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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Einleitende Bestimmungen.
gerade eine der wohlthätigsten Folge der Kodifikation, -- die Rechts-
sicherheit auf.

§. 3.

Die Preußischen Strafgesetze finden Anwendung auf alle in Preußen be-
gangene Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen, auch wenn der Thäter ein
Ausländer ist.

§. 4.

Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in
Preußen in der Regel keine Verfolgung und Bestrafung statt.

Jedoch kann in Preußen nach Preußischen Strafgesetzen verfolgt und be-
straft werden:

1) ein Ausländer, welcher im Auslande gegen Preußen eine in diesem
Strafgesetzbuche als eine hochverrätherische oder als eine Majestätsbe-
leidigung bezeichnete Handlung oder ein Münzverbrechen begangen hat;
2) ein Preuße, welcher im Auslande gegen Preußen eine hochverrätherische
oder eine landesverrätherische Handlung, eine Majestätsbeleidigung oder
ein Münzverbrechen begangen hat;
3) ein Preuße, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, welche
nach Preußischen Gesetzen als ein Verbrechen oder ein Vergehen bestraft
wird, und auch durch die Gesetze des Orts, wo sie begangen wurde,
mit Strafe bedroht ist. Die Verfolgung und Bestrafung bleibt jedoch
in diesem Falle ausgeschlossen, wenn von den Gerichten des Auslandes
über die Handlung rechtskräftig erkannt und die etwa ausgesprochene
Strafe vollzogen oder durch Begnadigung erlassen ist.

Uebertretungen, die im Auslande begangen werden, sollen in Preußen nur
dann bestraft werden, wenn dies durch besondere Gesetze oder Staatsverträge
angeordnet ist.



Wenn in Beziehung auf die Gesetzgebung eines bestimmten Staates
die örtlichen Grenzen ihrer Anwendung bezeichnet werden sollen, so pflegt
man den allgemeinen Satz voran zu stellen, daß gegenwärtig nicht mehr
das Princip des Personalrechts, wie im Mittelalter, gelte, sondern
daß das Princip des Territorialrechts an dessen Stelle getreten sei.
Im Allgemeinen bezeichnet dieser Gegensatz nun auch ganz richtig die
veränderten Verhältnisse. Denn während im Mittelalter, wo der Be-
griff des Staates das Gemeinwesen noch nicht mit Alles beherrschender
Kraft durchdrungen hatte, das Recht des Individuums auch insofern
mehr anerkannt wurde, daß für den Einzelnen regelmäßig nicht das
Recht seines Wohnorts, sondern das seiner Herkunft (sein National-
recht) zur Anwendung kam; so ist in der neueren Zeit der Grundsatz immer
konsequenter ausgebildet worden, daß das Recht eines souveränen Staa-
tes ausschließlich für die ganze Bevölkerung und das ganze Gebiet so
wie für alle Handlungen und Rechtsgeschäfte gilt, welche im Bereiche

Einleitende Beſtimmungen.
gerade eine der wohlthätigſten Folge der Kodifikation, — die Rechts-
ſicherheit auf.

§. 3.

Die Preußiſchen Strafgeſetze finden Anwendung auf alle in Preußen be-
gangene Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen, auch wenn der Thäter ein
Ausländer iſt.

§. 4.

Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in
Preußen in der Regel keine Verfolgung und Beſtrafung ſtatt.

Jedoch kann in Preußen nach Preußiſchen Strafgeſetzen verfolgt und be-
ſtraft werden:

1) ein Ausländer, welcher im Auslande gegen Preußen eine in dieſem
Strafgeſetzbuche als eine hochverrätheriſche oder als eine Majeſtätsbe-
leidigung bezeichnete Handlung oder ein Münzverbrechen begangen hat;
2) ein Preuße, welcher im Auslande gegen Preußen eine hochverrätheriſche
oder eine landesverrätheriſche Handlung, eine Majeſtätsbeleidigung oder
ein Münzverbrechen begangen hat;
3) ein Preuße, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, welche
nach Preußiſchen Geſetzen als ein Verbrechen oder ein Vergehen beſtraft
wird, und auch durch die Geſetze des Orts, wo ſie begangen wurde,
mit Strafe bedroht iſt. Die Verfolgung und Beſtrafung bleibt jedoch
in dieſem Falle ausgeſchloſſen, wenn von den Gerichten des Auslandes
über die Handlung rechtskräftig erkannt und die etwa ausgeſprochene
Strafe vollzogen oder durch Begnadigung erlaſſen iſt.

