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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 261. Einfacher Bankerutt.

c. Die Vorschrift wegen jährlicher Ziehung der Vermögensbilanz
wurde in der Kommission der zweiten Kammer beanstandet, weil sie
schon in den vorhergehenden Bestimmungen über die ordentliche Füh-
rung der Handelsbücher enthalten sei. Die Kommission hielt dieß aber
für unbegründet, weil beide Fälle nicht für gleichbedeutend gelten könn-
ten, und die Ziehung der Bilanz ohne eine eigentlich technische Buch-
führung möglich sei. g)

d. Die in Nr. 4. enthaltene Vorschrift war in dem Entwurf
von 1830. also gefaßt:

§. 435. Nr. 4. "wenn sie noch Gelder aufgenommen, Creditpapiere
ausgestellt, Waaren bezogen, solche unter dem Preise verkauft, oder ein-
zelne Gläubiger auf Kosten der Gesammtheit begünstigt haben, obgleich
das Aktivvermögen nach der letzten Balance nicht die Hälfte der Schul-
den deckte."

Die Staatsraths-Kommission gab dieser Fassung vor einer abwei-
chenden des Entwurfs von 1836. §. 653. den Vorzug, h) und auch der
Staatsrath stimmte derselben bei. Es wurde zwar in demselben be-
antragt, nach dem Vorgange des Allgem. Landrechts (II. 20. §. 1466.)
das Kontrahiren neuer Schulden als fahrlässigen Bankerutt zu bestra-
fen, wenn dasselbe nach eingetretener Insolvenz geschehen sei; aber man
fand, daß es, wenn man unnöthige Härten vermeiden und nicht Alles
dem richterlichen Ermessen überlassen wolle, einer positiven Grenze be-
dürfe, welche in der angeführten Bestimmung nach dem Vorgange frem-
der Handelsgesetzbücher auf eine angemessene Weise bestimmt sei. i) Der
Entwurf von 1843. §. 482. wiederholte daher die obige Vorschrift. --
Bei der Revision von 1845. machte sich aber die Ansicht geltend, daß
unter der angenommenen Voraussetzung überhaupt jedes Kontrahiren
neuer Schulden, auch wenn diese nicht in Gelddarlehen bestehen, für
strafbar zu erachten sei, und es wurde die entsprechende allgemeine Be-
zeichnung beliebt, welche dann aber die Worte "Kreditpapiere ausstellt,
Waaren bezogen" überflüssig machte. k) In dieser Fassung ist die Be-
stimmung in die späteren Entwürfe und in das Strafgesetzbuch über-
gegangen. In der Kommission der zweiten Kammer wurde dieselbe frei-
lich als unbillig angefochten; es wurde beantragt, die Worte "neue
Schulden" durch "beträchtliche Anleihe" zu ersetzen, um Uebereinstimmung
mit dem Rheinischen Rechte zu bewirken, aber dieser Antrag fand ebenso

g) Protokoll der Kommission der zweiten Kammer vom 31. Ja-
nuar 1851.
h) Berathungs-Protokolle. III. S. 425.
i) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
k) Revision von 1845. III. S. 56.
§. 261. Einfacher Bankerutt.

c. Die Vorſchrift wegen jährlicher Ziehung der Vermögensbilanz
wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer beanſtandet, weil ſie
ſchon in den vorhergehenden Beſtimmungen über die ordentliche Füh-
rung der Handelsbücher enthalten ſei. Die Kommiſſion hielt dieß aber
für unbegründet, weil beide Fälle nicht für gleichbedeutend gelten könn-
ten, und die Ziehung der Bilanz ohne eine eigentlich techniſche Buch-
führung möglich ſei. g)

d. Die in Nr. 4. enthaltene Vorſchrift war in dem Entwurf
von 1830. alſo gefaßt:

§. 435. Nr. 4. „wenn ſie noch Gelder aufgenommen, Creditpapiere
ausgeſtellt, Waaren bezogen, ſolche unter dem Preiſe verkauft, oder ein-
zelne Gläubiger auf Koſten der Geſammtheit begünſtigt haben, obgleich
das Aktivvermögen nach der letzten Balance nicht die Hälfte der Schul-
den deckte.“

