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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 212. 213. Nöthigung. Landzwang.
hungen zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens bestimmt
(§. 34.), oder von der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte abhält
(§§. 83. 84.); ferner die Nöthigung einer Behörde oder eines Beamten
zu der Vornahme oder Unterlassung von Amtshandlungen (§. 90.), der
Mißbrauch der Amtsgewalt, um jemanden zu einer Handlung, Dul-
dung oder Unterlassung widerrechtlich zu nöthigen (§. 315.). Außerdem
kann die Anwendung von Drohungen durch die Absicht, welche der Han-
delnde dadurch zu erreichen sucht, in ein bestimmtes Verbrechen -- Ent-
führung, Nothzucht, Raub, Erpressung -- übergehen. Aber in den
hierüber aufgestellten Strafvorschriften ist noch nicht allen Fällen vor-
gesehen, in welchen Drohungen sich als strafbare Handlungen darstellen
können, und wenn auch nach den Grundsätzen, welche das Gesetzbuch
in Beziehung auf die Selbsthülfe befolgt hat, (s. oben S. 279-81.) und
nach der in demselben durchgeführten Auffassung des Vorsatzes und des
Versuchs, eine ganz allgemeine Bestimmung über die Strafbarkeit jeder
Drohung inkonsequent gewesen sein würde, wie sie sich auch nach all-
gemeinen Rechtsprincipien nicht rechtfertigen ließe: so durfte man doch
auf der andern Seite es bei der Normirung jener besonderen Fälle nicht
bewenden lassen.

Bei der Revision suchte man nun die vagen Vorschriften des Allg.
Landrechts (Th. II. Tit. 20. §. 44. 533-37. 1077.) zu bestimmten
Rechtssätzen zu formuliren, indem ein besonderes Gewicht auf die An-
ordnung geeigneter polizeilicher Maaßregeln gegen Personen, welche durch
Drohungen die öffentliche Sicherheit gefährden, gelegt wurde. n) Man
gelangte demnach zu folgenden Bestimmungen:

Entwurf von 1847. §. 264. "Wer unbefugter Weise gegen
einen Anderen Gewalt oder Drohungen anwendet, um denselben zu
einer Handlung, Duldung, oder Unterlassung zu nöthigen, soll, wenn
seine That nicht ein anderes schwereres Verbrechen in sich schließt, auf
den Antrag des Genöthigten mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu
zwei Jahren bestraft werden."

§. 265. "Wer auch ohne den Zweck der Nöthigung einen Anderen
mit einem strafbaren Angriffe unter Umständen bedroht, welche die Aus-
führung der Drohung besorgen lassen, soll auf den Antrag des Be-
droheten mit Geldbuße bis zu dreihundert Thalern, oder mit Gefängniß
bis zu sechs Monaten bestraft werden. Zugleich kann derselbe nach
richterlichem Ermessen unter besondere Polizei-Aufsicht gestellt oder zur
Leistung einer Kaution angehalten werden."


n) Motive zum ersten Entwurf. III. 2. S. 290-95. -- Berathungs-
Protokolle der Staatsraths-Kommission
. II. S. 288. 289. -- Revision
von
1845. II. S. 154. 155.

§§. 212. 213. Nöthigung. Landzwang.
hungen zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens beſtimmt
(§. 34.), oder von der Ausübung ſtaatsbürgerlicher Rechte abhält
(§§. 83. 84.); ferner die Nöthigung einer Behörde oder eines Beamten
zu der Vornahme oder Unterlaſſung von Amtshandlungen (§. 90.), der
Mißbrauch der Amtsgewalt, um jemanden zu einer Handlung, Dul-
dung oder Unterlaſſung widerrechtlich zu nöthigen (§. 315.). Außerdem
kann die Anwendung von Drohungen durch die Abſicht, welche der Han-
delnde dadurch zu erreichen ſucht, in ein beſtimmtes Verbrechen — Ent-
führung, Nothzucht, Raub, Erpreſſung — übergehen. Aber in den
hierüber aufgeſtellten Strafvorſchriften iſt noch nicht allen Fällen vor-
geſehen, in welchen Drohungen ſich als ſtrafbare Handlungen darſtellen
können, und wenn auch nach den Grundſätzen, welche das Geſetzbuch
in Beziehung auf die Selbſthülfe befolgt hat, (ſ. oben S. 279-81.) und
nach der in demſelben durchgeführten Auffaſſung des Vorſatzes und des
Verſuchs, eine ganz allgemeine Beſtimmung über die Strafbarkeit jeder
Drohung inkonſequent geweſen ſein würde, wie ſie ſich auch nach all-
gemeinen Rechtsprincipien nicht rechtfertigen ließe: ſo durfte man doch
auf der andern Seite es bei der Normirung jener beſonderen Fälle nicht
bewenden laſſen.

