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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 308. Unterlassene Lieferung.
schwereren Fälle betreffen, erlassen; auf die Unterscheidung des Vorsatzes
und der Fahrlässigkeit, auf den Erfolg der Uebertretungen, ob eine
Ansteckung dadurch bewirkt worden oder nicht, wurde bald ein größeres,
bald ein geringeres Gewicht gelegt. q) Zuletzt hat man sich dafür ent-
schieden, allgemeine Bestimmungen aufzustellen, und das Strafmaaß so
einzurichten, daß das richterliche Ermessen die verschiedenen Grade der
Verschuldung in angemessener Weise zu berücksichtigen im Stande ist.

I. Die Absperrungs- oder Aufsichts-Maaßregeln und Einfuhrver-
bote, deren Uebertretung bestraft werden soll, müssen von der Regierung
angeordnet sein. Der Entwurf von 1847. hatte die Bezeichnung "von
der Obrigkeit," was dem vereinigten ständischen Ausschuß bedenklich
erschien, da die Erfahrung zur Zeit der Cholera gezeigt habe, daß
Ortsobrigkeiten sehr willkührliche Maaßregeln ergriffen hätten. Es
wurde daher der Zusatz beschlossen "auf Grund bestehender
Gesetze,"
obgleich dieß von der Staatsregierung als sich von selbst verstehend
bezeichnet wurde. r) Nach der gegenwärtigen Fassung des Gesetzbuchs
ist auf eine Kriminalstrafe wegen Verletzung der von einer Ortsobrigkeit
angeordneten Maaßregeln nicht zu erkennen; Uebertretungen gesetzlich
erlassener Verordnungen der Behörden (§. 332.) können jedoch mit einer
Polizeistrafe geahndet werden.

II. Für den Thatbestand des Vergehens macht es keinen Unter-
schied, ob dasselbe vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit verübt worden ist;
nur für die Strafzumessung kommt es darauf an. Aus diesem Grunde
und überhaupt mit Rücksicht auf das Vorkommen mildernder Umstände
ist auch für die Fälle, wo keine Ansteckung erfolgt ist, von der Kom-
mission der zweiten Kammer das Minimum der Gefängnißstrafe gestri-
chen worden. s)

III. Die Verschleppung ansteckender Krankheiten und Viehseuchen
ist gleich behandelt worden; nur sind die Strafen in Beziehung auf
die letzteren um die Hälfte niedriger, als diejenigen, welche auf die
Einführung und Verbreitung ansteckender Krankheiten gesetzt sind.

§. 308.

Wer die mit einer öffentlichen Behörde geschlossenen Lieferungsverträge
über Bedürfnisse des Heeres zur Zeit eines Krieges, oder über die Zufuhr

q) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. III.
S. 440. 41. 500. 528. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom
14. Mai 1842. -- Revision von 1845. III. S. 73-75. -- Verhandlungen
der Staatsraths-Kommission von
1846. S. 176.
r) Verhandlungen. IV. S. 425. 426.
s) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 278. 279.
(306. 307.).
35*

§. 308. Unterlaſſene Lieferung.
ſchwereren Fälle betreffen, erlaſſen; auf die Unterſcheidung des Vorſatzes
und der Fahrläſſigkeit, auf den Erfolg der Uebertretungen, ob eine
Anſteckung dadurch bewirkt worden oder nicht, wurde bald ein größeres,
bald ein geringeres Gewicht gelegt. q) Zuletzt hat man ſich dafür ent-
ſchieden, allgemeine Beſtimmungen aufzuſtellen, und das Strafmaaß ſo
einzurichten, daß das richterliche Ermeſſen die verſchiedenen Grade der
Verſchuldung in angemeſſener Weiſe zu berückſichtigen im Stande iſt.

I. Die Abſperrungs- oder Aufſichts-Maaßregeln und Einfuhrver-
bote, deren Uebertretung beſtraft werden ſoll, müſſen von der Regierung
angeordnet ſein. Der Entwurf von 1847. hatte die Bezeichnung „von
der Obrigkeit,“ was dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß bedenklich
erſchien, da die Erfahrung zur Zeit der Cholera gezeigt habe, daß
Ortsobrigkeiten ſehr willkührliche Maaßregeln ergriffen hätten. Es
wurde daher der Zuſatz beſchloſſen „auf Grund beſtehender
Geſetze,“
obgleich dieß von der Staatsregierung als ſich von ſelbſt verſtehend
bezeichnet wurde. r) Nach der gegenwärtigen Faſſung des Geſetzbuchs
iſt auf eine Kriminalſtrafe wegen Verletzung der von einer Ortsobrigkeit
angeordneten Maaßregeln nicht zu erkennen; Uebertretungen geſetzlich
erlaſſener Verordnungen der Behörden (§. 332.) können jedoch mit einer
Polizeiſtrafe geahndet werden.

