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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Thl. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.

Die Nachtzeit umfaßt für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März die
Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und für die Zeit vom
1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr
Morgens.

§. 29.

Ist derjenige, gegen welchen die Stellung unter Polizei-Aufsicht zu erkennen
sein würde, ein Ausländer, so ist gegen denselben, anstatt der Stellung unter
Polizei-Aufsicht, auf Landesverweisung zu erkennen.



In den Motiven zu dem Entwurf von 1850. §. 23. werden die
Bestimmungen über die Polizei-Aufsicht im Allgemeinen also begründet:

"Die Verhängung der Polizei-Aufsicht über den wegen eines Ver-
brechens oder Vergehens Verurtheilten ist ihrem inneren Wesen nach
eine zusätzliche Strafe, die demselben für das früher von ihm began-
gene Unrecht durch nachfolgende Beschränkung der von ihm mißbrauchten
Freiheit auferlegt wird. Die Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit,
durch welche diese die Verhütung neuer Verbrechen und Vergehen be-
zweckende Maaßregel geboten wird, ist hierbei nur als Motiv der Ge-
setzgebung zu betrachten."

"Aus dem Charakter der Polizei-Aufsicht als Strafe folgt, daß
dieselbe ausschließlich von der gesetzlichen und richterlichen Bestimmung
abhängig sein muß, und es kann nur die Frage sein, ob nicht bei der
schwersten Art der Freiheitsstrafe, der Zuchthausstrafe, ebenso wie der
Verlust der bürgerlichen Ehre, auch die Stellung unter Polizei-Aufsicht
von Rechtswegen, ohne daß es deshalb einer Bestimmung in dem
Straferkenntniß bedürfe, eintreten müsse. Allein dem steht entgegen, daß
die in dem Entwurf angenommene Polizei-Aufsicht ihrer Natur nach
auf verschiedene schwere Verbrechen nicht paßt, und daß überdieß mit
Rücksicht auf die Individualität des Falles und insbesondere auf den
Grad der Verderbtheit der Gesinnung und der Gefährlichkeit des Thäters
die Dauer der Polizei-Aufsicht, die eben deshalb auch durch ein zu hohes
Minimum oder ein zu niedriges Maximum nicht beschränkt sein darf,
durch das richterliche Erkenntniß bestimmt werden muß."

"Aus dem letztern Grunde hat in dieser Beziehung eine Modifika-
tion des Gesetzes vom 12. Febr. 1850. statt gefunden, bei dessen Be-
stimmungen es sonst im Wesentlichen verblieben ist."

Die Stellung unter Polizei-Aufsicht setzt also stets ein richterliches
Straferkenntniß voraus; das Gesetzbuch unterscheidet aber auch hier die
Fälle, wo die Strafe ausgesprochen werden muß, oder nur ausgespro-
chen werden kann.


Thl. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.

Die Nachtzeit umfaßt für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März die
Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und für die Zeit vom
1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr
Morgens.

§. 29.

Iſt derjenige, gegen welchen die Stellung unter Polizei-Aufſicht zu erkennen
ſein würde, ein Ausländer, ſo iſt gegen denſelben, anſtatt der Stellung unter
Polizei-Aufſicht, auf Landesverweiſung zu erkennen.



In den Motiven zu dem Entwurf von 1850. §. 23. werden die
Beſtimmungen über die Polizei-Aufſicht im Allgemeinen alſo begründet:

„Die Verhängung der Polizei-Aufſicht über den wegen eines Ver-
brechens oder Vergehens Verurtheilten iſt ihrem inneren Weſen nach
eine zuſätzliche Strafe, die demſelben für das früher von ihm began-
gene Unrecht durch nachfolgende Beſchränkung der von ihm mißbrauchten
Freiheit auferlegt wird. Die Rückſicht auf die öffentliche Sicherheit,
durch welche dieſe die Verhütung neuer Verbrechen und Vergehen be-
zweckende Maaßregel geboten wird, iſt hierbei nur als Motiv der Ge-
ſetzgebung zu betrachten.“

