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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
sionsschrift a. a. O. geschehen ist, und ebenso verhält es sich mit der
Beleidigung von Verstorbenen, welche nicht zugleich die Hinterbliebenen
trifft und diese selbst zu Strafanträgen berechtigt. Der Abgeordnete
Camphausen hat hierüber in dem vereinigten ständischen Ausschuß
sehr gewichtige Worte gesprochen. Es ist überhaupt nicht der richtige
Weg, wenn die Gesetzgebung den Begriff der Ehrverletzung durch Aus-
dehnung auf analoge Fälle zu sehr verflüchtigt, und Veranlassung zu
der Ansicht giebt, als ob nicht andere Mittel als Strafanträge zu Ge-
bote ständen, um den üblen Eindruck kränkender Aeußerungen aufzu-
heben. Die Oeffentlichkeit bietet auch in dieser Hinsicht für manche
Uebel das wahre Heilmittel dar. -- Soweit die Sitte und Anschauungs-
weise des Volkes den Schutz der Persönlichkeit gegen Ehrverletzungen
erfordern, ist auch in den bestehenden Rechtsvorschriften ein genügender
Anhalt geboten, denselben durch den Richterspruch zu verwirklichen.
Der Jurisprudenz liegt es ob, in diesem Sinne den im Gesetzbuch
enthaltenen Rechtsstoff zu bearbeiten, und die Anforderung der persön-
lichen Ehre nach allen Seiten hin zu wahren. Selbst das selbständige
Klagerecht des Hausvaters und Ehegatten hätte wohl füglich auf die
Fälle beschränkt werden können, wo die eigene Ehre des Klägers verletzt
worden oder er als Vertreter der in seinem Schutze stehenden Person
den Strafantrag stellt. Es haben hier Grundsätze des Römischen Rechts
eingewirkt, welche in unserem Rechtsleben keine Geltung mehr haben.

§. 163.

In allen Fällen, in denen wegen Ehrverletzung auf Strafe erkannt wird,
ist dem Verletzten auf Kosten des Verurtheilten eine Ausfertigung des Erkennt-
nisses zu ertheilen.

Bei öffentlichen Ehrverletzungen soll dem Verletzten in dem Erkenntnisse
die Befugniß ertheilt werden, die Verurtheilung öffentlich bekannt zu machen.
Die Art und Weise der Bekanntmachung, welche stets auf Kosten des Verur-
theilten erfolgt, so wie die Frist zu derselben, ist vom Richter in dem Erkennt-
nisse zu bestimmen.

Ist die Ehrverletzung in einer Zeitung oder Zeitschrift geschehen, so muß
der verfügende Theil des Urtheils auf Antrag des Verletzten durch die öffent-
lichen Blätter, und zwar wo möglich durch dieselbe Zeitung oder Zeitschrift,
bekannt gemacht werden.



Die Vorschriften dieses Paragraphen sind der letzte Rest der Pri-
vatgenugthuung, welche dem Beleidigten bei der Bestrafung der Ehr-
verletzung gewährt wird. -- Mit der Bezeichnung "der verfügende Theil
des Urtheils", den die Kommission der zweiten Kammer im 3. Absatz

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
ſionsſchrift a. a. O. geſchehen iſt, und ebenſo verhält es ſich mit der
Beleidigung von Verſtorbenen, welche nicht zugleich die Hinterbliebenen
trifft und dieſe ſelbſt zu Strafanträgen berechtigt. Der Abgeordnete
Camphauſen hat hierüber in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß
ſehr gewichtige Worte geſprochen. Es iſt überhaupt nicht der richtige
Weg, wenn die Geſetzgebung den Begriff der Ehrverletzung durch Aus-
dehnung auf analoge Fälle zu ſehr verflüchtigt, und Veranlaſſung zu
der Anſicht giebt, als ob nicht andere Mittel als Strafanträge zu Ge-
bote ſtänden, um den üblen Eindruck kränkender Aeußerungen aufzu-
heben. Die Oeffentlichkeit bietet auch in dieſer Hinſicht für manche
Uebel das wahre Heilmittel dar. — Soweit die Sitte und Anſchauungs-
weiſe des Volkes den Schutz der Perſönlichkeit gegen Ehrverletzungen
erfordern, iſt auch in den beſtehenden Rechtsvorſchriften ein genügender
Anhalt geboten, denſelben durch den Richterſpruch zu verwirklichen.
Der Jurisprudenz liegt es ob, in dieſem Sinne den im Geſetzbuch
enthaltenen Rechtsſtoff zu bearbeiten, und die Anforderung der perſön-
lichen Ehre nach allen Seiten hin zu wahren. Selbſt das ſelbſtändige
Klagerecht des Hausvaters und Ehegatten hätte wohl füglich auf die
Fälle beſchränkt werden können, wo die eigene Ehre des Klägers verletzt
worden oder er als Vertreter der in ſeinem Schutze ſtehenden Perſon
den Strafantrag ſtellt. Es haben hier Grundſätze des Römiſchen Rechts
eingewirkt, welche in unſerem Rechtsleben keine Geltung mehr haben.

