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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 230. Begriff des Raubes
Unterstützung blieb. q) Man entschied sich jedoch schließlich, bei dem
Entwurf von 1836. stehen zu bleiben, und also das Hauptgewicht auf
die bei dem Raube vorkommende Gewaltthätigkeit zu legen; in diesem
Sinne wurde der Entwurf von 1843. redigirt:

§. 436. "Einen Raub begeht derjenige, welcher gegen eine Person
Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib
oder Leben anwendet, um entweder einen Diebstahl auszuführen, oder
um sich, bei dem Diebstahl betroffen oder auf frischer That verfolgt,
im Besitze des gestohlenen Guts zu erhalten."

"Das Verbrechen ist vollendet, sobald in der erwähnten Absicht
Gewalt oder Drohung angewandt ist."

In dem Ministerium für die Gesetz-Revision wurde jedoch in
Uebereinstimmung mit mehreren Monenten die entgegenstehende Ansicht
wieder aufgenommen.

"Nach dem Wortsinne," heißt es in der Revisionsschrift, r) "und
nach der Auffassung des Volks, denen sich das Strafgesetzbuch so viel
wie möglich anschließen sollte, besteht der Raub gerade in der mit Ge-
waltthätigkeit gegen die Person ausgeführten Bemächtigung der Sache.
Der Entwurf hat diesen wirklichen Begriff künstlich gespalten; er hat
für Raub erklärt, was nur der Anfang oder Versuch des Raubes ist."
Die gemischte Natur des Verbrechens mache es aber nothwendig, die
Gewaltthätigkeit als das Mittel zum Zweck der beabsichtigten Entwen-
dung zu bezeichnen, die Handlung als Eine aufzufassen und die Durch-
führung der Absicht in die Definition des Verbrechens aufzunehmen.
Das sei auch bei den Verbrechen wider die persönliche Freiheit und bei
der Nothzucht geschehen. Der Grund, warum man früher anders ver-
fahren sei, liege in der Ansicht, daß die Gewaltthätigkeit, das Verbrechen
gegen die Person, die strafbare Seite des Raubes sei. Dieses lasse
sich jedoch nicht unbedingt behaupten. Die Gewaltthätigkeit könne so
unbedeutend und die Entwendung so erheblich sein, daß das größere
Gewicht auf die letztere falle. In allen Gesetzgebungen werde in der
That auch bei Bestimmung der Strafe des Raubes auf die diebische
Absicht unverkennbar eine überwiegende Rücksicht genommen, wie sich
daraus ergebe, daß die Strafe des Raubes so ungleich höher, als die
Strafe der Gewaltthätigkeit in andern Fällen bestimmt werde. Es
erscheine daher nicht konsequent, bei der Frage über die Vollendung des
Verbrechens die Ausführung jener Absicht als etwas Unerhebliches zu
bezeichnen.


q) Berathungs-Protokolle. III. S. 367-69. -- Protokolle des
Staatsraths
, Sitzung vom 23. April 1842.
r) a. a. O. S. 26. 27.
Beseler Kommentar. 29

§. 230. Begriff des Raubes
Unterſtützung blieb. q) Man entſchied ſich jedoch ſchließlich, bei dem
Entwurf von 1836. ſtehen zu bleiben, und alſo das Hauptgewicht auf
die bei dem Raube vorkommende Gewaltthätigkeit zu legen; in dieſem
Sinne wurde der Entwurf von 1843. redigirt:

§. 436. „Einen Raub begeht derjenige, welcher gegen eine Perſon
Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib
oder Leben anwendet, um entweder einen Diebſtahl auszuführen, oder
um ſich, bei dem Diebſtahl betroffen oder auf friſcher That verfolgt,
im Beſitze des geſtohlenen Guts zu erhalten.“

„Das Verbrechen iſt vollendet, ſobald in der erwähnten Abſicht
Gewalt oder Drohung angewandt iſt.“

In dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion wurde jedoch in
Uebereinſtimmung mit mehreren Monenten die entgegenſtehende Anſicht
wieder aufgenommen.