Die Staatsraths-Kommiſſion gab dieſer Faſſung vor einer abwei-
chenden des Entwurfs von 1836. §. 653. den Vorzug, h) und auch der
Staatsrath ſtimmte derſelben bei. Es wurde zwar in demſelben be-
antragt, nach dem Vorgange des Allgem. Landrechts (II. 20. §. 1466.)
das Kontrahiren neuer Schulden als fahrläſſigen Bankerutt zu beſtra-
fen, wenn daſſelbe nach eingetretener Inſolvenz geſchehen ſei; aber man
fand, daß es, wenn man unnöthige Härten vermeiden und nicht Alles
dem richterlichen Ermeſſen überlaſſen wolle, einer poſitiven Grenze be-
dürfe, welche in der angeführten Beſtimmung nach dem Vorgange frem-
der Handelsgeſetzbücher auf eine angemeſſene Weiſe beſtimmt ſei. i) Der
Entwurf von 1843. §. 482. wiederholte daher die obige Vorſchrift. —
Bei der Reviſion von 1845. machte ſich aber die Anſicht geltend, daß
unter der angenommenen Vorausſetzung überhaupt jedes Kontrahiren
neuer Schulden, auch wenn dieſe nicht in Gelddarlehen beſtehen, für
ſtrafbar zu erachten ſei, und es wurde die entſprechende allgemeine Be-
zeichnung beliebt, welche dann aber die Worte „Kreditpapiere ausſtellt,
Waaren bezogen“ überflüſſig machte. k) In dieſer Faſſung iſt die Be-
ſtimmung in die ſpäteren Entwürfe und in das Strafgeſetzbuch über-
gegangen. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde dieſelbe frei-
lich als unbillig angefochten; es wurde beantragt, die Worte „neue
Schulden“ durch „beträchtliche Anleihe“ zu erſetzen, um Uebereinſtimmung
mit dem Rheiniſchen Rechte zu bewirken, aber dieſer Antrag fand ebenſo

g) Protokoll der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 31. Ja-
nuar 1851.
h) Berathungs-Protokolle. III. S. 425.
i) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
k) Reviſion von 1845. III. S. 56.
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[495/0505] §. 261. Einfacher Bankerutt. c. Die Vorſchrift wegen jährlicher Ziehung der Vermögensbilanz wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer beanſtandet, weil ſie ſchon in den vorhergehenden Beſtimmungen über die ordentliche Füh- rung der Handelsbücher enthalten ſei. Die Kommiſſion hielt dieß aber für unbegründet, weil beide Fälle nicht für gleichbedeutend gelten könn- ten, und die Ziehung der Bilanz ohne eine eigentlich techniſche Buch- führung möglich ſei. g) d. Die in Nr. 4. enthaltene Vorſchrift war in dem Entwurf von 1830. alſo gefaßt: §. 435. Nr. 4. „wenn ſie noch Gelder aufgenommen, Creditpapiere ausgeſtellt, Waaren bezogen, ſolche unter dem Preiſe verkauft, oder ein- zelne Gläubiger auf Koſten der Geſammtheit begünſtigt haben, obgleich das Aktivvermögen nach der letzten Balance nicht die Hälfte der Schul- den deckte.“ Die Staatsraths-Kommiſſion gab dieſer Faſſung vor einer abwei- chenden des Entwurfs von 1836. §. 653. den Vorzug, h) und auch der Staatsrath ſtimmte derſelben bei. Es wurde zwar in demſelben be- antragt, nach dem Vorgange des Allgem. Landrechts (II. 20. §. 1466.) das Kontrahiren neuer Schulden als fahrläſſigen Bankerutt zu beſtra- fen, wenn daſſelbe nach eingetretener Inſolvenz geſchehen ſei; aber man fand, daß es, wenn man unnöthige Härten vermeiden und nicht Alles dem richterlichen Ermeſſen überlaſſen wolle, einer poſitiven Grenze be- dürfe, welche in der angeführten Beſtimmung nach dem Vorgange frem- der Handelsgeſetzbücher auf eine angemeſſene Weiſe beſtimmt ſei. i) Der Entwurf von 1843. §. 482. wiederholte daher die obige Vorſchrift. — Bei der Reviſion von 1845. machte ſich aber die Anſicht geltend, daß unter der angenommenen Vorausſetzung überhaupt jedes Kontrahiren neuer Schulden, auch wenn dieſe nicht in Gelddarlehen beſtehen, für ſtrafbar zu erachten ſei, und es wurde die entſprechende allgemeine Be- zeichnung beliebt, welche dann aber die Worte „Kreditpapiere ausſtellt, Waaren bezogen“ überflüſſig machte. k) In dieſer Faſſung iſt die Be- ſtimmung in die ſpäteren Entwürfe und in das Strafgeſetzbuch über- gegangen. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde dieſelbe frei- lich als unbillig angefochten; es wurde beantragt, die Worte „neue Schulden“ durch „beträchtliche Anleihe“ zu erſetzen, um Uebereinſtimmung mit dem Rheiniſchen Rechte zu bewirken, aber dieſer Antrag fand ebenſo g) Protokoll der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 31. Ja- nuar 1851. h) Berathungs-Protokolle. III. S. 425. i) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842. k) Reviſion von 1845. III. S. 56.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/505>, abgerufen am 25.04.2024.