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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXIV. Bankerutt.

3) wenn sie unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens jährlich zu ziehen,
obgleich dies gesetzlich vorgeschrieben oder nach der Beschaffenheit ihres Ge-
schäfts erforderlich war;

4) wenn sie, obgleich das Vermögen nach der letzten Bilanz nicht die Hälfte
der Schulden deckte, neue Schulden gemacht oder Waaren oder Kredit-
papiere unter dem Werthe verkauft haben.



I. Der einfache Bankerutt wird unter denselben allgemeinen Vor-
aussetzungen, wie der betrügliche, bestraft: nur Personen, welche zu einer
der bezeichneten Arten der Gewerbtreibenden gehören, können sich des
Vergehens schuldig machen; auch müssen sie ihre Zahlung eingestellt
haben. Während aber in dem ersten Fall die Absicht des Gemeinschuld-
ners, seine Gläubiger zu benachtheiligen, zum Thatbestande des Verbre-
chens gehörte, wird hier im Interesse des Kredits die Fahrlässigkeit und
der Leichtsinn geahndet. Dieß soll aber auch bei diesem Vergehen nicht
allgemein geschehen, so daß etwa das richterliche Ermessen nach den
Umständen über die Strafbarkeit einzelner Handlungen bei dem Kon-
kurse zu entscheiden hat, sondern nur in den bestimmten, von dem Ge-
setzbuch aufgeführten Fällen.

a. Der Entwurf von 1850. §. 237. hatte einen strafbaren Ban-
kerutt auch dann angenommen, wenn der Gemeinschuldner durch "Han-
delsoperationen, welche auf reinen Zufall berechnet waren," in Vermö-
gensverfall gerathen ist. In der Kommission der zweiten Kammer wurde
dieser Zusatz, der sich in den früheren Entwürfen nicht findet, gestrichen,
indem man annahm, daß die Anführung von Spiel und Differenz-
geschäften genüge, um den durch leichtsinnige Handelsoperationen herbei-
geführten Bankerutt mit Strafe zu treffen; daß es sich aber nicht recht-
fertige, wenn man einen Kaufmann strafen wolle, der sich mit schlechtem
Erfolg auf Spekulationen eingelassen habe, deren glücklicher oder un-
glücklicher Ausgang vom Zufall abhange. Eine solche Schranke dürfe
dem kaufmännischen Unternehmungsgeiste nicht gesetzt werden. f)

b. Die Bestimmungen in Beziehung auf die Führung der Han-
delsbücher entsprechen im Allgemeinen denjenigen, welche für den be-
trüglichen Bankerutt aufgestellt sind, nur daß hier die Fahrlässigkeit,
und nicht die betrügerische Absicht geahndet wird. Die unordentliche
Führung der Handelsbücher mußte daher bei dem einfachen Bankerutt
besonders hervorgehoben werden; auch schien es der Kommission der
zweiten Kammer nothwendig, die Verheimlichung und Vernichtung der
Handelsbücher unter Strafe zu stellen.


f) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 237. (261.)
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIV. Bankerutt.

3) wenn ſie unterlaſſen haben, die Bilanz ihres Vermögens jährlich zu ziehen,
obgleich dies geſetzlich vorgeſchrieben oder nach der Beſchaffenheit ihres Ge-
ſchäfts erforderlich war;

4) wenn ſie, obgleich das Vermögen nach der letzten Bilanz nicht die Hälfte
der Schulden deckte, neue Schulden gemacht oder Waaren oder Kredit-
papiere unter dem Werthe verkauft haben.



I. Der einfache Bankerutt wird unter denſelben allgemeinen Vor-
ausſetzungen, wie der betrügliche, beſtraft: nur Perſonen, welche zu einer
der bezeichneten Arten der Gewerbtreibenden gehören, können ſich des
Vergehens ſchuldig machen; auch müſſen ſie ihre Zahlung eingeſtellt
haben. Während aber in dem erſten Fall die Abſicht des Gemeinſchuld-
ners, ſeine Gläubiger zu benachtheiligen, zum Thatbeſtande des Verbre-
chens gehörte, wird hier im Intereſſe des Kredits die Fahrläſſigkeit und
der Leichtſinn geahndet. Dieß ſoll aber auch bei dieſem Vergehen nicht
allgemein geſchehen, ſo daß etwa das richterliche Ermeſſen nach den
Umſtänden über die Strafbarkeit einzelner Handlungen bei dem Kon-
kurſe zu entſcheiden hat, ſondern nur in den beſtimmten, von dem Ge-
ſetzbuch aufgeführten Fällen.

