Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

insonderheit daß er einem
den. Dieser M. Schuster war ein ärgerer
Melancholicus, als ich. Er war vor diesem
mit mir zu gleicher Zeit Baccalaureus Philoso-
phiae
worden; und, nachdem er in Magistrum
promovi
ret, wolte er eine Disputation halten
von Gespenstern, die er selbst gesehen, und die
wol von niemanden eher gesehen werden, als
von Leuten, die nicht mehr gut transspiriren,
und bey denen das dicke Geblüte nicht recht
circuliren will, wie der Herr Geheimde Rath
Gundling in einem Orte schreibet; allein die
Facultät wolte ihm solche Disputation zu halten
nicht vergönnen. Melancholici haben nicht
nur ein dickes, sondern auch offters ein sehr ge-
saltzenes Geblüte, und sind erschrecklich zur
Geilheit geneigt, so daß die Ustiones, und das
Brunst-Leiden ihre tägliche Plage ist. So
waren sie es auch bey diesem M. Schuster.
Er entdeckte mir solche Noth, von welcher ihn
Jacob Boehme, der seiner Profession nach, wie
bekannt ist, ein Schuster gewesen, dessen
Schrifften er vollkommen zu verstehen sich rüh-
mete, nicht befreyen konte. Er gab mir zu
verstehen, er wolle heyrathen, und könne un-
möglich länger in diesem Zustande ausdauren:
diese, und diese Person hätte er zu nehmen im
Sinne, welche auch etwas Geld hätte, und
durch ihr Hoffart-machen was verdienen könte.

Jch
P p 3

inſonderheit daß er einem
den. Dieſer M. Schuſter war ein aͤrgerer
Melancholicus, als ich. Er war vor dieſem
mit mir zu gleicher Zeit Baccalaureus Philoſo-
phiæ
worden; und, nachdem er in Magiſtrum
promovi
ret, wolte er eine Diſputation halten
von Geſpenſtern, die er ſelbſt geſehen, und die
wol von niemanden eher geſehen werden, als
von Leuten, die nicht mehr gut transſpiriren,
und bey denen das dicke Gebluͤte nicht recht
circuliren will, wie der Herr Geheimde Rath
Gundling in einem Orte ſchreibet; allein die
Facultaͤt wolte ihm ſolche Diſputation zu halten
nicht vergoͤnnen. Melancholici haben nicht
nur ein dickes, ſondern auch offters ein ſehr ge-
ſaltzenes Gebluͤte, und ſind erſchrecklich zur
Geilheit geneigt, ſo daß die Uſtiones, und das
Brunſt-Leiden ihre taͤgliche Plage iſt. So
waren ſie es auch bey dieſem M. Schuſter.
Er entdeckte mir ſolche Noth, von welcher ihn
Jacob Bœhme, der ſeiner Profeſſion nach, wie
bekannt iſt, ein Schuſter geweſen, deſſen
Schrifften er vollkommen zu verſtehen ſich ruͤh-
mete, nicht befreyen konte. Er gab mir zu
verſtehen, er wolle heyrathen, und koͤnne un-
moͤglich laͤnger in dieſem Zuſtande ausdauren:
dieſe, und dieſe Perſon haͤtte er zu nehmen im
Sinne, welche auch etwas Geld haͤtte, und
durch ihr Hoffart-machen was verdienen koͤnte.