„Aus dem Charakter der Polizei-Aufſicht als Strafe folgt, daß
dieſelbe ausſchließlich von der geſetzlichen und richterlichen Beſtimmung
abhängig ſein muß, und es kann nur die Frage ſein, ob nicht bei der
ſchwerſten Art der Freiheitsſtrafe, der Zuchthausſtrafe, ebenſo wie der
Verluſt der bürgerlichen Ehre, auch die Stellung unter Polizei-Aufſicht
von Rechtswegen, ohne daß es deshalb einer Beſtimmung in dem
Straferkenntniß bedürfe, eintreten müſſe. Allein dem ſteht entgegen, daß
die in dem Entwurf angenommene Polizei-Aufſicht ihrer Natur nach
auf verſchiedene ſchwere Verbrechen nicht paßt, und daß überdieß mit
Rückſicht auf die Individualität des Falles und insbeſondere auf den
Grad der Verderbtheit der Geſinnung und der Gefährlichkeit des Thäters
die Dauer der Polizei-Aufſicht, die eben deshalb auch durch ein zu hohes
Minimum oder ein zu niedriges Maximum nicht beſchränkt ſein darf,
durch das richterliche Erkenntniß beſtimmt werden muß.“

„Aus dem letztern Grunde hat in dieſer Beziehung eine Modifika-
tion des Geſetzes vom 12. Febr. 1850. ſtatt gefunden, bei deſſen Be-
ſtimmungen es ſonſt im Weſentlichen verblieben iſt.“

Die Stellung unter Polizei-Aufſicht ſetzt alſo ſtets ein richterliches
Straferkenntniß voraus; das Geſetzbuch unterſcheidet aber auch hier die
Fälle, wo die Strafe ausgeſprochen werden muß, oder nur ausgeſpro-
chen werden kann.


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[134/0144] Thl. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen. Die Nachtzeit umfaßt für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und für die Zeit vom 1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens. §. 29. Iſt derjenige, gegen welchen die Stellung unter Polizei-Aufſicht zu erkennen ſein würde, ein Ausländer, ſo iſt gegen denſelben, anſtatt der Stellung unter Polizei-Aufſicht, auf Landesverweiſung zu erkennen. In den Motiven zu dem Entwurf von 1850. §. 23. werden die Beſtimmungen über die Polizei-Aufſicht im Allgemeinen alſo begründet: „Die Verhängung der Polizei-Aufſicht über den wegen eines Ver- brechens oder Vergehens Verurtheilten iſt ihrem inneren Weſen nach eine zuſätzliche Strafe, die demſelben für das früher von ihm began- gene Unrecht durch nachfolgende Beſchränkung der von ihm mißbrauchten Freiheit auferlegt wird. Die Rückſicht auf die öffentliche Sicherheit, durch welche dieſe die Verhütung neuer Verbrechen und Vergehen be- zweckende Maaßregel geboten wird, iſt hierbei nur als Motiv der Ge- ſetzgebung zu betrachten.“ „Aus dem Charakter der Polizei-Aufſicht als Strafe folgt, daß dieſelbe ausſchließlich von der geſetzlichen und richterlichen Beſtimmung abhängig ſein muß, und es kann nur die Frage ſein, ob nicht bei der ſchwerſten Art der Freiheitsſtrafe, der Zuchthausſtrafe, ebenſo wie der Verluſt der bürgerlichen Ehre, auch die Stellung unter Polizei-Aufſicht von Rechtswegen, ohne daß es deshalb einer Beſtimmung in dem Straferkenntniß bedürfe, eintreten müſſe. Allein dem ſteht entgegen, daß die in dem Entwurf angenommene Polizei-Aufſicht ihrer Natur nach auf verſchiedene ſchwere Verbrechen nicht paßt, und daß überdieß mit Rückſicht auf die Individualität des Falles und insbeſondere auf den Grad der Verderbtheit der Geſinnung und der Gefährlichkeit des Thäters die Dauer der Polizei-Aufſicht, die eben deshalb auch durch ein zu hohes Minimum oder ein zu niedriges Maximum nicht beſchränkt ſein darf, durch das richterliche Erkenntniß beſtimmt werden muß.“ „Aus dem letztern Grunde hat in dieſer Beziehung eine Modifika- tion des Geſetzes vom 12. Febr. 1850. ſtatt gefunden, bei deſſen Be- ſtimmungen es ſonſt im Weſentlichen verblieben iſt.“ Die Stellung unter Polizei-Aufſicht ſetzt alſo ſtets ein richterliches Straferkenntniß voraus; das Geſetzbuch unterſcheidet aber auch hier die Fälle, wo die Strafe ausgeſprochen werden muß, oder nur ausgeſpro- chen werden kann.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/144>, abgerufen am 28.03.2024.