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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Artikel XXI-XXVI.
verschiedenen Handlungen verwirkten Strafen vereinigt erkannt werden
soll, kann es geschehen, daß die Verhandlungen über die wichtigeren
Fälle in einer kaum zu rechtfertigenden Weise verzögert werden müßten,
wenn man dieselben bis zur Erledigung auch der geringfügigen An-
schuldigungen aufschieben wollte. Schon bei der Aufstellung des §. 56.
wurde es in der Kommission der zweiten Kammer vorbehalten, bei der
Berathung des Einführungsgesetzes auf diesen Gegenstand zurück zu
kommen, und eine dem praktischen Bedürfnisse entsprechende Bestimmung
zu treffen. k) Eine solche ist nun im Art. XXIII. gegeben; sie hat
zwar, namentlich insofern sie die Wiederaufnahme der Untersuchung in
das Ermessen der Staatsanwaltschaft stellt, manche Bedenken hervor-
gerufen; aber bei sorgfältiger Erwägung erschien doch immer diese Lö-
sung der Aufgabe als die angemessenste. l)

Artikel XXIV.

Wenn das Gesetz die Erhöhung oder Ermäßigung der Strafe von dem
Vorhandensein erschwerender oder mildernder Umstände abhängig macht, so
muß in Sachen, welche zur Kompetenz der Schwurgerichtshöfe gehören, auf
den Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten eine darauf be-
zügliche Frage den Geschworenen bei Strafe der Nichtigkeit vorgelegt werden.
Eine solche Frage kann den Geschworenen auch von Amtswegen vorgelegt
werden.

Artikel XXV.

Den Geschworenen sind geeigneten Falls eventuelle Fragen vorzulegen, ins-
besondere um festzustellen, ob der Angeklagte in Beziehung auf das Verbrechen
oder Vergehen, wegen dessen die Anklage gegen ihn erhoben ist, nicht wenig-
stens des Versuchs, der Theilnahme, der Begünstigung oder der Hehlerei
schuldig ist, oder ob er die Handlung, welche ihm die Anklageschrift als eine
vorsätzlich verübte zur Last legt, nicht wenigstens aus Fahrlässigkeit begangen
zu haben schuldig ist.

Artikel XXVI.

Darüber, ob die Voraussetzungen des Rückfalls vorhanden sind, entscheidet
der Schwurgerichtshof ohne Mitwirkung der Geschworenen.



I. Die in Art. XXIV. enthaltene Bestimmung entspricht so sehr
dem Wesen der Institution der Schwurgerichte und hängt namentlich
mit dem Systeme, welches das Gesetzbuch bei der Behandlung der mil-
dernden Umstände befolgt hat, m) so genau zusammen, daß dieselbe, auch

k) S. oben S. 210.
l) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu Art. XVIII. (XXIII.).
-- Bericht der Kommission der ersten Kammer ebendas.
m) S. oben S. 29-36.

Artikel XXI-XXVI.
verſchiedenen Handlungen verwirkten Strafen vereinigt erkannt werden
ſoll, kann es geſchehen, daß die Verhandlungen über die wichtigeren
Fälle in einer kaum zu rechtfertigenden Weiſe verzögert werden müßten,
wenn man dieſelben bis zur Erledigung auch der geringfügigen An-
ſchuldigungen aufſchieben wollte. Schon bei der Aufſtellung des §. 56.
wurde es in der Kommiſſion der zweiten Kammer vorbehalten, bei der
Berathung des Einführungsgeſetzes auf dieſen Gegenſtand zurück zu
kommen, und eine dem praktiſchen Bedürfniſſe entſprechende Beſtimmung
zu treffen. k) Eine ſolche iſt nun im Art. XXIII. gegeben; ſie hat
zwar, namentlich inſofern ſie die Wiederaufnahme der Unterſuchung in
das Ermeſſen der Staatsanwaltſchaft ſtellt, manche Bedenken hervor-
gerufen; aber bei ſorgfältiger Erwägung erſchien doch immer dieſe Lö-
ſung der Aufgabe als die angemeſſenſte. l)

Artikel XXIV.

Wenn das Geſetz die Erhöhung oder Ermäßigung der Strafe von dem
Vorhandenſein erſchwerender oder mildernder Umſtände abhängig macht, ſo
muß in Sachen, welche zur Kompetenz der Schwurgerichtshöfe gehören, auf
den Antrag der Staatsanwaltſchaft oder des Angeſchuldigten eine darauf be-
zügliche Frage den Geſchworenen bei Strafe der Nichtigkeit vorgelegt werden.
Eine ſolche Frage kann den Geſchworenen auch von Amtswegen vorgelegt
werden.

