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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Eilftes Kapitel.
dem mecklenburgischen Creditwesen tiefe Wunden geschlagen hat,
läßt sich allein als ein Juristenrecht deduciren; an seiner, auch
von der Gesetzgebung anerkannten Geltung ist aber nicht zu
zweifeln, und es ist auch erst in neuerer Zeit durch eine aus-
drückliche legislative Verfügung aufgehoben worden.

Es genügt nun aber, in dem Angeführten die Möglich-
keit und Existenz eines particulären Juristenrechts dargethan
zu haben; der weitern Erwägung desselben in seinen einzelnen
Erscheinungen können wir uns überheben, so daß die Dar-
stellung sich sofort zum gemeinen Rechte wenden kann. Hier
ist nun vor Allem auf die Thatsache ein besonderer Nachdruck
zu legen, daß die Aufnahme des römischen Rechts in Deutsch-
land fast ausschließlich dem Juristenstande zuzuschreiben ist,
so daß in dessen Wirksamkeit der eigentliche Grund des gan-
zen Ereignisses gesucht werden muß. Die Feststellung dieser
Thatsache hat aber nicht bloß einen historischen Werth, sondern
ist auch von unmittelbar practischer Bedeutung, indem dadurch
die Veränderungen, welche das römische Recht bei uns durch
die Juristen erfahren hat, in ihrer positiven Geltung eben so
gut, wie dieses selbst gerechtfertigt und begründet erscheinen.
Es kommt also nur darauf an, mit Bestimmtheit nachzuwei-
sen, unter welchen Modificationen jene Reception geschehen ist,
wobei aber, wie schon früher gezeigt worden, das Verhältniß
einer völligen Stabilität nicht angenommen werden darf, weil
sich im Juristenstande selbst die Ansichten vielfach geändert
haben, und dieselbe Macht, welche die Erhebung des römischen
Rechts zur positiven Rechtsquelle durchzuführen, und dabei
sofort wesentliche Veränderungen mit demselben vorzunehmen
vermochte, auch im Stande war, später noch über die Art und
den Umfang der Geltung abweichende Grundsätze festzustellen. --

Eilftes Kapitel.
dem mecklenburgiſchen Creditweſen tiefe Wunden geſchlagen hat,
laͤßt ſich allein als ein Juriſtenrecht deduciren; an ſeiner, auch
von der Geſetzgebung anerkannten Geltung iſt aber nicht zu
zweifeln, und es iſt auch erſt in neuerer Zeit durch eine aus-
druͤckliche legislative Verfuͤgung aufgehoben worden.

Es genuͤgt nun aber, in dem Angefuͤhrten die Moͤglich-
keit und Exiſtenz eines particulaͤren Juriſtenrechts dargethan
zu haben; der weitern Erwaͤgung deſſelben in ſeinen einzelnen
Erſcheinungen koͤnnen wir uns uͤberheben, ſo daß die Dar-
ſtellung ſich ſofort zum gemeinen Rechte wenden kann. Hier
iſt nun vor Allem auf die Thatſache ein beſonderer Nachdruck
zu legen, daß die Aufnahme des roͤmiſchen Rechts in Deutſch-
land faſt ausſchließlich dem Juriſtenſtande zuzuſchreiben iſt,
ſo daß in deſſen Wirkſamkeit der eigentliche Grund des gan-
zen Ereigniſſes geſucht werden muß. Die Feſtſtellung dieſer
Thatſache hat aber nicht bloß einen hiſtoriſchen Werth, ſondern
iſt auch von unmittelbar practiſcher Bedeutung, indem dadurch
die Veraͤnderungen, welche das roͤmiſche Recht bei uns durch
die Juriſten erfahren hat, in ihrer poſitiven Geltung eben ſo
gut, wie dieſes ſelbſt gerechtfertigt und begruͤndet erſcheinen.
Es kommt alſo nur darauf an, mit Beſtimmtheit nachzuwei-
ſen, unter welchen Modificationen jene Reception geſchehen iſt,
wobei aber, wie ſchon fruͤher gezeigt worden, das Verhaͤltniß
einer voͤlligen Stabilitaͤt nicht angenommen werden darf, weil
ſich im Juriſtenſtande ſelbſt die Anſichten vielfach geaͤndert
haben, und dieſelbe Macht, welche die Erhebung des roͤmiſchen
Rechts zur poſitiven Rechtsquelle durchzufuͤhren, und dabei
ſofort weſentliche Veraͤnderungen mit demſelben vorzunehmen
vermochte, auch im Stande war, ſpaͤter noch uͤber die Art und
den Umfang der Geltung abweichende Grundſaͤtze feſtzuſtellen. —

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[332/0344] Eilftes Kapitel. dem mecklenburgiſchen Creditweſen tiefe Wunden geſchlagen hat, laͤßt ſich allein als ein Juriſtenrecht deduciren; an ſeiner, auch von der Geſetzgebung anerkannten Geltung iſt aber nicht zu zweifeln, und es iſt auch erſt in neuerer Zeit durch eine aus- druͤckliche legislative Verfuͤgung aufgehoben worden. Es genuͤgt nun aber, in dem Angefuͤhrten die Moͤglich- keit und Exiſtenz eines particulaͤren Juriſtenrechts dargethan zu haben; der weitern Erwaͤgung deſſelben in ſeinen einzelnen Erſcheinungen koͤnnen wir uns uͤberheben, ſo daß die Dar- ſtellung ſich ſofort zum gemeinen Rechte wenden kann. Hier iſt nun vor Allem auf die Thatſache ein beſonderer Nachdruck zu legen, daß die Aufnahme des roͤmiſchen Rechts in Deutſch- land faſt ausſchließlich dem Juriſtenſtande zuzuſchreiben iſt, ſo daß in deſſen Wirkſamkeit der eigentliche Grund des gan- zen Ereigniſſes geſucht werden muß. Die Feſtſtellung dieſer Thatſache hat aber nicht bloß einen hiſtoriſchen Werth, ſondern iſt auch von unmittelbar practiſcher Bedeutung, indem dadurch die Veraͤnderungen, welche das roͤmiſche Recht bei uns durch die Juriſten erfahren hat, in ihrer poſitiven Geltung eben ſo gut, wie dieſes ſelbſt gerechtfertigt und begruͤndet erſcheinen. Es kommt alſo nur darauf an, mit Beſtimmtheit nachzuwei- ſen, unter welchen Modificationen jene Reception geſchehen iſt, wobei aber, wie ſchon fruͤher gezeigt worden, das Verhaͤltniß einer voͤlligen Stabilitaͤt nicht angenommen werden darf, weil ſich im Juriſtenſtande ſelbſt die Anſichten vielfach geaͤndert haben, und dieſelbe Macht, welche die Erhebung des roͤmiſchen Rechts zur poſitiven Rechtsquelle durchzufuͤhren, und dabei ſofort weſentliche Veraͤnderungen mit demſelben vorzunehmen vermochte, auch im Stande war, ſpaͤter noch uͤber die Art und den Umfang der Geltung abweichende Grundſaͤtze feſtzuſtellen. —

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/344>, abgerufen am 19.04.2024.