II. Für den Thatbeſtand des Vergehens macht es keinen Unter-
ſchied, ob daſſelbe vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit verübt worden iſt;
nur für die Strafzumeſſung kommt es darauf an. Aus dieſem Grunde
und überhaupt mit Rückſicht auf das Vorkommen mildernder Umſtände
iſt auch für die Fälle, wo keine Anſteckung erfolgt iſt, von der Kom-
miſſion der zweiten Kammer das Minimum der Gefängnißſtrafe geſtri-
chen worden. s)

III. Die Verſchleppung anſteckender Krankheiten und Viehſeuchen
iſt gleich behandelt worden; nur ſind die Strafen in Beziehung auf
die letzteren um die Hälfte niedriger, als diejenigen, welche auf die
Einführung und Verbreitung anſteckender Krankheiten geſetzt ſind.

§. 308.

Wer die mit einer öffentlichen Behörde geſchloſſenen Lieferungsverträge
über Bedürfniſſe des Heeres zur Zeit eines Krieges, oder über die Zufuhr

q) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III.
S. 440. 41. 500. 528. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom
14. Mai 1842. — Reviſion von 1845. III. S. 73-75. — Verhandlungen
der Staatsraths-Kommiſſion von
1846. S. 176.
r) Verhandlungen. IV. S. 425. 426.
s) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 278. 279.
(306. 307.).
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[539/0549] §. 308. Unterlaſſene Lieferung. ſchwereren Fälle betreffen, erlaſſen; auf die Unterſcheidung des Vorſatzes und der Fahrläſſigkeit, auf den Erfolg der Uebertretungen, ob eine Anſteckung dadurch bewirkt worden oder nicht, wurde bald ein größeres, bald ein geringeres Gewicht gelegt. q) Zuletzt hat man ſich dafür ent- ſchieden, allgemeine Beſtimmungen aufzuſtellen, und das Strafmaaß ſo einzurichten, daß das richterliche Ermeſſen die verſchiedenen Grade der Verſchuldung in angemeſſener Weiſe zu berückſichtigen im Stande iſt. I. Die Abſperrungs- oder Aufſichts-Maaßregeln und Einfuhrver- bote, deren Uebertretung beſtraft werden ſoll, müſſen von der Regierung angeordnet ſein. Der Entwurf von 1847. hatte die Bezeichnung „von der Obrigkeit,“ was dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß bedenklich erſchien, da die Erfahrung zur Zeit der Cholera gezeigt habe, daß Ortsobrigkeiten ſehr willkührliche Maaßregeln ergriffen hätten. Es wurde daher der Zuſatz beſchloſſen „auf Grund beſtehender Geſetze,“ obgleich dieß von der Staatsregierung als ſich von ſelbſt verſtehend bezeichnet wurde. r) Nach der gegenwärtigen Faſſung des Geſetzbuchs iſt auf eine Kriminalſtrafe wegen Verletzung der von einer Ortsobrigkeit angeordneten Maaßregeln nicht zu erkennen; Uebertretungen geſetzlich erlaſſener Verordnungen der Behörden (§. 332.) können jedoch mit einer Polizeiſtrafe geahndet werden. II. Für den Thatbeſtand des Vergehens macht es keinen Unter- ſchied, ob daſſelbe vorſätzlich oder aus Fahrläſſigkeit verübt worden iſt; nur für die Strafzumeſſung kommt es darauf an. Aus dieſem Grunde und überhaupt mit Rückſicht auf das Vorkommen mildernder Umſtände iſt auch für die Fälle, wo keine Anſteckung erfolgt iſt, von der Kom- miſſion der zweiten Kammer das Minimum der Gefängnißſtrafe geſtri- chen worden. s) III. Die Verſchleppung anſteckender Krankheiten und Viehſeuchen iſt gleich behandelt worden; nur ſind die Strafen in Beziehung auf die letzteren um die Hälfte niedriger, als diejenigen, welche auf die Einführung und Verbreitung anſteckender Krankheiten geſetzt ſind. §. 308. Wer die mit einer öffentlichen Behörde geſchloſſenen Lieferungsverträge über Bedürfniſſe des Heeres zur Zeit eines Krieges, oder über die Zufuhr q) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III. S. 440. 41. 500. 528. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. Mai 1842. — Reviſion von 1845. III. S. 73-75. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 176. r) Verhandlungen. IV. S. 425. 426. s) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 278. 279. (306. 307.). 35*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/549>, abgerufen am 29.03.2024.