgerufen am 28.03.2024.