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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Tit. I. Von den Strafen.

Auch in Preußen ist die Revision des Strafrechts hauptsächlich
deswegen nothwendig geworden, weil das Strafsystem den Anforderun-
gen der Gegenwart nicht mehr genügte. Dieß gilt nicht bloß für das
Allgemeine Landrecht, sondern auch für das Rheinische und das gemeine
Deutsche Strafrecht; in verschiedener Weise, aber gleich dringend war
für alle drei Rechte nach dieser Seite hin eine Reform unabweislich
geworden. Eine kurze Betrachtung wird dieß darthun.

Das Allgemeine Landrecht hat über die Strafarten keine all-
gemeinen Vorschriften gegeben; das System derselben muß daher, soweit
ein solches überhaupt vorhanden gewesen, den einzelnen Bestimmungen
entnommen werden. Es kommen darnach folgende Strafen vor: o)

1) Die Todesstrafe.

Dieselbe wird vollstreckt: durch das Rad von unten; durch das
Rad von oben; durch Feuer; durch den Strang oder Galgen; durch
das Schwert, an dessen Stelle später das Beil getreten. Daneben
kommen als Verschärfung der Todesstrafe vor: Schleifung des Verbre-
chers zur Richtstätte und öffentliche Ausstellung des Leichnams.

2) Freiheitsstrafen.

Von diesen kennt das Landrecht: Zuchthausstrafe, Strafarbeit, Ge-
fängniß und Festungsstrafe. Die letztere ist entweder Festungsarbeit,
die härteste aller Freiheitsstrafen, oder Festungsarrest, die mildeste Form
des Gefängnisses, die s. g. custodia honesta. Das Gesetz läßt es aber
zuweilen zweifelhaft, welche dieser beiden Arten der Festungsstrafe ge-
meint ist, und auch zwischen ihnen und dem Zuchthaus, der Strafarbeit
und dem Gefängniß ist dem Richter in der Regel die Wahl gelassen,
so daß die Persönlichkeit des Thäters, sein Stand u. s. w. den Aus-
schlag geben. Auf die beiden härtesten dieser Strafen, Festungsarbeit
und Zuchthaus, kann für kurze Zeit und wiederum für die Lebensdauer
erkannt werden. -- Als Schärfungsmittel werden genannt: Brandmar-
kung, Staupenschlag, öffentliche Ausstellung, körperliche Züchtigung.

3) Körperliche Züchtigung.
4) Ehrenstrafen.
5) Vermögenskonfiskation.
6) Geldbußen.
7) Amtsentsetzung und Amtssuspension.
8) Verbannung.

Die Strafen des Rheinischen Rechts unterscheiden sich, je nach-
dem sie auf Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen gesetzt sind.


o) Vgl. Motive zu dem ersten Entwurfe des Criminalgesetzbuchs I. (Berlin,
1827.) S. 16-87. -- Temme, Handbuch des Preuß.
Criminalrechts (Leipzig,
1837.) S. 11-17.
6 *
Tit. I. Von den Strafen.

Auch in Preußen iſt die Reviſion des Strafrechts hauptſächlich
deswegen nothwendig geworden, weil das Strafſyſtem den Anforderun-
gen der Gegenwart nicht mehr genügte. Dieß gilt nicht bloß für das
Allgemeine Landrecht, ſondern auch für das Rheiniſche und das gemeine
Deutſche Strafrecht; in verſchiedener Weiſe, aber gleich dringend war
für alle drei Rechte nach dieſer Seite hin eine Reform unabweislich
geworden. Eine kurze Betrachtung wird dieß darthun.

Das Allgemeine Landrecht hat über die Strafarten keine all-
gemeinen Vorſchriften gegeben; das Syſtem derſelben muß daher, ſoweit
ein ſolches überhaupt vorhanden geweſen, den einzelnen Beſtimmungen
entnommen werden. Es kommen darnach folgende Strafen vor: o)

1) Die Todesſtrafe.

Dieſelbe wird vollſtreckt: durch das Rad von unten; durch das
Rad von oben; durch Feuer; durch den Strang oder Galgen; durch
das Schwert, an deſſen Stelle ſpäter das Beil getreten. Daneben
kommen als Verſchärfung der Todesſtrafe vor: Schleifung des Verbre-
chers zur Richtſtätte und öffentliche Ausſtellung des Leichnams.

2) Freiheitsſtrafen.

