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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Art. VIII-X.

Besteht die Strafe nur in einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, oder
in Geldbuße bis zu funfzig Thalern, oder ist die Strafe in den Gesetzen als
eine willkührliche bezeichnet, so ist die Handlung eine Uebertretung. Es macht
dabei keinen Unterschied, ob neben der eigentlichen Strafe noch auf die Kon-
fiskation einzelner Gegenstände zu erkennen ist oder nicht.

Artikel IX.

Auf Zuchthausstrafe (§. 10. und §. 11. des Strafgesetzbuchs) soll nur bei
Verbrechen (Artikel VIII.) und nicht unter zwei Jahren, überall aber nur dann
erkannt werden, wenn in den bisherigen besonderen Gesetzen Zuchthaus-, Ar-
beits- oder Festungsstrafe ausschließlich angedroht ist.

In allen anderen Fällen, sowie bei Vergehen, tritt Gefängnißstrafe oder
Einschließung ein, auch wenn in den Gesetzen eine andere Art von Freiheits-
strafen angeordnet ist. Auch kann neben der Gefängnißstrafe auf zeitige Un-
tersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, wenn
die angeordnete Freiheitsstrafe in Zuchthaus-, Arbeits- oder Festungsstrafe
besteht

Artikel X.

In keinem dieser Fälle (Artikel VIII. und Artikel IX.) kann, wenn die
Handlung nach dem 1. Juli 1851. begangen worden ist, auf andere Strafen,
als sie in dem gegenwärtigen Strafgesetzbuche angedroht sind, erkannt werden.
Insofern jedoch in besonderen Gesetzen anstatt der Gefängnißstrafe oder der
Geldbuße, Forst- oder Gemeinde-Arbeit angeordnet ist, behält es hierbei sein
Bewenden.



Im Art. IV. sind Bestimmungen getroffen worden über die Be-
strafung solcher Handlungen, welche ihrer Natur nach unter die Vor-
schriften des Strafgesetzbuchs fallen, aber vor dem Eintritt der Gesetzes-
kraft desselben begangen worden sind. Es ist daselbst die Regel auf-
gestellt, daß in solchen Fällen das ältere Strafrecht zur Anwendung
kommen soll, falls nicht das Gesetzbuch eine mildere Strafe vorschreibt,
und dieß gilt auch in Betreff der Strafarten, so daß noch eine Zeitlang
die Strafsysteme beider Rechte neben einander herlaufen werden. Daß
ein solcher Zustand wenig wünschenswerth ist, kann nicht verkannt wer-
den; aber der Beseitigung desselben schienen überwiegende Gründe ent-
gegen zu stehen. Es war in Betracht zu ziehen, daß in fast allen äl-
teren Gesetzgebungen, welche das frühere Strafrecht bildeten, Strafen
vorkommen, welche dem neuen Gesetzbuche fremd sind, z. B. im Rheini-
schen Strafgesetzbuche die Strafe der Deportation und der Verbannung,
und daß es für Fälle dieser Art sehr schwer ist, einen richtigen Maaß-
stab für die Umwandlung in eine andere Strafe zu finden. Prinzipiell
t rat aber einer solchen Maaßregel das Bedenken entgegen, daß dadurch
der ausdrücklich anerkannte Rechtsgrundsatz verletzt werden würde, daß
das neue Gesetz, sofern es nicht milder ist, auf frühere Handlungen

Art. VIII-X.

Beſteht die Strafe nur in einer Freiheitsſtrafe bis zu ſechs Wochen, oder
in Geldbuße bis zu funfzig Thalern, oder iſt die Strafe in den Geſetzen als
eine willkührliche bezeichnet, ſo iſt die Handlung eine Uebertretung. Es macht
dabei keinen Unterſchied, ob neben der eigentlichen Strafe noch auf die Kon-
fiskation einzelner Gegenſtände zu erkennen iſt oder nicht.

Artikel IX.

Auf Zuchthausſtrafe (§. 10. und §. 11. des Strafgeſetzbuchs) ſoll nur bei
Verbrechen (Artikel VIII.) und nicht unter zwei Jahren, überall aber nur dann
erkannt werden, wenn in den bisherigen beſonderen Geſetzen Zuchthaus-, Ar-
beits- oder Feſtungsſtrafe ausſchließlich angedroht iſt.

In allen anderen Fällen, ſowie bei Vergehen, tritt Gefängnißſtrafe oder
Einſchließung ein, auch wenn in den Geſetzen eine andere Art von Freiheits-
ſtrafen angeordnet iſt. Auch kann neben der Gefängnißſtrafe auf zeitige Un-
terſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, wenn
die angeordnete Freiheitsſtrafe in Zuchthaus-, Arbeits- oder Feſtungsſtrafe
beſteht

Artikel X.

In keinem dieſer Fälle (Artikel VIII. und Artikel IX.) kann, wenn die
Handlung nach dem 1. Juli 1851. begangen worden iſt, auf andere Strafen,
als ſie in dem gegenwärtigen Strafgeſetzbuche angedroht ſind, erkannt werden.
Inſofern jedoch in beſonderen Geſetzen anſtatt der Gefängnißſtrafe oder der
Geldbuße, Forſt- oder Gemeinde-Arbeit angeordnet iſt, behält es hierbei ſein
Bewenden.