Jch
P p 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0643" n="597"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in&#x017F;onderheit daß er einem</hi></fw><lb/>
den. Die&#x017F;er <hi rendition="#aq">M. Schu&#x017F;ter</hi> war ein a&#x0364;rgerer<lb/><hi rendition="#aq">Melancholicus,</hi> als ich. Er war vor die&#x017F;em<lb/>
mit mir zu gleicher Zeit <hi rendition="#aq">Baccalaureus Philo&#x017F;o-<lb/>
phiæ</hi> worden; und, nachdem er <hi rendition="#aq">in Magi&#x017F;trum<lb/>
promovi</hi>ret, wolte er eine <hi rendition="#aq">Di&#x017F;putation</hi> halten<lb/>
von Ge&#x017F;pen&#x017F;tern, die er &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen, und die<lb/>
wol von niemanden eher ge&#x017F;ehen werden, als<lb/>
von Leuten, die nicht mehr gut <hi rendition="#aq">trans&#x017F;piri</hi>ren,<lb/>
und bey denen das dicke Geblu&#x0364;te nicht recht<lb/><hi rendition="#aq">circuli</hi>ren will, wie der Herr Geheimde Rath<lb/><hi rendition="#aq">Gundling</hi> in einem Orte &#x017F;chreibet; allein die<lb/><hi rendition="#aq">Facult</hi>a&#x0364;t wolte ihm &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Di&#x017F;putation</hi> zu halten<lb/>
nicht vergo&#x0364;nnen. <hi rendition="#aq">Melancholici</hi> haben nicht<lb/>
nur ein dickes, &#x017F;ondern auch offters ein &#x017F;ehr ge-<lb/>
&#x017F;altzenes Geblu&#x0364;te, und &#x017F;ind er&#x017F;chrecklich zur<lb/>
Geilheit geneigt, &#x017F;o daß die <hi rendition="#aq">U&#x017F;tiones,</hi> und das<lb/>
Brun&#x017F;t-Leiden ihre ta&#x0364;gliche Plage i&#x017F;t. So<lb/>
waren &#x017F;ie es auch bey die&#x017F;em <hi rendition="#aq">M. Schu&#x017F;ter.</hi><lb/>
Er entdeckte mir &#x017F;olche Noth, von welcher ihn<lb/><hi rendition="#aq">Jacob B&#x0153;hme,</hi> der &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ion</hi> nach, wie<lb/>
bekannt i&#x017F;t, ein Schu&#x017F;ter gewe&#x017F;en, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Schrifften er vollkommen zu ver&#x017F;tehen &#x017F;ich ru&#x0364;h-<lb/>
mete, nicht befreyen konte. Er gab mir zu<lb/>
ver&#x017F;tehen, er wolle heyrathen, und ko&#x0364;nne un-<lb/>
mo&#x0364;glich la&#x0364;nger in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande ausdauren:<lb/>
die&#x017F;e, und die&#x017F;e Per&#x017F;on ha&#x0364;tte er zu nehmen im<lb/>
Sinne, welche auch etwas Geld ha&#x0364;tte, und<lb/>
durch ihr Hoffart-machen was verdienen ko&#x0364;nte.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[597/0643] inſonderheit daß er einem den. Dieſer M. Schuſter war ein aͤrgerer Melancholicus, als ich. Er war vor dieſem mit mir zu gleicher Zeit Baccalaureus Philoſo- phiæ worden; und, nachdem er in Magiſtrum promoviret, wolte er eine Diſputation halten von Geſpenſtern, die er ſelbſt geſehen, und die wol von niemanden eher geſehen werden, als von Leuten, die nicht mehr gut transſpiriren, und bey denen das dicke Gebluͤte nicht recht circuliren will, wie der Herr Geheimde Rath Gundling in einem Orte ſchreibet; allein die Facultaͤt wolte ihm ſolche Diſputation zu halten nicht vergoͤnnen. Melancholici haben nicht nur ein dickes, ſondern auch offters ein ſehr ge- ſaltzenes Gebluͤte, und ſind erſchrecklich zur Geilheit geneigt, ſo daß die Uſtiones, und das Brunſt-Leiden ihre taͤgliche Plage iſt. So waren ſie es auch bey dieſem M. Schuſter. Er entdeckte mir ſolche Noth, von welcher ihn Jacob Bœhme, der ſeiner Profeſſion nach, wie bekannt iſt, ein Schuſter geweſen, deſſen Schrifften er vollkommen zu verſtehen ſich ruͤh- mete, nicht befreyen konte. Er gab mir zu verſtehen, er wolle heyrathen, und koͤnne un- moͤglich laͤnger in dieſem Zuſtande ausdauren: dieſe, und dieſe Perſon haͤtte er zu nehmen im Sinne, welche auch etwas Geld haͤtte, und durch ihr Hoffart-machen was verdienen koͤnte. Jch P p 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/643
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/643>, abgerufen am 29.03.2024.