a. Der Entwurf von 1850. §. 237. hatte einen ſtrafbaren Ban-
kerutt auch dann angenommen, wenn der Gemeinſchuldner durch „Han-
delsoperationen, welche auf reinen Zufall berechnet waren,“ in Vermö-
gensverfall gerathen iſt. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde
dieſer Zuſatz, der ſich in den früheren Entwürfen nicht findet, geſtrichen,
indem man annahm, daß die Anführung von Spiel und Differenz-
geſchäften genüge, um den durch leichtſinnige Handelsoperationen herbei-
geführten Bankerutt mit Strafe zu treffen; daß es ſich aber nicht recht-
fertige, wenn man einen Kaufmann ſtrafen wolle, der ſich mit ſchlechtem
Erfolg auf Spekulationen eingelaſſen habe, deren glücklicher oder un-
glücklicher Ausgang vom Zufall abhange. Eine ſolche Schranke dürfe
dem kaufmänniſchen Unternehmungsgeiſte nicht geſetzt werden. f)

b. Die Beſtimmungen in Beziehung auf die Führung der Han-
delsbücher entſprechen im Allgemeinen denjenigen, welche für den be-
trüglichen Bankerutt aufgeſtellt ſind, nur daß hier die Fahrläſſigkeit,
und nicht die betrügeriſche Abſicht geahndet wird. Die unordentliche
Führung der Handelsbücher mußte daher bei dem einfachen Bankerutt
beſonders hervorgehoben werden; auch ſchien es der Kommiſſion der
zweiten Kammer nothwendig, die Verheimlichung und Vernichtung der
Handelsbücher unter Strafe zu ſtellen.


f) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 237. (261.)
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[494/0504] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIV. Bankerutt. 3) wenn ſie unterlaſſen haben, die Bilanz ihres Vermögens jährlich zu ziehen, obgleich dies geſetzlich vorgeſchrieben oder nach der Beſchaffenheit ihres Ge- ſchäfts erforderlich war; 4) wenn ſie, obgleich das Vermögen nach der letzten Bilanz nicht die Hälfte der Schulden deckte, neue Schulden gemacht oder Waaren oder Kredit- papiere unter dem Werthe verkauft haben. I. Der einfache Bankerutt wird unter denſelben allgemeinen Vor- ausſetzungen, wie der betrügliche, beſtraft: nur Perſonen, welche zu einer der bezeichneten Arten der Gewerbtreibenden gehören, können ſich des Vergehens ſchuldig machen; auch müſſen ſie ihre Zahlung eingeſtellt haben. Während aber in dem erſten Fall die Abſicht des Gemeinſchuld- ners, ſeine Gläubiger zu benachtheiligen, zum Thatbeſtande des Verbre- chens gehörte, wird hier im Intereſſe des Kredits die Fahrläſſigkeit und der Leichtſinn geahndet. Dieß ſoll aber auch bei dieſem Vergehen nicht allgemein geſchehen, ſo daß etwa das richterliche Ermeſſen nach den Umſtänden über die Strafbarkeit einzelner Handlungen bei dem Kon- kurſe zu entſcheiden hat, ſondern nur in den beſtimmten, von dem Ge- ſetzbuch aufgeführten Fällen. a. Der Entwurf von 1850. §. 237. hatte einen ſtrafbaren Ban- kerutt auch dann angenommen, wenn der Gemeinſchuldner durch „Han- delsoperationen, welche auf reinen Zufall berechnet waren,“ in Vermö- gensverfall gerathen iſt. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde dieſer Zuſatz, der ſich in den früheren Entwürfen nicht findet, geſtrichen, indem man annahm, daß die Anführung von Spiel und Differenz- geſchäften genüge, um den durch leichtſinnige Handelsoperationen herbei- geführten Bankerutt mit Strafe zu treffen; daß es ſich aber nicht recht- fertige, wenn man einen Kaufmann ſtrafen wolle, der ſich mit ſchlechtem Erfolg auf Spekulationen eingelaſſen habe, deren glücklicher oder un- glücklicher Ausgang vom Zufall abhange. Eine ſolche Schranke dürfe dem kaufmänniſchen Unternehmungsgeiſte nicht geſetzt werden. f) b. Die Beſtimmungen in Beziehung auf die Führung der Han- delsbücher entſprechen im Allgemeinen denjenigen, welche für den be- trüglichen Bankerutt aufgeſtellt ſind, nur daß hier die Fahrläſſigkeit, und nicht die betrügeriſche Abſicht geahndet wird. Die unordentliche Führung der Handelsbücher mußte daher bei dem einfachen Bankerutt beſonders hervorgehoben werden; auch ſchien es der Kommiſſion der zweiten Kammer nothwendig, die Verheimlichung und Vernichtung der Handelsbücher unter Strafe zu ſtellen. f) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 237. (261.)

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/504>, abgerufen am 28.03.2024.