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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 228. 229. Entwendungen unter Verwandten.

Neben den Vorschriften des Strafgesetzbuchs über den s. g. Fund-
diebstahl kommen übrigens noch die civilrechtlichen Bestimmungen über
das Finden verlorener Sachen und namentlich die im Allg. Landrecht
(Th. I. Tit. 9. §. 19-72.) angeordneten Verhaltungsmaaßregeln zur
Anwendung.

IV. Die Strafe der Unterschlagung ist die für den einfachen Dieb-
stahl ohne erschwerende Umstände vorgeschriebene (§. 216.). Nur ist die
Stellung unter Polizei-Aufsicht weggeblieben, weil dieselbe bei der eigen-
thümlichen Beschaffenheit der Unterschlagung ohne praktische Bedeutung
sein würde, a) und für den Fall, daß das Vorhandensein mildernder Um-
stände festgestellt wird, ist das niedrigste Maaß der Strafe auf Einen
Tag Gefängniß heruntergesetzt worden. Man glaubte, daß das Verge-
hen, wenn es an ganz geringfügigen Sachen verübt worden, namentlich
bei dem Finden verlorener Sachen, mit acht Tagen Gefängniß zu hart
geahndet würde. b)

§. 228.

Entwendungen oder Unterschlagungen, welche von Eltern oder Großeltern
gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von einem Ehegatten gegen den anderen
begangen werden, sollen nicht bestraft werden.

Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf andere Personen, welche
als Theilnehmer oder Hehler schuldig sind.

§. 229.

Wer sich eines Diebstahls oder einer Unterschlagung gegen Eltern oder
Großeltern, Stiefeltern oder Stiefkinder, gegen Schwiegereltern oder Schwie-
gerkinder, gegen Geschwister, ingleichen gegen Pflegeeltern, Vormünder oder
Erzieher schuldig macht, ist nur auf Antrag des Verletzten zur Untersuchung
zu ziehen.



Daß bei der Bestrafung des Diebstahls, dem auch in dieser Bezie-
hung die Unterschlagung gleich zu setzen ist, auf gewisse Bande der
Verwandtschaft und Verschwägerung Rücksicht genommen werden soll,
hat sowohl das gemeine Deutsche c) als das Preußische d) und Rhei-

a) Motive zum Entwurf von 1850. §. 208-10. -- Verhandlungen
des verein. ständ. Aussch
. IV. S. 222-23.
b) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 210. (227.)
c) P. G. O. Art. 165. Item so eyner aus leichtvertigkeyt oder unverstandt
etwas heymlich nem von güttern, dar er sunst ein nechster erb ist, oder ob sich der-
gleichen zwischen mann uund weib begeb, und eyn theil den andern derhalb anklagen
würd, sollen Richter und urtheyler mit entdeckung aller umbstende bei den rechtver-
stendigen, und an orten und enden, wie zu end diser unser ordnung angezeygt,
radts pflegen, auch erfarn, was in solchen fellen das gemeyn recht sei, und sich dar-
nach halten. Doch soll die oberkeyt oder Richter inn disen fellen von ampts wegen
nit klagen noch straffen.
d) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1133. Entwendungen, welche unter Eltern
§§. 228. 229. Entwendungen unter Verwandten.

Neben den Vorſchriften des Strafgeſetzbuchs über den ſ. g. Fund-
diebſtahl kommen übrigens noch die civilrechtlichen Beſtimmungen über
das Finden verlorener Sachen und namentlich die im Allg. Landrecht
(Th. I. Tit. 9. §. 19-72.) angeordneten Verhaltungsmaaßregeln zur
Anwendung.

IV. Die Strafe der Unterſchlagung iſt die für den einfachen Dieb-
ſtahl ohne erſchwerende Umſtände vorgeſchriebene (§. 216.). Nur iſt die
Stellung unter Polizei-Aufſicht weggeblieben, weil dieſelbe bei der eigen-
thümlichen Beſchaffenheit der Unterſchlagung ohne praktiſche Bedeutung
ſein würde, a) und für den Fall, daß das Vorhandenſein mildernder Um-
ſtände feſtgeſtellt wird, iſt das niedrigſte Maaß der Strafe auf Einen
Tag Gefängniß heruntergeſetzt worden. Man glaubte, daß das Verge-
hen, wenn es an ganz geringfügigen Sachen verübt worden, namentlich
bei dem Finden verlorener Sachen, mit acht Tagen Gefängniß zu hart
geahndet würde. b)

§. 228.

Entwendungen oder Unterſchlagungen, welche von Eltern oder Großeltern
gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von einem Ehegatten gegen den anderen
begangen werden, ſollen nicht beſtraft werden.

Dieſe Beſtimmung findet keine Anwendung auf andere Perſonen, welche
als Theilnehmer oder Hehler ſchuldig ſind.

§. 229.