Artikel XXV.

Den Geſchworenen ſind geeigneten Falls eventuelle Fragen vorzulegen, ins-
beſondere um feſtzuſtellen, ob der Angeklagte in Beziehung auf das Verbrechen
oder Vergehen, wegen deſſen die Anklage gegen ihn erhoben iſt, nicht wenig-
ſtens des Verſuchs, der Theilnahme, der Begünſtigung oder der Hehlerei
ſchuldig iſt, oder ob er die Handlung, welche ihm die Anklageſchrift als eine
vorſätzlich verübte zur Laſt legt, nicht wenigſtens aus Fahrläſſigkeit begangen
zu haben ſchuldig iſt.

Artikel XXVI.

Darüber, ob die Vorausſetzungen des Rückfalls vorhanden ſind, entſcheidet
der Schwurgerichtshof ohne Mitwirkung der Geſchworenen.



I. Die in Art. XXIV. enthaltene Beſtimmung entſpricht ſo ſehr
dem Weſen der Inſtitution der Schwurgerichte und hängt namentlich
mit dem Syſteme, welches das Geſetzbuch bei der Behandlung der mil-
dernden Umſtände befolgt hat, m) ſo genau zuſammen, daß dieſelbe, auch

k) S. oben S. 210.
l) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. XVIII. (XXIII.).
Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ.
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[625/0635] Artikel XXI-XXVI. verſchiedenen Handlungen verwirkten Strafen vereinigt erkannt werden ſoll, kann es geſchehen, daß die Verhandlungen über die wichtigeren Fälle in einer kaum zu rechtfertigenden Weiſe verzögert werden müßten, wenn man dieſelben bis zur Erledigung auch der geringfügigen An- ſchuldigungen aufſchieben wollte. Schon bei der Aufſtellung des §. 56. wurde es in der Kommiſſion der zweiten Kammer vorbehalten, bei der Berathung des Einführungsgeſetzes auf dieſen Gegenſtand zurück zu kommen, und eine dem praktiſchen Bedürfniſſe entſprechende Beſtimmung zu treffen. k) Eine ſolche iſt nun im Art. XXIII. gegeben; ſie hat zwar, namentlich inſofern ſie die Wiederaufnahme der Unterſuchung in das Ermeſſen der Staatsanwaltſchaft ſtellt, manche Bedenken hervor- gerufen; aber bei ſorgfältiger Erwägung erſchien doch immer dieſe Lö- ſung der Aufgabe als die angemeſſenſte. l) Artikel XXIV. Wenn das Geſetz die Erhöhung oder Ermäßigung der Strafe von dem Vorhandenſein erſchwerender oder mildernder Umſtände abhängig macht, ſo muß in Sachen, welche zur Kompetenz der Schwurgerichtshöfe gehören, auf den Antrag der Staatsanwaltſchaft oder des Angeſchuldigten eine darauf be- zügliche Frage den Geſchworenen bei Strafe der Nichtigkeit vorgelegt werden. Eine ſolche Frage kann den Geſchworenen auch von Amtswegen vorgelegt werden. Artikel XXV. Den Geſchworenen ſind geeigneten Falls eventuelle Fragen vorzulegen, ins- beſondere um feſtzuſtellen, ob der Angeklagte in Beziehung auf das Verbrechen oder Vergehen, wegen deſſen die Anklage gegen ihn erhoben iſt, nicht wenig- ſtens des Verſuchs, der Theilnahme, der Begünſtigung oder der Hehlerei ſchuldig iſt, oder ob er die Handlung, welche ihm die Anklageſchrift als eine vorſätzlich verübte zur Laſt legt, nicht wenigſtens aus Fahrläſſigkeit begangen zu haben ſchuldig iſt. Artikel XXVI. Darüber, ob die Vorausſetzungen des Rückfalls vorhanden ſind, entſcheidet der Schwurgerichtshof ohne Mitwirkung der Geſchworenen. I. Die in Art. XXIV. enthaltene Beſtimmung entſpricht ſo ſehr dem Weſen der Inſtitution der Schwurgerichte und hängt namentlich mit dem Syſteme, welches das Geſetzbuch bei der Behandlung der mil- dernden Umſtände befolgt hat, m) ſo genau zuſammen, daß dieſelbe, auch k) S. oben S. 210. l) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. XVIII. (XXIII.). — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer ebendaſ. m) S. oben S. 29-36.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/635>, abgerufen am 28.03.2024.