Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
und daraus erlöset,
§. 65.

Daferne wir etwas, als unser gegenwär-
tiges oder zukünfftiges Gut, und als unser ge-
genwärtiges oder zukünfftiges Ubel erkennen und
urtheilen; so entstehet in unserm Willen ent-
weder eine Liebe und Begierde nach dem Gu-
ten, oder eine Verabscheuung des Bösen;
mit einem Worte, die beyden bekannten Be-
wegungen im Willen, welche wir appetitio-
nem
und aversationem nennen. Diese Be-
wegungen sind in unserm Willen mäßig, wenn
ein Gut und Ubel nur als unser geringes und
kleines Gut und Ubel erkannt, und geurtheilet
wird. Dannenhero auch einige Lehrer diese
ersten und mäßigen Bewegungen im Willen
affectus mentales, oder solche Affecten genennt,
die in der Seele und in dem Gemüthe bleiben,
und sich noch nicht sonderlich im Leibe spühren
und wahrnehmen laßen. Woferne wir aber
urtheilen, daß etwas unser großes Gut, oder
unser großes Ubel sey, oder seyn werde; so
entstehet daraus ein hefftiger, und starcker
Wille, oder eine hefftige Bewegung des Wil-
lens, hefftiger Haß und Liebe, starcke
Freude,
Traurigkeit, Furcht, Angst, Sorge, Schre-
cken, Hoffnung, Verzweiffelung, nachdem et-
wan die Urtheile beschaffen sind, die wir von

unserm
S
und daraus erloͤſet,
§. 65.

Daferne wir etwas, als unſer gegenwaͤr-
tiges oder zukuͤnfftiges Gut, und als unſer ge-
genwaͤrtiges oder zukuͤnfftiges Ubel erkennen und
urtheilen; ſo entſtehet in unſerm Willen ent-
weder eine Liebe und Begierde nach dem Gu-
ten, oder eine Verabſcheuung des Boͤſen;
mit einem Worte, die beyden bekannten Be-
wegungen im Willen, welche wir appetitio-
nem
und averſationem nennen. Dieſe Be-
wegungen ſind in unſerm Willen maͤßig, wenn
ein Gut und Ubel nur als unſer geringes und
kleines Gut und Ubel erkannt, und geurtheilet
wird. Dannenhero auch einige Lehrer dieſe
erſten und maͤßigen Bewegungen im Willen
affectus mentales, oder ſolche Affecten genennt,
die in der Seele und in dem Gemuͤthe bleiben,
und ſich noch nicht ſonderlich im Leibe ſpuͤhren
und wahrnehmen laßen. Woferne wir aber
urtheilen, daß etwas unſer großes Gut, oder
unſer großes Ubel ſey, oder ſeyn werde; ſo
entſtehet daraus ein hefftiger, und ſtarcker
Wille, oder eine hefftige Bewegung des Wil-
lens, hefftiger Haß und Liebe, ſtarcke
Freude,
Traurigkeit, Furcht, Angſt, Sorge, Schre-
cken, Hoffnung, Verzweiffelung, nachdem et-
wan die Urtheile beſchaffen ſind, die wir von

unſerm
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0319" n="273"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und daraus erlo&#x0364;&#x017F;et,</hi> </fw><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 65.</head><lb/>
        <p>Daferne wir etwas, als un&#x017F;er gegenwa&#x0364;r-<lb/>
tiges oder zuku&#x0364;nfftiges Gut, und als un&#x017F;er ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtiges oder zuku&#x0364;nfftiges Ubel erkennen und<lb/>
urtheilen; &#x017F;o ent&#x017F;tehet in un&#x017F;erm Willen ent-<lb/>
weder eine Liebe und Begierde nach dem Gu-<lb/>
ten, oder eine Verab&#x017F;cheuung des Bo&#x0364;&#x017F;en;<lb/>
mit einem Worte, die beyden bekannten Be-<lb/>
wegungen im Willen, welche wir <hi rendition="#aq">appetitio-<lb/>
nem</hi> und <hi rendition="#aq">aver&#x017F;ationem</hi> nennen. Die&#x017F;e Be-<lb/>
wegungen &#x017F;ind in un&#x017F;erm Willen ma&#x0364;ßig, wenn<lb/>
ein Gut und Ubel nur als un&#x017F;er geringes und<lb/>
kleines Gut und Ubel erkannt, und geurtheilet<lb/>
wird. Dannenhero auch einige Lehrer die&#x017F;e<lb/>
er&#x017F;ten und <hi rendition="#fr">ma&#x0364;ßigen</hi> Bewegungen im Willen<lb/><hi rendition="#aq">affectus mentales,</hi> oder &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Affect</hi>en genennt,<lb/>
die in der Seele und in dem Gemu&#x0364;the bleiben,<lb/>
und &#x017F;ich noch nicht &#x017F;onderlich im Leibe &#x017F;pu&#x0364;hren<lb/>
und wahrnehmen laßen. Woferne wir aber<lb/>
urtheilen, daß etwas un&#x017F;er großes Gut, oder<lb/>
un&#x017F;er großes Ubel &#x017F;ey, oder &#x017F;eyn werde; &#x017F;o<lb/>
ent&#x017F;tehet daraus ein <hi rendition="#fr">hefftiger,</hi> und <hi rendition="#fr">&#x017F;tarcker</hi><lb/>
Wille, oder eine <hi rendition="#fr">hefftige</hi> Bewegung des <hi rendition="#fr">Wil-<lb/>
lens, hefftiger Haß und Liebe, &#x017F;tarcke</hi> Freude,<lb/>
Traurigkeit, Furcht, Ang&#x017F;t, Sorge, Schre-<lb/>
cken, Hoffnung, Verzweiffelung, nachdem et-<lb/>
wan die Urtheile be&#x017F;chaffen &#x017F;ind, die wir von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">S</hi></fw><fw place="bottom" type="catch">un&#x017F;erm</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0319] und daraus erloͤſet, §. 65. Daferne wir etwas, als unſer gegenwaͤr- tiges oder zukuͤnfftiges Gut, und als unſer ge- genwaͤrtiges oder zukuͤnfftiges Ubel erkennen und urtheilen; ſo entſtehet in unſerm Willen ent- weder eine Liebe und Begierde nach dem Gu- ten, oder eine Verabſcheuung des Boͤſen; mit einem Worte, die beyden bekannten Be- wegungen im Willen, welche wir appetitio- nem und averſationem nennen. Dieſe Be- wegungen ſind in unſerm Willen maͤßig, wenn ein Gut und Ubel nur als unſer geringes und kleines Gut und Ubel erkannt, und geurtheilet wird. Dannenhero auch einige Lehrer dieſe erſten und maͤßigen Bewegungen im Willen affectus mentales, oder ſolche Affecten genennt, die in der Seele und in dem Gemuͤthe bleiben, und ſich noch nicht ſonderlich im Leibe ſpuͤhren und wahrnehmen laßen. Woferne wir aber urtheilen, daß etwas unſer großes Gut, oder unſer großes Ubel ſey, oder ſeyn werde; ſo entſtehet daraus ein hefftiger, und ſtarcker Wille, oder eine hefftige Bewegung des Wil- lens, hefftiger Haß und Liebe, ſtarcke Freude, Traurigkeit, Furcht, Angſt, Sorge, Schre- cken, Hoffnung, Verzweiffelung, nachdem et- wan die Urtheile beſchaffen ſind, die wir von unſerm S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/319
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/319>, abgerufen am 19.04.2024.