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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 259. Betrüglicher Bankerutt.
Vierundzwanzigster Titel.
Bankerutt.
§. 259.

Handelsleute, Schiffsrheder und Fabrikbesitzer, welche ihre Zahlungen ein-
gestellt haben, werden, als des betrüglichen Bankerutts schuldig, mit Zucht-
haus bis zu funfzehn Jahren bestraft:

1) wenn sie ihr Vermögen ganz oder theilweise verheimlicht oder bei Seite
geschafft haben;
2) wenn sie Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben,
welche ganz oder theilweise erdichtet sind;
3) wenn sie in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachtheiligen, Handelsbücher
zu führen unterlassen haben, obgleich deren Führung gesetzlich vorgeschrie-
ben, oder nach der Beschaffenheit ihres Geschäfts erforderlich war;
4) wenn sie in gleicher Absicht ihre Handelsbücher verheimlicht oder vernichtet
oder so geführt oder verändert haben, daß dieselben keine Uebersicht des
Vermögenszustandes gewähren.

Wird festgestellt, daß mildernde Umstände vorhanden sind, so ist die Strafe
Gefängniß nicht unter drei Monaten; zugleich kann auf zeitige Untersagung
der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.



Während die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts über den
strafbaren Bankerutt (Th. II. Tit. 20. §. 1452-87.) allgemein gefaßt
sind, und den besonderen Gewerbebetrieb des Thäters nur in einzelnen
Beziehungen berücksichtigen, sind die des Rheinischen Rechts nur gegen
den Bankerutt der Handelsleute (commercans) im Sinne des Handels-
gesetzbuchs gerichtet. l) Von den neueren Deutschen Strafgesetzbüchern
sind einige der Auffassung des Landrechts gefolgt, m) andere haben da-
gegen das Rheinische Recht zum Vorbilde genommen, wenn auch im
Einzelnen manche Abweichungen vorkommen. n)

Auch bei der Revision des Strafrechts haben in den verschiedenen
Stadien derselben verschiedene Ansichten über die Strafbarkeit des Ban-
kerutts sich geltend gemacht. Der Entwurf von 1830. §. 434. 435.

l) Code penal. Art. 402-4. Der Code de commerce hat übrigens in
Frankreich durch das Gesetz vom 28. Mai 1838. in Beziehung auf die Bestimmun-
gen über Falliments und Bankerutte wesentliche Abänderungen erfahren. Vgl. über-
haupt Chauveau et Helie Faustin. l. c. chap. LXI. IV. p. 70-84.
m) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 256. 258. -- Braunschw. Criminal-
gesetzb.
§. 233. 234. -- Thüring. Strafgesetzb. Art. 242. 244.
n) Württemb. Strafgesetzb. Art. 364-67. -- Hannov. Criminal-
gesetzb.
Art. 220. 221. -- Hessisches Strafgesetzb. Art. 403-6. -- Bad.
Strafgesetzbuch
§. 467-70.
§. 259. Betrüglicher Bankerutt.
Vierundzwanzigſter Titel.
Bankerutt.
§. 259.

Handelsleute, Schiffsrheder und Fabrikbeſitzer, welche ihre Zahlungen ein-
geſtellt haben, werden, als des betrüglichen Bankerutts ſchuldig, mit Zucht-
haus bis zu funfzehn Jahren beſtraft:

1) wenn ſie ihr Vermögen ganz oder theilweiſe verheimlicht oder bei Seite
geſchafft haben;
2) wenn ſie Schulden oder Rechtsgeſchäfte anerkannt oder aufgeſtellt haben,
welche ganz oder theilweiſe erdichtet ſind;
3) wenn ſie in der Abſicht, ihre Gläubiger zu benachtheiligen, Handelsbücher
zu führen unterlaſſen haben, obgleich deren Führung geſetzlich vorgeſchrie-
ben, oder nach der Beſchaffenheit ihres Geſchäfts erforderlich war;
4) wenn ſie in gleicher Abſicht ihre Handelsbücher verheimlicht oder vernichtet
oder ſo geführt oder verändert haben, daß dieſelben keine Ueberſicht des
Vermögenszuſtandes gewähren.

Wird feſtgeſtellt, daß mildernde Umſtände vorhanden ſind, ſo iſt die Strafe
Gefängniß nicht unter drei Monaten; zugleich kann auf zeitige Unterſagung
der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.