Von dieſen kennt das Landrecht: Zuchthausſtrafe, Strafarbeit, Ge-
fängniß und Feſtungsſtrafe. Die letztere iſt entweder Feſtungsarbeit,
die härteſte aller Freiheitsſtrafen, oder Feſtungsarreſt, die mildeſte Form
des Gefängniſſes, die ſ. g. cuſtodia honeſta. Das Geſetz läßt es aber
zuweilen zweifelhaft, welche dieſer beiden Arten der Feſtungsſtrafe ge-
meint iſt, und auch zwiſchen ihnen und dem Zuchthaus, der Strafarbeit
und dem Gefängniß iſt dem Richter in der Regel die Wahl gelaſſen,
ſo daß die Perſönlichkeit des Thäters, ſein Stand u. ſ. w. den Aus-
ſchlag geben. Auf die beiden härteſten dieſer Strafen, Feſtungsarbeit
und Zuchthaus, kann für kurze Zeit und wiederum für die Lebensdauer
erkannt werden. — Als Schärfungsmittel werden genannt: Brandmar-
kung, Staupenſchlag, öffentliche Ausſtellung, körperliche Züchtigung.

3) Körperliche Züchtigung.
4) Ehrenſtrafen.
5) Vermögenskonfiskation.
6) Geldbußen.
7) Amtsentſetzung und Amtsſuspenſion.
8) Verbannung.

Die Strafen des Rheiniſchen Rechts unterſcheiden ſich, je nach-
dem ſie auf Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen geſetzt ſind.


o) Vgl. Motive zu dem erſten Entwurfe des Criminalgeſetzbuchs I. (Berlin,
1827.) S. 16-87. — Temme, Handbuch des Preuß.
Criminalrechts (Leipzig,
1837.) S. 11-17.
6 *
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[83/0093] Tit. I. Von den Strafen. Auch in Preußen iſt die Reviſion des Strafrechts hauptſächlich deswegen nothwendig geworden, weil das Strafſyſtem den Anforderun- gen der Gegenwart nicht mehr genügte. Dieß gilt nicht bloß für das Allgemeine Landrecht, ſondern auch für das Rheiniſche und das gemeine Deutſche Strafrecht; in verſchiedener Weiſe, aber gleich dringend war für alle drei Rechte nach dieſer Seite hin eine Reform unabweislich geworden. Eine kurze Betrachtung wird dieß darthun. Das Allgemeine Landrecht hat über die Strafarten keine all- gemeinen Vorſchriften gegeben; das Syſtem derſelben muß daher, ſoweit ein ſolches überhaupt vorhanden geweſen, den einzelnen Beſtimmungen entnommen werden. Es kommen darnach folgende Strafen vor: o) 1) Die Todesſtrafe. Dieſelbe wird vollſtreckt: durch das Rad von unten; durch das Rad von oben; durch Feuer; durch den Strang oder Galgen; durch das Schwert, an deſſen Stelle ſpäter das Beil getreten. Daneben kommen als Verſchärfung der Todesſtrafe vor: Schleifung des Verbre- chers zur Richtſtätte und öffentliche Ausſtellung des Leichnams. 2) Freiheitsſtrafen. Von dieſen kennt das Landrecht: Zuchthausſtrafe, Strafarbeit, Ge- fängniß und Feſtungsſtrafe. Die letztere iſt entweder Feſtungsarbeit, die härteſte aller Freiheitsſtrafen, oder Feſtungsarreſt, die mildeſte Form des Gefängniſſes, die ſ. g. cuſtodia honeſta. Das Geſetz läßt es aber zuweilen zweifelhaft, welche dieſer beiden Arten der Feſtungsſtrafe ge- meint iſt, und auch zwiſchen ihnen und dem Zuchthaus, der Strafarbeit und dem Gefängniß iſt dem Richter in der Regel die Wahl gelaſſen, ſo daß die Perſönlichkeit des Thäters, ſein Stand u. ſ. w. den Aus- ſchlag geben. Auf die beiden härteſten dieſer Strafen, Feſtungsarbeit und Zuchthaus, kann für kurze Zeit und wiederum für die Lebensdauer erkannt werden. — Als Schärfungsmittel werden genannt: Brandmar- kung, Staupenſchlag, öffentliche Ausſtellung, körperliche Züchtigung. 3) Körperliche Züchtigung. 4) Ehrenſtrafen. 5) Vermögenskonfiskation. 6) Geldbußen. 7) Amtsentſetzung und Amtsſuspenſion. 8) Verbannung. Die Strafen des Rheiniſchen Rechts unterſcheiden ſich, je nach- dem ſie auf Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen geſetzt ſind. o) Vgl. Motive zu dem erſten Entwurfe des Criminalgeſetzbuchs I. (Berlin, 1827.) S. 16-87. — Temme, Handbuch des Preuß. Criminalrechts (Leipzig, 1837.) S. 11-17. 6 *

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/93>, abgerufen am 28.03.2024.