Uebertretungen, die im Auslande begangen werden, ſollen in Preußen nur
dann beſtraft werden, wenn dies durch beſondere Geſetze oder Staatsverträge
angeordnet iſt.



Wenn in Beziehung auf die Geſetzgebung eines beſtimmten Staates
die örtlichen Grenzen ihrer Anwendung bezeichnet werden ſollen, ſo pflegt
man den allgemeinen Satz voran zu ſtellen, daß gegenwärtig nicht mehr
das Princip des Perſonalrechts, wie im Mittelalter, gelte, ſondern
daß das Princip des Territorialrechts an deſſen Stelle getreten ſei.
Im Allgemeinen bezeichnet dieſer Gegenſatz nun auch ganz richtig die
veränderten Verhältniſſe. Denn während im Mittelalter, wo der Be-
griff des Staates das Gemeinweſen noch nicht mit Alles beherrſchender
Kraft durchdrungen hatte, das Recht des Individuums auch inſofern
mehr anerkannt wurde, daß für den Einzelnen regelmäßig nicht das
Recht ſeines Wohnorts, ſondern das ſeiner Herkunft (ſein National-
recht) zur Anwendung kam; ſo iſt in der neueren Zeit der Grundſatz immer
konſequenter ausgebildet worden, daß das Recht eines ſouveränen Staa-
tes ausſchließlich für die ganze Bevölkerung und das ganze Gebiet ſo
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[70/0080] Einleitende Beſtimmungen. gerade eine der wohlthätigſten Folge der Kodifikation, — die Rechts- ſicherheit auf. §. 3. Die Preußiſchen Strafgeſetze finden Anwendung auf alle in Preußen be- gangene Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer iſt. §. 4. Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in Preußen in der Regel keine Verfolgung und Beſtrafung ſtatt. Jedoch kann in Preußen nach Preußiſchen Strafgeſetzen verfolgt und be- ſtraft werden: 1) ein Ausländer, welcher im Auslande gegen Preußen eine in dieſem Strafgeſetzbuche als eine hochverrätheriſche oder als eine Majeſtätsbe- leidigung bezeichnete Handlung oder ein Münzverbrechen begangen hat; 2) ein Preuße, welcher im Auslande gegen Preußen eine hochverrätheriſche oder eine landesverrätheriſche Handlung, eine Majeſtätsbeleidigung oder ein Münzverbrechen begangen hat; 3) ein Preuße, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, welche nach Preußiſchen Geſetzen als ein Verbrechen oder ein Vergehen beſtraft wird, und auch durch die Geſetze des Orts, wo ſie begangen wurde, mit Strafe bedroht iſt. Die Verfolgung und Beſtrafung bleibt jedoch in dieſem Falle ausgeſchloſſen, wenn von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig erkannt und die etwa ausgeſprochene Strafe vollzogen oder durch Begnadigung erlaſſen iſt. Uebertretungen, die im Auslande begangen werden, ſollen in Preußen nur dann beſtraft werden, wenn dies durch beſondere Geſetze oder Staatsverträge angeordnet iſt. Wenn in Beziehung auf die Geſetzgebung eines beſtimmten Staates die örtlichen Grenzen ihrer Anwendung bezeichnet werden ſollen, ſo pflegt man den allgemeinen Satz voran zu ſtellen, daß gegenwärtig nicht mehr das Princip des Perſonalrechts, wie im Mittelalter, gelte, ſondern daß das Princip des Territorialrechts an deſſen Stelle getreten ſei. Im Allgemeinen bezeichnet dieſer Gegenſatz nun auch ganz richtig die veränderten Verhältniſſe. Denn während im Mittelalter, wo der Be- griff des Staates das Gemeinweſen noch nicht mit Alles beherrſchender Kraft durchdrungen hatte, das Recht des Individuums auch inſofern mehr anerkannt wurde, daß für den Einzelnen regelmäßig nicht das Recht ſeines Wohnorts, ſondern das ſeiner Herkunft (ſein National- recht) zur Anwendung kam; ſo iſt in der neueren Zeit der Grundſatz immer konſequenter ausgebildet worden, daß das Recht eines ſouveränen Staa- tes ausſchließlich für die ganze Bevölkerung und das ganze Gebiet ſo wie für alle Handlungen und Rechtsgeſchäfte gilt, welche im Bereiche

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/80>, abgerufen am 19.04.2024.