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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Das Einführungsgesetz. Abschnitt II.
Artikel XIX.

In Ansehung der durch die §§. 36., 75., 77., 79., 87., 100., 101., 102.
des Strafgesetzbuchs vorgesehenen Vergehen richtet sich die Kompetenz der
Schwurgerichtshöfe nach den bestehenden Vorschriften.

Ingleichen gehören als politische Vergehen vor die Schwurgerichtshöfe die
in den §§. 78., 84., 85., 86., 98., 99. erwähnten strafbaren Handlungen.



Der Art. 94. der Verfassungs-Urkunde bestimmt.

"Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, bei allen
politischen Verbrechen und bei allen Preßvergehen, welche das Gesetz
nicht ausdrücklich ausnimmt, erfolgt die Entscheidung über die Schuld
des Angeklagten durch Geschworene."

Im Sinne dieser Vorschrift (zu deren Verständniß übrigens bemerkt
werden muß, daß zur Zeit der Erlassung der Verfassungs-Urkunde die
technische Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen noch nicht
bestand) waren in der Verordnung vom 3. Januar 1849. §. 61.
(G.-S. S. 24. 25.) und in der Verordnung vom 30. Juni 1849.
§. 39. (G.-S. S. 234. 235.) diejenigen strafbaren Handlungen genauer
bezeichnet worden, welche als politische Verbrechen und Preßvergehen
vor die Schwurgerichtshöfe gehörten. Bei der Entwerfung des Ein-
führungsgesetzes für das Strafgesetzbuch war die Kommission der zwei-
ten Kammer darauf bedacht, den bestehenden Rechtszustand in dieser
Beziehung aufrecht zu erhalten. Sie verglich daher die in jenen Ge-
setzesstellen enthaltenen Vorschriften mit denen des Strafgesetzbuchs, und
wiederholte in Betreff derselben die Bestimmung über die Zuständigkeit
der Schwurgerichtshöfe, indem sie auf die Paragraphen des Gesetzbuchs
verwies, in welchen die einzelnen hierher gehörigen Handlungen mit
Strafe bedroht sind. Dabei kam nur in Betracht:

a. Daß einzelne dieser Handlungen im Strafgesetzbuch unter die
Verbrechen aufgenommen worden sind, so daß die allgemeine Regel über
die Zuständigkeit der Schwurgerichtshöfe für dieselben geltend wurde.
b. Das in §. 93. vorgesehene Vergehen ist nach der gegenwär-
tigen Feststellung des Thatbestandes mehr polizeilicher als politischer
Natur, und daher unter die in Art. XIX. Abs. 2. aufgezählten Fälle
nicht aufgenommen worden.
c. Zur Zeit der Verhandlungen über das Strafgesetzbuch war
die Preßgesetzgebung noch nicht definitiv geordnet. Daher erklärt sich
die umschreibende Fassung des ersten, von den Preßvergehen handeln-
den Absatzes des Art. XIX. Der Sinn der Gesetzesstelle geht jedoch
schon aus den Anfangsworten des folgenden Absatzes "Ingleichen
gehören als politische Vergehen" u. s. w. -- deutlich hervor. i)

i) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu Art. XIV. (XIX.).
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt II.
Artikel XIX.

In Anſehung der durch die §§. 36., 75., 77., 79., 87., 100., 101., 102.
des Strafgeſetzbuchs vorgeſehenen Vergehen richtet ſich die Kompetenz der
Schwurgerichtshöfe nach den beſtehenden Vorſchriften.

Ingleichen gehören als politiſche Vergehen vor die Schwurgerichtshöfe die
in den §§. 78., 84., 85., 86., 98., 99. erwähnten ſtrafbaren Handlungen.



Der Art. 94. der Verfaſſungs-Urkunde beſtimmt.

„Bei den mit ſchweren Strafen bedrohten Verbrechen, bei allen
politiſchen Verbrechen und bei allen Preßvergehen, welche das Geſetz
nicht ausdrücklich ausnimmt, erfolgt die Entſcheidung über die Schuld
des Angeklagten durch Geſchworene.“

Im Sinne dieſer Vorſchrift (zu deren Verſtändniß übrigens bemerkt
werden muß, daß zur Zeit der Erlaſſung der Verfaſſungs-Urkunde die
techniſche Unterſcheidung zwiſchen Verbrechen und Vergehen noch nicht
beſtand) waren in der Verordnung vom 3. Januar 1849. §. 61.
(G.-S. S. 24. 25.) und in der Verordnung vom 30. Juni 1849.
§. 39. (G.-S. S. 234. 235.) diejenigen ſtrafbaren Handlungen genauer
bezeichnet worden, welche als politiſche Verbrechen und Preßvergehen
vor die Schwurgerichtshöfe gehörten. Bei der Entwerfung des Ein-
führungsgeſetzes für das Strafgeſetzbuch war die Kommiſſion der zwei-
ten Kammer darauf bedacht, den beſtehenden Rechtszuſtand in dieſer
Beziehung aufrecht zu erhalten. Sie verglich daher die in jenen Ge-
ſetzesſtellen enthaltenen Vorſchriften mit denen des Strafgeſetzbuchs, und
wiederholte in Betreff derſelben die Beſtimmung über die Zuſtändigkeit
der Schwurgerichtshöfe, indem ſie auf die Paragraphen des Geſetzbuchs
verwies, in welchen die einzelnen hierher gehörigen Handlungen mit
Strafe bedroht ſind. Dabei kam nur in Betracht:

a. Daß einzelne dieſer Handlungen im Strafgeſetzbuch unter die
Verbrechen aufgenommen worden ſind, ſo daß die allgemeine Regel über
die Zuſtändigkeit der Schwurgerichtshöfe für dieſelben geltend wurde.
b. Das in §. 93. vorgeſehene Vergehen iſt nach der gegenwär-
tigen Feſtſtellung des Thatbeſtandes mehr polizeilicher als politiſcher
Natur, und daher unter die in Art. XIX. Abſ. 2. aufgezählten Fälle
nicht aufgenommen worden.
c. Zur Zeit der Verhandlungen über das Strafgeſetzbuch war
die Preßgeſetzgebung noch nicht definitiv geordnet. Daher erklärt ſich
die umſchreibende Faſſung des erſten, von den Preßvergehen handeln-
den Abſatzes des Art. XIX. Der Sinn der Geſetzesſtelle geht jedoch
ſchon aus den Anfangsworten des folgenden Abſatzes „Ingleichen
gehören als politiſche Vergehen“ u. ſ. w. — deutlich hervor. i)

i) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. XIV. (XIX.).
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[622/0632] Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt II. Artikel XIX. In Anſehung der durch die §§. 36., 75., 77., 79., 87., 100., 101., 102. des Strafgeſetzbuchs vorgeſehenen Vergehen richtet ſich die Kompetenz der Schwurgerichtshöfe nach den beſtehenden Vorſchriften. Ingleichen gehören als politiſche Vergehen vor die Schwurgerichtshöfe die in den §§. 78., 84., 85., 86., 98., 99. erwähnten ſtrafbaren Handlungen. Der Art. 94. der Verfaſſungs-Urkunde beſtimmt. „Bei den mit ſchweren Strafen bedrohten Verbrechen, bei allen politiſchen Verbrechen und bei allen Preßvergehen, welche das Geſetz nicht ausdrücklich ausnimmt, erfolgt die Entſcheidung über die Schuld des Angeklagten durch Geſchworene.“ Im Sinne dieſer Vorſchrift (zu deren Verſtändniß übrigens bemerkt werden muß, daß zur Zeit der Erlaſſung der Verfaſſungs-Urkunde die techniſche Unterſcheidung zwiſchen Verbrechen und Vergehen noch nicht beſtand) waren in der Verordnung vom 3. Januar 1849. §. 61. (G.-S. S. 24. 25.) und in der Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 39. (G.-S. S. 234. 235.) diejenigen ſtrafbaren Handlungen genauer bezeichnet worden, welche als politiſche Verbrechen und Preßvergehen vor die Schwurgerichtshöfe gehörten. Bei der Entwerfung des Ein- führungsgeſetzes für das Strafgeſetzbuch war die Kommiſſion der zwei- ten Kammer darauf bedacht, den beſtehenden Rechtszuſtand in dieſer Beziehung aufrecht zu erhalten. Sie verglich daher die in jenen Ge- ſetzesſtellen enthaltenen Vorſchriften mit denen des Strafgeſetzbuchs, und wiederholte in Betreff derſelben die Beſtimmung über die Zuſtändigkeit der Schwurgerichtshöfe, indem ſie auf die Paragraphen des Geſetzbuchs verwies, in welchen die einzelnen hierher gehörigen Handlungen mit Strafe bedroht ſind. Dabei kam nur in Betracht: a. Daß einzelne dieſer Handlungen im Strafgeſetzbuch unter die Verbrechen aufgenommen worden ſind, ſo daß die allgemeine Regel über die Zuſtändigkeit der Schwurgerichtshöfe für dieſelben geltend wurde. b. Das in §. 93. vorgeſehene Vergehen iſt nach der gegenwär- tigen Feſtſtellung des Thatbeſtandes mehr polizeilicher als politiſcher Natur, und daher unter die in Art. XIX. Abſ. 2. aufgezählten Fälle nicht aufgenommen worden. c. Zur Zeit der Verhandlungen über das Strafgeſetzbuch war die Preßgeſetzgebung noch nicht definitiv geordnet. Daher erklärt ſich die umſchreibende Faſſung des erſten, von den Preßvergehen handeln- den Abſatzes des Art. XIX. Der Sinn der Geſetzesſtelle geht jedoch ſchon aus den Anfangsworten des folgenden Abſatzes „Ingleichen gehören als politiſche Vergehen“ u. ſ. w. — deutlich hervor. i) i) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. XIV. (XIX.).

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/632>, abgerufen am 25.04.2024.