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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. Von d. einzelnen Verbrechen u. Vergehen. Tit. VIII. Meineid.
Zeugniß mit einem Eide bekräftigt, oder den vor seiner Vernehmung gelei-
steten Eid wissentlich durch ein falsches Zeugniß verletzt, wird mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren bestraft.

Ist das falsche Zeugniß in einer Strafsache zum Nachtheil eines Angeschul-
digten abgelegt, und dieser zur Todesstrafe, Zuchthausstrafe oder zur Strafe
der Einschließung von mehr als fünf Jahren verurtheilt worden, so ist die
Strafe Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren.

§. 127.

Wer als Sachverständiger in einer Civilsache oder Strafsache wissentlich ein
falsches Gutachten mit einem Eide bekräftigt, oder den vor seiner Erklärung
geleisteten Eid wissentlich durch ein falsches Gutachten verletzt, wird gleich dem
falschen Zeugen bestraft.

§. 128.

Der Ableistung eines Eides wird gleich geachtet:

1) wenn ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den
Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet,
eine Erklärung unter der Betheuerungsformel seiner Religionsgesellschaft
abgiebt;
2) wenn derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverständiger einen
Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Beru-
fung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid
abgiebt, oder wenn ein Sachverständiger, welcher als solcher ein für
allemal vereidet ist, eine Versicherung auf den von ihm geleisteten Eid
abgiebt;
3) wenn ein vereideter Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung
auf seinen Diensteid abgiebt.


Nur die vier ersten Paragraphen dieses Titels handeln von dem
Verbrechen des Meineides, nämlich §. 125. von dem falschen Eide
einer Partei im Civilprozeß, §. 126. von dem falschen Zeugniß im
Civil- und Strafverfahren, §. 127. von dem falschen eidlichen Gut-
achten eines Sachverständigen und §. 128. von einzelnen, dem Meineide
gleichgestellten Fällen. Daran schließen sich Bestimmungen an über die
falsche Versicherung an Eidesstatt (§. 129.), über die versuchte Ver-
leitung zum Meineide (§. 130.), über den Bruch eines eidlichen Kau-
tionsgelöbnisses und eines in einem Manifestations-Eide gegebenen
Versprechens (§. 131.) und endlich über den fahrlässig geleisteten Eid
(§. 132.).



I. Das Verbrechen des Meineides ist seinem Thatbestande nach
in der gegenwärtigen Fassung des Strafgesetzbuchs mehr beschränkt,
als in den früheren Entwürfen. Der Entwurf von 1830. bestimmte

Th. II. Von d. einzelnen Verbrechen u. Vergehen. Tit. VIII. Meineid.
Zeugniß mit einem Eide bekräftigt, oder den vor ſeiner Vernehmung gelei-
ſteten Eid wiſſentlich durch ein falſches Zeugniß verletzt, wird mit Zuchthaus
bis zu zehn Jahren beſtraft.

Iſt das falſche Zeugniß in einer Strafſache zum Nachtheil eines Angeſchul-
digten abgelegt, und dieſer zur Todesſtrafe, Zuchthausſtrafe oder zur Strafe
der Einſchließung von mehr als fünf Jahren verurtheilt worden, ſo iſt die
Strafe Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren.

§. 127.

Wer als Sachverſtändiger in einer Civilſache oder Strafſache wiſſentlich ein
falſches Gutachten mit einem Eide bekräftigt, oder den vor ſeiner Erklärung
geleiſteten Eid wiſſentlich durch ein falſches Gutachten verletzt, wird gleich dem
falſchen Zeugen beſtraft.

§. 128.

Der Ableiſtung eines Eides wird gleich geachtet:

1) wenn ein Mitglied einer Religionsgeſellſchaft, welcher das Geſetz den
Gebrauch gewiſſer Betheuerungsformeln an Stelle des Eides geſtattet,
eine Erklärung unter der Betheuerungsformel ſeiner Religionsgeſellſchaft
abgiebt;
2) wenn derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverſtändiger einen
Eid geleiſtet hat, in gleicher Eigenſchaft eine Verſicherung unter Beru-
fung auf den bereits früher in derſelben Angelegenheit geleiſteten Eid
abgiebt, oder wenn ein Sachverſtändiger, welcher als ſolcher ein für
allemal vereidet iſt, eine Verſicherung auf den von ihm geleiſteten Eid
abgiebt;
3) wenn ein vereideter Beamter eine amtliche Verſicherung unter Berufung
auf ſeinen Dienſteid abgiebt.