§. 163.

In allen Fällen, in denen wegen Ehrverletzung auf Strafe erkannt wird,
iſt dem Verletzten auf Koſten des Verurtheilten eine Ausfertigung des Erkennt-
niſſes zu ertheilen.

Bei öffentlichen Ehrverletzungen ſoll dem Verletzten in dem Erkenntniſſe
die Befugniß ertheilt werden, die Verurtheilung öffentlich bekannt zu machen.
Die Art und Weiſe der Bekanntmachung, welche ſtets auf Koſten des Verur-
theilten erfolgt, ſo wie die Friſt zu derſelben, iſt vom Richter in dem Erkennt-
niſſe zu beſtimmen.

Iſt die Ehrverletzung in einer Zeitung oder Zeitſchrift geſchehen, ſo muß
der verfügende Theil des Urtheils auf Antrag des Verletzten durch die öffent-
lichen Blätter, und zwar wo möglich durch dieſelbe Zeitung oder Zeitſchrift,
bekannt gemacht werden.



Die Vorſchriften dieſes Paragraphen ſind der letzte Reſt der Pri-
vatgenugthuung, welche dem Beleidigten bei der Beſtrafung der Ehr-
verletzung gewährt wird. — Mit der Bezeichnung „der verfügende Theil
des Urtheils“, den die Kommiſſion der zweiten Kammer im 3. Abſatz

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[336/0346] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre. ſionsſchrift a. a. O. geſchehen iſt, und ebenſo verhält es ſich mit der Beleidigung von Verſtorbenen, welche nicht zugleich die Hinterbliebenen trifft und dieſe ſelbſt zu Strafanträgen berechtigt. Der Abgeordnete Camphauſen hat hierüber in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß ſehr gewichtige Worte geſprochen. Es iſt überhaupt nicht der richtige Weg, wenn die Geſetzgebung den Begriff der Ehrverletzung durch Aus- dehnung auf analoge Fälle zu ſehr verflüchtigt, und Veranlaſſung zu der Anſicht giebt, als ob nicht andere Mittel als Strafanträge zu Ge- bote ſtänden, um den üblen Eindruck kränkender Aeußerungen aufzu- heben. Die Oeffentlichkeit bietet auch in dieſer Hinſicht für manche Uebel das wahre Heilmittel dar. — Soweit die Sitte und Anſchauungs- weiſe des Volkes den Schutz der Perſönlichkeit gegen Ehrverletzungen erfordern, iſt auch in den beſtehenden Rechtsvorſchriften ein genügender Anhalt geboten, denſelben durch den Richterſpruch zu verwirklichen. Der Jurisprudenz liegt es ob, in dieſem Sinne den im Geſetzbuch enthaltenen Rechtsſtoff zu bearbeiten, und die Anforderung der perſön- lichen Ehre nach allen Seiten hin zu wahren. Selbſt das ſelbſtändige Klagerecht des Hausvaters und Ehegatten hätte wohl füglich auf die Fälle beſchränkt werden können, wo die eigene Ehre des Klägers verletzt worden oder er als Vertreter der in ſeinem Schutze ſtehenden Perſon den Strafantrag ſtellt. Es haben hier Grundſätze des Römiſchen Rechts eingewirkt, welche in unſerem Rechtsleben keine Geltung mehr haben. §. 163. In allen Fällen, in denen wegen Ehrverletzung auf Strafe erkannt wird, iſt dem Verletzten auf Koſten des Verurtheilten eine Ausfertigung des Erkennt- niſſes zu ertheilen. Bei öffentlichen Ehrverletzungen ſoll dem Verletzten in dem Erkenntniſſe die Befugniß ertheilt werden, die Verurtheilung öffentlich bekannt zu machen. Die Art und Weiſe der Bekanntmachung, welche ſtets auf Koſten des Verur- theilten erfolgt, ſo wie die Friſt zu derſelben, iſt vom Richter in dem Erkennt- niſſe zu beſtimmen. Iſt die Ehrverletzung in einer Zeitung oder Zeitſchrift geſchehen, ſo muß der verfügende Theil des Urtheils auf Antrag des Verletzten durch die öffent- lichen Blätter, und zwar wo möglich durch dieſelbe Zeitung oder Zeitſchrift, bekannt gemacht werden. Die Vorſchriften dieſes Paragraphen ſind der letzte Reſt der Pri- vatgenugthuung, welche dem Beleidigten bei der Beſtrafung der Ehr- verletzung gewährt wird. — Mit der Bezeichnung „der verfügende Theil des Urtheils“, den die Kommiſſion der zweiten Kammer im 3. Abſatz

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/346>, abgerufen am 19.04.2024.