Bei der Reviſion ſuchte man nun die vagen Vorſchriften des Allg.
Landrechts (Th. II. Tit. 20. §. 44. 533-37. 1077.) zu beſtimmten
Rechtsſätzen zu formuliren, indem ein beſonderes Gewicht auf die An-
ordnung geeigneter polizeilicher Maaßregeln gegen Perſonen, welche durch
Drohungen die öffentliche Sicherheit gefährden, gelegt wurde. n) Man
gelangte demnach zu folgenden Beſtimmungen:

Entwurf von 1847. §. 264. „Wer unbefugter Weiſe gegen
einen Anderen Gewalt oder Drohungen anwendet, um denſelben zu
einer Handlung, Duldung, oder Unterlaſſung zu nöthigen, ſoll, wenn
ſeine That nicht ein anderes ſchwereres Verbrechen in ſich ſchließt, auf
den Antrag des Genöthigten mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu
zwei Jahren beſtraft werden.“

§. 265. „Wer auch ohne den Zweck der Nöthigung einen Anderen
mit einem ſtrafbaren Angriffe unter Umſtänden bedroht, welche die Aus-
führung der Drohung beſorgen laſſen, ſoll auf den Antrag des Be-
droheten mit Geldbuße bis zu dreihundert Thalern, oder mit Gefängniß
bis zu ſechs Monaten beſtraft werden. Zugleich kann derſelbe nach
richterlichem Ermeſſen unter beſondere Polizei-Aufſicht geſtellt oder zur
Leiſtung einer Kaution angehalten werden.“


n) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 290-95. — Berathungs-
Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion
. II. S. 288. 289. — Reviſion
von
1845. II. S. 154. 155.
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[401/0411] §§. 212. 213. Nöthigung. Landzwang. hungen zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens beſtimmt (§. 34.), oder von der Ausübung ſtaatsbürgerlicher Rechte abhält (§§. 83. 84.); ferner die Nöthigung einer Behörde oder eines Beamten zu der Vornahme oder Unterlaſſung von Amtshandlungen (§. 90.), der Mißbrauch der Amtsgewalt, um jemanden zu einer Handlung, Dul- dung oder Unterlaſſung widerrechtlich zu nöthigen (§. 315.). Außerdem kann die Anwendung von Drohungen durch die Abſicht, welche der Han- delnde dadurch zu erreichen ſucht, in ein beſtimmtes Verbrechen — Ent- führung, Nothzucht, Raub, Erpreſſung — übergehen. Aber in den hierüber aufgeſtellten Strafvorſchriften iſt noch nicht allen Fällen vor- geſehen, in welchen Drohungen ſich als ſtrafbare Handlungen darſtellen können, und wenn auch nach den Grundſätzen, welche das Geſetzbuch in Beziehung auf die Selbſthülfe befolgt hat, (ſ. oben S. 279-81.) und nach der in demſelben durchgeführten Auffaſſung des Vorſatzes und des Verſuchs, eine ganz allgemeine Beſtimmung über die Strafbarkeit jeder Drohung inkonſequent geweſen ſein würde, wie ſie ſich auch nach all- gemeinen Rechtsprincipien nicht rechtfertigen ließe: ſo durfte man doch auf der andern Seite es bei der Normirung jener beſonderen Fälle nicht bewenden laſſen. Bei der Reviſion ſuchte man nun die vagen Vorſchriften des Allg. Landrechts (Th. II. Tit. 20. §. 44. 533-37. 1077.) zu beſtimmten Rechtsſätzen zu formuliren, indem ein beſonderes Gewicht auf die An- ordnung geeigneter polizeilicher Maaßregeln gegen Perſonen, welche durch Drohungen die öffentliche Sicherheit gefährden, gelegt wurde. n) Man gelangte demnach zu folgenden Beſtimmungen: Entwurf von 1847. §. 264. „Wer unbefugter Weiſe gegen einen Anderen Gewalt oder Drohungen anwendet, um denſelben zu einer Handlung, Duldung, oder Unterlaſſung zu nöthigen, ſoll, wenn ſeine That nicht ein anderes ſchwereres Verbrechen in ſich ſchließt, auf den Antrag des Genöthigten mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu zwei Jahren beſtraft werden.“ §. 265. „Wer auch ohne den Zweck der Nöthigung einen Anderen mit einem ſtrafbaren Angriffe unter Umſtänden bedroht, welche die Aus- führung der Drohung beſorgen laſſen, ſoll auf den Antrag des Be- droheten mit Geldbuße bis zu dreihundert Thalern, oder mit Gefängniß bis zu ſechs Monaten beſtraft werden. Zugleich kann derſelbe nach richterlichem Ermeſſen unter beſondere Polizei-Aufſicht geſtellt oder zur Leiſtung einer Kaution angehalten werden.“ n) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 290-95. — Berathungs- Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 288. 289. — Reviſion von 1845. II. S. 154. 155.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/411>, abgerufen am 18.04.2024.