Wer ſich eines Diebſtahls oder einer Unterſchlagung gegen Eltern oder
Großeltern, Stiefeltern oder Stiefkinder, gegen Schwiegereltern oder Schwie-
gerkinder, gegen Geſchwiſter, ingleichen gegen Pflegeeltern, Vormünder oder
Erzieher ſchuldig macht, iſt nur auf Antrag des Verletzten zur Unterſuchung
zu ziehen.



Daß bei der Beſtrafung des Diebſtahls, dem auch in dieſer Bezie-
hung die Unterſchlagung gleich zu ſetzen iſt, auf gewiſſe Bande der
Verwandtſchaft und Verſchwägerung Rückſicht genommen werden ſoll,
hat ſowohl das gemeine Deutſche c) als das Preußiſche d) und Rhei-

a) Motive zum Entwurf von 1850. §. 208-10. — Verhandlungen
des verein. ſtänd. Ausſch
. IV. S. 222-23.
b) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 210. (227.)
c) P. G. O. Art. 165. Item ſo eyner aus leichtvertigkeyt oder unverſtandt
etwas heymlich nem von güttern, dar er ſunſt ein nechſter erb iſt, oder ob ſich der-
gleichen zwiſchen mann uund weib begeb, und eyn theil den andern derhalb anklagen
würd, ſollen Richter und urtheyler mit entdeckung aller umbſtende bei den rechtver-
ſtendigen, und an orten und enden, wie zu end diſer unſer ordnung angezeygt,
radts pflegen, auch erfarn, was in ſolchen fellen das gemeyn recht ſei, und ſich dar-
nach halten. Doch ſoll die oberkeyt oder Richter inn diſen fellen von ampts wegen
nit klagen noch ſtraffen.
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[433/0443] §§. 228. 229. Entwendungen unter Verwandten. Neben den Vorſchriften des Strafgeſetzbuchs über den ſ. g. Fund- diebſtahl kommen übrigens noch die civilrechtlichen Beſtimmungen über das Finden verlorener Sachen und namentlich die im Allg. Landrecht (Th. I. Tit. 9. §. 19-72.) angeordneten Verhaltungsmaaßregeln zur Anwendung. IV. Die Strafe der Unterſchlagung iſt die für den einfachen Dieb- ſtahl ohne erſchwerende Umſtände vorgeſchriebene (§. 216.). Nur iſt die Stellung unter Polizei-Aufſicht weggeblieben, weil dieſelbe bei der eigen- thümlichen Beſchaffenheit der Unterſchlagung ohne praktiſche Bedeutung ſein würde, a) und für den Fall, daß das Vorhandenſein mildernder Um- ſtände feſtgeſtellt wird, iſt das niedrigſte Maaß der Strafe auf Einen Tag Gefängniß heruntergeſetzt worden. Man glaubte, daß das Verge- hen, wenn es an ganz geringfügigen Sachen verübt worden, namentlich bei dem Finden verlorener Sachen, mit acht Tagen Gefängniß zu hart geahndet würde. b) §. 228. Entwendungen oder Unterſchlagungen, welche von Eltern oder Großeltern gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen werden, ſollen nicht beſtraft werden. Dieſe Beſtimmung findet keine Anwendung auf andere Perſonen, welche als Theilnehmer oder Hehler ſchuldig ſind. §. 229. Wer ſich eines Diebſtahls oder einer Unterſchlagung gegen Eltern oder Großeltern, Stiefeltern oder Stiefkinder, gegen Schwiegereltern oder Schwie- gerkinder, gegen Geſchwiſter, ingleichen gegen Pflegeeltern, Vormünder oder Erzieher ſchuldig macht, iſt nur auf Antrag des Verletzten zur Unterſuchung zu ziehen. Daß bei der Beſtrafung des Diebſtahls, dem auch in dieſer Bezie- hung die Unterſchlagung gleich zu ſetzen iſt, auf gewiſſe Bande der Verwandtſchaft und Verſchwägerung Rückſicht genommen werden ſoll, hat ſowohl das gemeine Deutſche c) als das Preußiſche d) und Rhei- a) Motive zum Entwurf von 1850. §. 208-10. — Verhandlungen des verein. ſtänd. Ausſch. IV. S. 222-23. b) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 210. (227.) c) P. G. O. Art. 165. Item ſo eyner aus leichtvertigkeyt oder unverſtandt etwas heymlich nem von güttern, dar er ſunſt ein nechſter erb iſt, oder ob ſich der- gleichen zwiſchen mann uund weib begeb, und eyn theil den andern derhalb anklagen würd, ſollen Richter und urtheyler mit entdeckung aller umbſtende bei den rechtver- ſtendigen, und an orten und enden, wie zu end diſer unſer ordnung angezeygt, radts pflegen, auch erfarn, was in ſolchen fellen das gemeyn recht ſei, und ſich dar- nach halten. Doch ſoll die oberkeyt oder Richter inn diſen fellen von ampts wegen nit klagen noch ſtraffen. d) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 1133. Entwendungen, welche unter Eltern

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/443>, abgerufen am 29.03.2024.