Nur die vier erſten Paragraphen dieſes Titels handeln von dem
Verbrechen des Meineides, nämlich §. 125. von dem falſchen Eide
einer Partei im Civilprozeß, §. 126. von dem falſchen Zeugniß im
Civil- und Strafverfahren, §. 127. von dem falſchen eidlichen Gut-
achten eines Sachverſtändigen und §. 128. von einzelnen, dem Meineide
gleichgeſtellten Fällen. Daran ſchließen ſich Beſtimmungen an über die
falſche Verſicherung an Eidesſtatt (§. 129.), über die verſuchte Ver-
leitung zum Meineide (§. 130.), über den Bruch eines eidlichen Kau-
tionsgelöbniſſes und eines in einem Manifeſtations-Eide gegebenen
Verſprechens (§. 131.) und endlich über den fahrläſſig geleiſteten Eid
(§. 132.).



I. Das Verbrechen des Meineides iſt ſeinem Thatbeſtande nach
in der gegenwärtigen Faſſung des Strafgeſetzbuchs mehr beſchränkt,
als in den früheren Entwürfen. Der Entwurf von 1830. beſtimmte

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[290/0300] Th. II. Von d. einzelnen Verbrechen u. Vergehen. Tit. VIII. Meineid. Zeugniß mit einem Eide bekräftigt, oder den vor ſeiner Vernehmung gelei- ſteten Eid wiſſentlich durch ein falſches Zeugniß verletzt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren beſtraft. Iſt das falſche Zeugniß in einer Strafſache zum Nachtheil eines Angeſchul- digten abgelegt, und dieſer zur Todesſtrafe, Zuchthausſtrafe oder zur Strafe der Einſchließung von mehr als fünf Jahren verurtheilt worden, ſo iſt die Strafe Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. §. 127. Wer als Sachverſtändiger in einer Civilſache oder Strafſache wiſſentlich ein falſches Gutachten mit einem Eide bekräftigt, oder den vor ſeiner Erklärung geleiſteten Eid wiſſentlich durch ein falſches Gutachten verletzt, wird gleich dem falſchen Zeugen beſtraft. §. 128. Der Ableiſtung eines Eides wird gleich geachtet: 1) wenn ein Mitglied einer Religionsgeſellſchaft, welcher das Geſetz den Gebrauch gewiſſer Betheuerungsformeln an Stelle des Eides geſtattet, eine Erklärung unter der Betheuerungsformel ſeiner Religionsgeſellſchaft abgiebt; 2) wenn derjenige, welcher als Partei, Zeuge oder Sachverſtändiger einen Eid geleiſtet hat, in gleicher Eigenſchaft eine Verſicherung unter Beru- fung auf den bereits früher in derſelben Angelegenheit geleiſteten Eid abgiebt, oder wenn ein Sachverſtändiger, welcher als ſolcher ein für allemal vereidet iſt, eine Verſicherung auf den von ihm geleiſteten Eid abgiebt; 3) wenn ein vereideter Beamter eine amtliche Verſicherung unter Berufung auf ſeinen Dienſteid abgiebt. Nur die vier erſten Paragraphen dieſes Titels handeln von dem Verbrechen des Meineides, nämlich §. 125. von dem falſchen Eide einer Partei im Civilprozeß, §. 126. von dem falſchen Zeugniß im Civil- und Strafverfahren, §. 127. von dem falſchen eidlichen Gut- achten eines Sachverſtändigen und §. 128. von einzelnen, dem Meineide gleichgeſtellten Fällen. Daran ſchließen ſich Beſtimmungen an über die falſche Verſicherung an Eidesſtatt (§. 129.), über die verſuchte Ver- leitung zum Meineide (§. 130.), über den Bruch eines eidlichen Kau- tionsgelöbniſſes und eines in einem Manifeſtations-Eide gegebenen Verſprechens (§. 131.) und endlich über den fahrläſſig geleiſteten Eid (§. 132.). I. Das Verbrechen des Meineides iſt ſeinem Thatbeſtande nach in der gegenwärtigen Faſſung des Strafgeſetzbuchs mehr beſchränkt, als in den früheren Entwürfen. Der Entwurf von 1830. beſtimmte

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/300>, abgerufen am 28.03.2024.