Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Sonne und schwatzt! -- Fritz nahm Krug und Hut auf und ging, Lieschen blickte nicht vom Kranze weg. Als jene eine Strecke weit waren, hörte sie sie reden und fürchtete, sie könnte der Gegenstand ihres Gesprächs sein. Aber es war nur der Durst, denn Beide standen still, der Mann nahm Fritzen den Krug aus der Hand, setzte ihn an den Mund und trank, als wolle er nie wieder aufhören. Dann gingen sie weiter. Lieschen folgte ihnen mit den Augen, Fritz sah sich nicht mehr um.

Als die Glocke vom fernen Dorfthurm zwei Uhr schlug und der Laut wie erstickt durch die heiße Luft zitterte, kam der Verwalter vom nahen Gute auf der Wiese an, und die Reihen stellten sich wieder, Fritz an Lieschens Seite. Aber er sprach nicht mit ihr, doch ging er ihr zur Hand, wo er konnte, und übernahm so viel von ihrer Arbeit, wie, ohne Aufsehen zu erregen, möglich war.

Und Lieschen ging nach Hause mit den Andern, den Rechen auf der Schulter, aber im Herzen nicht wie die Andern. Die Dirnen schwatzten, sie war ganz still. Von fernher klang noch das Schärfen einer Sense durch die dunkelnde Luft, das Gezirp der Grillen verkündete einen heißen Tag. Im Dorfe kehrte die Heerde eben heim, und Kühe und Schnitter langten gemischt vor den Thüren an, wo die Menschen den Thieren den Vortritt ließen. Fritz wohnte am Anfange des Dorfes und verschwand zuerst; Lies-

Sonne und schwatzt! — Fritz nahm Krug und Hut auf und ging, Lieschen blickte nicht vom Kranze weg. Als jene eine Strecke weit waren, hörte sie sie reden und fürchtete, sie könnte der Gegenstand ihres Gesprächs sein. Aber es war nur der Durst, denn Beide standen still, der Mann nahm Fritzen den Krug aus der Hand, setzte ihn an den Mund und trank, als wolle er nie wieder aufhören. Dann gingen sie weiter. Lieschen folgte ihnen mit den Augen, Fritz sah sich nicht mehr um.

Als die Glocke vom fernen Dorfthurm zwei Uhr schlug und der Laut wie erstickt durch die heiße Luft zitterte, kam der Verwalter vom nahen Gute auf der Wiese an, und die Reihen stellten sich wieder, Fritz an Lieschens Seite. Aber er sprach nicht mit ihr, doch ging er ihr zur Hand, wo er konnte, und übernahm so viel von ihrer Arbeit, wie, ohne Aufsehen zu erregen, möglich war.

Und Lieschen ging nach Hause mit den Andern, den Rechen auf der Schulter, aber im Herzen nicht wie die Andern. Die Dirnen schwatzten, sie war ganz still. Von fernher klang noch das Schärfen einer Sense durch die dunkelnde Luft, das Gezirp der Grillen verkündete einen heißen Tag. Im Dorfe kehrte die Heerde eben heim, und Kühe und Schnitter langten gemischt vor den Thüren an, wo die Menschen den Thieren den Vortritt ließen. Fritz wohnte am Anfange des Dorfes und verschwand zuerst; Lies-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015"/>
Sonne und                schwatzt! &#x2014; Fritz nahm Krug und Hut auf und ging, Lieschen blickte nicht vom Kranze                weg. Als jene eine Strecke weit waren, hörte sie sie reden und fürchtete, sie könnte                der Gegenstand ihres Gesprächs sein. Aber es war nur der Durst, denn Beide standen                still, der Mann nahm Fritzen den Krug aus der Hand, setzte ihn an den Mund und trank,                als wolle er nie wieder aufhören. Dann gingen sie weiter. Lieschen folgte ihnen mit                den Augen, Fritz sah sich nicht mehr um.</p><lb/>
        <p>Als die Glocke vom fernen Dorfthurm zwei Uhr schlug und der Laut wie erstickt durch                die heiße Luft zitterte, kam der Verwalter vom nahen Gute auf der Wiese an, und die                Reihen stellten sich wieder, Fritz an Lieschens Seite. Aber er sprach nicht mit ihr,                doch ging er ihr zur Hand, wo er konnte, und übernahm so viel von ihrer Arbeit, wie,                ohne Aufsehen zu erregen, möglich war.</p><lb/>
        <p>Und Lieschen ging nach Hause mit den Andern, den Rechen auf der Schulter, aber im                Herzen nicht wie die Andern. Die Dirnen schwatzten, sie war ganz still. Von fernher                klang noch das Schärfen einer Sense durch die dunkelnde Luft, das Gezirp der Grillen                verkündete einen heißen Tag. Im Dorfe kehrte die Heerde eben heim, und Kühe und                Schnitter langten gemischt vor den Thüren an, wo die Menschen den Thieren den                Vortritt ließen. Fritz wohnte am Anfange des Dorfes und verschwand zuerst; Lies-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] Sonne und schwatzt! — Fritz nahm Krug und Hut auf und ging, Lieschen blickte nicht vom Kranze weg. Als jene eine Strecke weit waren, hörte sie sie reden und fürchtete, sie könnte der Gegenstand ihres Gesprächs sein. Aber es war nur der Durst, denn Beide standen still, der Mann nahm Fritzen den Krug aus der Hand, setzte ihn an den Mund und trank, als wolle er nie wieder aufhören. Dann gingen sie weiter. Lieschen folgte ihnen mit den Augen, Fritz sah sich nicht mehr um. Als die Glocke vom fernen Dorfthurm zwei Uhr schlug und der Laut wie erstickt durch die heiße Luft zitterte, kam der Verwalter vom nahen Gute auf der Wiese an, und die Reihen stellten sich wieder, Fritz an Lieschens Seite. Aber er sprach nicht mit ihr, doch ging er ihr zur Hand, wo er konnte, und übernahm so viel von ihrer Arbeit, wie, ohne Aufsehen zu erregen, möglich war. Und Lieschen ging nach Hause mit den Andern, den Rechen auf der Schulter, aber im Herzen nicht wie die Andern. Die Dirnen schwatzten, sie war ganz still. Von fernher klang noch das Schärfen einer Sense durch die dunkelnde Luft, das Gezirp der Grillen verkündete einen heißen Tag. Im Dorfe kehrte die Heerde eben heim, und Kühe und Schnitter langten gemischt vor den Thüren an, wo die Menschen den Thieren den Vortritt ließen. Fritz wohnte am Anfange des Dorfes und verschwand zuerst; Lies-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/15
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/15>, abgerufen am 24.04.2024.