Im Art. IV. ſind Beſtimmungen getroffen worden über die Be-
ſtrafung ſolcher Handlungen, welche ihrer Natur nach unter die Vor-
ſchriften des Strafgeſetzbuchs fallen, aber vor dem Eintritt der Geſetzes-
kraft deſſelben begangen worden ſind. Es iſt daſelbſt die Regel auf-
geſtellt, daß in ſolchen Fällen das ältere Strafrecht zur Anwendung
kommen ſoll, falls nicht das Geſetzbuch eine mildere Strafe vorſchreibt,
und dieß gilt auch in Betreff der Strafarten, ſo daß noch eine Zeitlang
die Strafſyſteme beider Rechte neben einander herlaufen werden. Daß
ein ſolcher Zuſtand wenig wünſchenswerth iſt, kann nicht verkannt wer-
den; aber der Beſeitigung deſſelben ſchienen überwiegende Gründe ent-
gegen zu ſtehen. Es war in Betracht zu ziehen, daß in faſt allen äl-
teren Geſetzgebungen, welche das frühere Strafrecht bildeten, Strafen
vorkommen, welche dem neuen Geſetzbuche fremd ſind, z. B. im Rheini-
ſchen Strafgeſetzbuche die Strafe der Deportation und der Verbannung,
und daß es für Fälle dieſer Art ſehr ſchwer iſt, einen richtigen Maaß-
ſtab für die Umwandlung in eine andere Strafe zu finden. Prinzipiell
t rat aber einer ſolchen Maaßregel das Bedenken entgegen, daß dadurch
der ausdrücklich anerkannte Rechtsgrundſatz verletzt werden würde, daß
das neue Geſetz, ſofern es nicht milder iſt, auf frühere Handlungen

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[609/0619] Art. VIII-X. Beſteht die Strafe nur in einer Freiheitsſtrafe bis zu ſechs Wochen, oder in Geldbuße bis zu funfzig Thalern, oder iſt die Strafe in den Geſetzen als eine willkührliche bezeichnet, ſo iſt die Handlung eine Uebertretung. Es macht dabei keinen Unterſchied, ob neben der eigentlichen Strafe noch auf die Kon- fiskation einzelner Gegenſtände zu erkennen iſt oder nicht. Artikel IX. Auf Zuchthausſtrafe (§. 10. und §. 11. des Strafgeſetzbuchs) ſoll nur bei Verbrechen (Artikel VIII.) und nicht unter zwei Jahren, überall aber nur dann erkannt werden, wenn in den bisherigen beſonderen Geſetzen Zuchthaus-, Ar- beits- oder Feſtungsſtrafe ausſchließlich angedroht iſt. In allen anderen Fällen, ſowie bei Vergehen, tritt Gefängnißſtrafe oder Einſchließung ein, auch wenn in den Geſetzen eine andere Art von Freiheits- ſtrafen angeordnet iſt. Auch kann neben der Gefängnißſtrafe auf zeitige Un- terſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, wenn die angeordnete Freiheitsſtrafe in Zuchthaus-, Arbeits- oder Feſtungsſtrafe beſteht Artikel X. In keinem dieſer Fälle (Artikel VIII. und Artikel IX.) kann, wenn die Handlung nach dem 1. Juli 1851. begangen worden iſt, auf andere Strafen, als ſie in dem gegenwärtigen Strafgeſetzbuche angedroht ſind, erkannt werden. Inſofern jedoch in beſonderen Geſetzen anſtatt der Gefängnißſtrafe oder der Geldbuße, Forſt- oder Gemeinde-Arbeit angeordnet iſt, behält es hierbei ſein Bewenden. Im Art. IV. ſind Beſtimmungen getroffen worden über die Be- ſtrafung ſolcher Handlungen, welche ihrer Natur nach unter die Vor- ſchriften des Strafgeſetzbuchs fallen, aber vor dem Eintritt der Geſetzes- kraft deſſelben begangen worden ſind. Es iſt daſelbſt die Regel auf- geſtellt, daß in ſolchen Fällen das ältere Strafrecht zur Anwendung kommen ſoll, falls nicht das Geſetzbuch eine mildere Strafe vorſchreibt, und dieß gilt auch in Betreff der Strafarten, ſo daß noch eine Zeitlang die Strafſyſteme beider Rechte neben einander herlaufen werden. Daß ein ſolcher Zuſtand wenig wünſchenswerth iſt, kann nicht verkannt wer- den; aber der Beſeitigung deſſelben ſchienen überwiegende Gründe ent- gegen zu ſtehen. Es war in Betracht zu ziehen, daß in faſt allen äl- teren Geſetzgebungen, welche das frühere Strafrecht bildeten, Strafen vorkommen, welche dem neuen Geſetzbuche fremd ſind, z. B. im Rheini- ſchen Strafgeſetzbuche die Strafe der Deportation und der Verbannung, und daß es für Fälle dieſer Art ſehr ſchwer iſt, einen richtigen Maaß- ſtab für die Umwandlung in eine andere Strafe zu finden. Prinzipiell t rat aber einer ſolchen Maaßregel das Bedenken entgegen, daß dadurch der ausdrücklich anerkannte Rechtsgrundſatz verletzt werden würde, daß das neue Geſetz, ſofern es nicht milder iſt, auf frühere Handlungen

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/619>, abgerufen am 25.04.2024.