Während die Vorſchriften des Allgemeinen Landrechts über den
ſtrafbaren Bankerutt (Th. II. Tit. 20. §. 1452-87.) allgemein gefaßt
ſind, und den beſonderen Gewerbebetrieb des Thäters nur in einzelnen
Beziehungen berückſichtigen, ſind die des Rheiniſchen Rechts nur gegen
den Bankerutt der Handelsleute (commerçans) im Sinne des Handels-
geſetzbuchs gerichtet. l) Von den neueren Deutſchen Strafgeſetzbüchern
ſind einige der Auffaſſung des Landrechts gefolgt, m) andere haben da-
gegen das Rheiniſche Recht zum Vorbilde genommen, wenn auch im
Einzelnen manche Abweichungen vorkommen. n)

Auch bei der Reviſion des Strafrechts haben in den verſchiedenen
Stadien derſelben verſchiedene Anſichten über die Strafbarkeit des Ban-
kerutts ſich geltend gemacht. Der Entwurf von 1830. §. 434. 435.

l) Code pénal. Art. 402-4. Der Code de commerce hat übrigens in
Frankreich durch das Geſetz vom 28. Mai 1838. in Beziehung auf die Beſtimmun-
gen über Falliments und Bankerutte weſentliche Abänderungen erfahren. Vgl. über-
haupt Chauveau et Hélie Faustin. l. c. chap. LXI. IV. p. 70-84.
m) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 256. 258. — Braunſchw. Criminal-
geſetzb.
§. 233. 234. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 242. 244.
n) Württemb. Strafgeſetzb. Art. 364-67. — Hannov. Criminal-
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[485/0495] §. 259. Betrüglicher Bankerutt. Vierundzwanzigſter Titel. Bankerutt. §. 259. Handelsleute, Schiffsrheder und Fabrikbeſitzer, welche ihre Zahlungen ein- geſtellt haben, werden, als des betrüglichen Bankerutts ſchuldig, mit Zucht- haus bis zu funfzehn Jahren beſtraft: 1) wenn ſie ihr Vermögen ganz oder theilweiſe verheimlicht oder bei Seite geſchafft haben; 2) wenn ſie Schulden oder Rechtsgeſchäfte anerkannt oder aufgeſtellt haben, welche ganz oder theilweiſe erdichtet ſind; 3) wenn ſie in der Abſicht, ihre Gläubiger zu benachtheiligen, Handelsbücher zu führen unterlaſſen haben, obgleich deren Führung geſetzlich vorgeſchrie- ben, oder nach der Beſchaffenheit ihres Geſchäfts erforderlich war; 4) wenn ſie in gleicher Abſicht ihre Handelsbücher verheimlicht oder vernichtet oder ſo geführt oder verändert haben, daß dieſelben keine Ueberſicht des Vermögenszuſtandes gewähren. Wird feſtgeſtellt, daß mildernde Umſtände vorhanden ſind, ſo iſt die Strafe Gefängniß nicht unter drei Monaten; zugleich kann auf zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Während die Vorſchriften des Allgemeinen Landrechts über den ſtrafbaren Bankerutt (Th. II. Tit. 20. §. 1452-87.) allgemein gefaßt ſind, und den beſonderen Gewerbebetrieb des Thäters nur in einzelnen Beziehungen berückſichtigen, ſind die des Rheiniſchen Rechts nur gegen den Bankerutt der Handelsleute (commerçans) im Sinne des Handels- geſetzbuchs gerichtet. l) Von den neueren Deutſchen Strafgeſetzbüchern ſind einige der Auffaſſung des Landrechts gefolgt, m) andere haben da- gegen das Rheiniſche Recht zum Vorbilde genommen, wenn auch im Einzelnen manche Abweichungen vorkommen. n) Auch bei der Reviſion des Strafrechts haben in den verſchiedenen Stadien derſelben verſchiedene Anſichten über die Strafbarkeit des Ban- kerutts ſich geltend gemacht. Der Entwurf von 1830. §. 434. 435. l) Code pénal. Art. 402-4. Der Code de commerce hat übrigens in Frankreich durch das Geſetz vom 28. Mai 1838. in Beziehung auf die Beſtimmun- gen über Falliments und Bankerutte weſentliche Abänderungen erfahren. Vgl. über- haupt Chauveau et Hélie Faustin. l. c. chap. LXI. IV. p. 70-84. m) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 256. 258. — Braunſchw. Criminal- geſetzb. §. 233. 234. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 242. 244. n) Württemb. Strafgeſetzb. Art. 364-67. — Hannov. Criminal- geſetzb. Art. 220. 221. — Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 403-6. — Bad. Strafgeſetzbuch §. 467-70.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/495>, abgerufen am 19.04.2024.