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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Einleitende Bestimmungen.
§. 1.

Eine Handlung, welche die Gesetze mit der Todesstrafe, mit Zuchthausstrafe
oder mit Einschließung von mehr als fünf Jahren bedrohen, ist ein Ver-brechen.

Eine Handlung, welche die Gesetze mit Einschließung bis zu fünf Jahren,
mit Gefängnißstrafe von mehr als sechs Wochen oder mit Geldbuße von mehr
als funfzig Thalern bedrohen, ist ein Vergehen.

Eine Handlung, welche die Gesetze mit Gefängnißstrafe bis zu sechs Wochen
oder mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern bedrohen, ist eine Uebertretung.



Wenn man sieht, ein wie lebhafter Kampf früher bei uns darüber
geführt worden ist, ob diese Dreitheilung in das Strafgesetzbuch aufzu-
nehmen sei oder nicht, so kommt man leicht zu der Ansicht, daß ihr
eine größere Bedeutung beigelegt worden, als ihr eigentlich gebührt.
Daß zwischen den verschiedenen strafbaren Handlungen nach dem Grade
der Verschuldung unterschieden werden muß, ist außer Zweifel, und daß
von dieser größeren oder geringeren Verschuldung die Strafbarkeit wie-
der im Wesentlichen bedingt ist, kann eben so wenig in Abrede gestellt
werden. Warum aber diese Eintheilung gerade nothwendig eine drei-
theilige sein, und sich genau nach einer bestimmten im Gesetz vorge-
schriebenen Strafskala richten muß, das scheint aus allgemeinen Gründen
kaum dargethan werden zu können. In der That handelte es sich bei
jenem Streite auch weniger um den Werth der Dreitheilung im Allge-
meinen, als um die Institution des Schwurgerichts, welche man in der
Rheinprovinz für bedroht, in den andern Theilen der Monarchie für
kaum erreichbar hielt, wenn nicht im Strafgesetzbuch selbst zwischen den

Einleitende Beſtimmungen.
§. 1.

Eine Handlung, welche die Geſetze mit der Todesſtrafe, mit Zuchthausſtrafe
oder mit Einſchließung von mehr als fünf Jahren bedrohen, iſt ein Ver-brechen.

Eine Handlung, welche die Geſetze mit Einſchließung bis zu fünf Jahren,
mit Gefängnißſtrafe von mehr als ſechs Wochen oder mit Geldbuße von mehr
als funfzig Thalern bedrohen, iſt ein Vergehen.

Eine Handlung, welche die Geſetze mit Gefängnißſtrafe bis zu ſechs Wochen
oder mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern bedrohen, iſt eine Uebertretung.



Wenn man ſieht, ein wie lebhafter Kampf früher bei uns darüber
geführt worden iſt, ob dieſe Dreitheilung in das Strafgeſetzbuch aufzu-
nehmen ſei oder nicht, ſo kommt man leicht zu der Anſicht, daß ihr
eine größere Bedeutung beigelegt worden, als ihr eigentlich gebührt.
Daß zwiſchen den verſchiedenen ſtrafbaren Handlungen nach dem Grade
der Verſchuldung unterſchieden werden muß, iſt außer Zweifel, und daß
von dieſer größeren oder geringeren Verſchuldung die Strafbarkeit wie-
der im Weſentlichen bedingt iſt, kann eben ſo wenig in Abrede geſtellt
werden. Warum aber dieſe Eintheilung gerade nothwendig eine drei-
theilige ſein, und ſich genau nach einer beſtimmten im Geſetz vorge-
ſchriebenen Strafſkala richten muß, das ſcheint aus allgemeinen Gründen
kaum dargethan werden zu können. In der That handelte es ſich bei
jenem Streite auch weniger um den Werth der Dreitheilung im Allge-
meinen, als um die Inſtitution des Schwurgerichts, welche man in der
Rheinprovinz für bedroht, in den andern Theilen der Monarchie für
kaum erreichbar hielt, wenn nicht im Strafgeſetzbuch ſelbſt zwiſchen den

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[[59]/0069] Einleitende Beſtimmungen. §. 1. Eine Handlung, welche die Geſetze mit der Todesſtrafe, mit Zuchthausſtrafe oder mit Einſchließung von mehr als fünf Jahren bedrohen, iſt ein Ver-brechen. Eine Handlung, welche die Geſetze mit Einſchließung bis zu fünf Jahren, mit Gefängnißſtrafe von mehr als ſechs Wochen oder mit Geldbuße von mehr als funfzig Thalern bedrohen, iſt ein Vergehen. Eine Handlung, welche die Geſetze mit Gefängnißſtrafe bis zu ſechs Wochen oder mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern bedrohen, iſt eine Uebertretung. Wenn man ſieht, ein wie lebhafter Kampf früher bei uns darüber geführt worden iſt, ob dieſe Dreitheilung in das Strafgeſetzbuch aufzu- nehmen ſei oder nicht, ſo kommt man leicht zu der Anſicht, daß ihr eine größere Bedeutung beigelegt worden, als ihr eigentlich gebührt. Daß zwiſchen den verſchiedenen ſtrafbaren Handlungen nach dem Grade der Verſchuldung unterſchieden werden muß, iſt außer Zweifel, und daß von dieſer größeren oder geringeren Verſchuldung die Strafbarkeit wie- der im Weſentlichen bedingt iſt, kann eben ſo wenig in Abrede geſtellt werden. Warum aber dieſe Eintheilung gerade nothwendig eine drei- theilige ſein, und ſich genau nach einer beſtimmten im Geſetz vorge- ſchriebenen Strafſkala richten muß, das ſcheint aus allgemeinen Gründen kaum dargethan werden zu können. In der That handelte es ſich bei jenem Streite auch weniger um den Werth der Dreitheilung im Allge- meinen, als um die Inſtitution des Schwurgerichts, welche man in der Rheinprovinz für bedroht, in den andern Theilen der Monarchie für kaum erreichbar hielt, wenn nicht im Strafgeſetzbuch ſelbſt zwiſchen den

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. [59]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/69>, abgerufen am 29.03.2024.