„Nach dem Wortſinne,“ heißt es in der Reviſionsſchrift, r) „und
nach der Auffaſſung des Volks, denen ſich das Strafgeſetzbuch ſo viel
wie möglich anſchließen ſollte, beſteht der Raub gerade in der mit Ge-
waltthätigkeit gegen die Perſon ausgeführten Bemächtigung der Sache.
Der Entwurf hat dieſen wirklichen Begriff künſtlich geſpalten; er hat
für Raub erklärt, was nur der Anfang oder Verſuch des Raubes iſt.“
Die gemiſchte Natur des Verbrechens mache es aber nothwendig, die
Gewaltthätigkeit als das Mittel zum Zweck der beabſichtigten Entwen-
dung zu bezeichnen, die Handlung als Eine aufzufaſſen und die Durch-
führung der Abſicht in die Definition des Verbrechens aufzunehmen.
Das ſei auch bei den Verbrechen wider die perſönliche Freiheit und bei
der Nothzucht geſchehen. Der Grund, warum man früher anders ver-
fahren ſei, liege in der Anſicht, daß die Gewaltthätigkeit, das Verbrechen
gegen die Perſon, die ſtrafbare Seite des Raubes ſei. Dieſes laſſe
ſich jedoch nicht unbedingt behaupten. Die Gewaltthätigkeit könne ſo
unbedeutend und die Entwendung ſo erheblich ſein, daß das größere
Gewicht auf die letztere falle. In allen Geſetzgebungen werde in der
That auch bei Beſtimmung der Strafe des Raubes auf die diebiſche
Abſicht unverkennbar eine überwiegende Rückſicht genommen, wie ſich
daraus ergebe, daß die Strafe des Raubes ſo ungleich höher, als die
Strafe der Gewaltthätigkeit in andern Fällen beſtimmt werde. Es
erſcheine daher nicht konſequent, bei der Frage über die Vollendung des
Verbrechens die Ausführung jener Abſicht als etwas Unerhebliches zu
bezeichnen.


q) Berathungs-Protokolle. III. S. 367-69. — Protokolle des
Staatsraths
, Sitzung vom 23. April 1842.
r) a. a. O. S. 26. 27.
Beſeler Kommentar. 29
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[441/0451] §. 230. Begriff des Raubes Unterſtützung blieb. q) Man entſchied ſich jedoch ſchließlich, bei dem Entwurf von 1836. ſtehen zu bleiben, und alſo das Hauptgewicht auf die bei dem Raube vorkommende Gewaltthätigkeit zu legen; in dieſem Sinne wurde der Entwurf von 1843. redigirt: §. 436. „Einen Raub begeht derjenige, welcher gegen eine Perſon Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um entweder einen Diebſtahl auszuführen, oder um ſich, bei dem Diebſtahl betroffen oder auf friſcher That verfolgt, im Beſitze des geſtohlenen Guts zu erhalten.“ „Das Verbrechen iſt vollendet, ſobald in der erwähnten Abſicht Gewalt oder Drohung angewandt iſt.“ In dem Miniſterium für die Geſetz-Reviſion wurde jedoch in Uebereinſtimmung mit mehreren Monenten die entgegenſtehende Anſicht wieder aufgenommen. „Nach dem Wortſinne,“ heißt es in der Reviſionsſchrift, r) „und nach der Auffaſſung des Volks, denen ſich das Strafgeſetzbuch ſo viel wie möglich anſchließen ſollte, beſteht der Raub gerade in der mit Ge- waltthätigkeit gegen die Perſon ausgeführten Bemächtigung der Sache. Der Entwurf hat dieſen wirklichen Begriff künſtlich geſpalten; er hat für Raub erklärt, was nur der Anfang oder Verſuch des Raubes iſt.“ Die gemiſchte Natur des Verbrechens mache es aber nothwendig, die Gewaltthätigkeit als das Mittel zum Zweck der beabſichtigten Entwen- dung zu bezeichnen, die Handlung als Eine aufzufaſſen und die Durch- führung der Abſicht in die Definition des Verbrechens aufzunehmen. Das ſei auch bei den Verbrechen wider die perſönliche Freiheit und bei der Nothzucht geſchehen. Der Grund, warum man früher anders ver- fahren ſei, liege in der Anſicht, daß die Gewaltthätigkeit, das Verbrechen gegen die Perſon, die ſtrafbare Seite des Raubes ſei. Dieſes laſſe ſich jedoch nicht unbedingt behaupten. Die Gewaltthätigkeit könne ſo unbedeutend und die Entwendung ſo erheblich ſein, daß das größere Gewicht auf die letztere falle. In allen Geſetzgebungen werde in der That auch bei Beſtimmung der Strafe des Raubes auf die diebiſche Abſicht unverkennbar eine überwiegende Rückſicht genommen, wie ſich daraus ergebe, daß die Strafe des Raubes ſo ungleich höher, als die Strafe der Gewaltthätigkeit in andern Fällen beſtimmt werde. Es erſcheine daher nicht konſequent, bei der Frage über die Vollendung des Verbrechens die Ausführung jener Abſicht als etwas Unerhebliches zu bezeichnen. q) Berathungs-Protokolle. III. S. 367-69. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. April 1842. r) a. a. O. S. 26. 27. Beſeler Kommentar. 29

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/451>, abgerufen am 23.04.2024.