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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.

Und nun erzählte er ihr, schluchzend und un¬
fähig, seine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er
vorhatte, Alles, was ihm geschehen war, Alles, was
ihn drückte.

Das machte weniger Eindruck auf sie. Sie
verstand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬
griff sie.

-- Fahr hin, wo Du willst, wenn Du nicht
mehr in die Schule gehn magst. Sie erwischen
Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmst Du nicht
mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottseidank, daß
Du zu mir gekommen bist! Denke blos: Später!
Wenn Dus gefühlt hättest, was Du gethan hast . . .

Herr du mein Gott, so ein Unglück! Du
wärst ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß,
was Du noch Alles angerichtet hättest! Mord und
Todschlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere
Bengel nicht gekommen ist. Sonst hätt ich Dich
nicht hier.

Es beleidigte ihn gar nicht, daß sie ihn so in
aller Deutlichkeit als Junge etc. traktierte. Er war
vollkommen mürbe.

Nach langen Beratungen kamen sie schließlich
überein, daß er die Nacht noch hierbleiben sollte
(denn er fühlte sich nun unfähig zu jedem anderen

Stilpe.

Und nun erzählte er ihr, ſchluchzend und un¬
fähig, ſeine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er
vorhatte, Alles, was ihm geſchehen war, Alles, was
ihn drückte.

Das machte weniger Eindruck auf ſie. Sie
verſtand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬
griff ſie.

— Fahr hin, wo Du willſt, wenn Du nicht
mehr in die Schule gehn magſt. Sie erwiſchen
Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmſt Du nicht
mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottſeidank, daß
Du zu mir gekommen biſt! Denke blos: Später!
Wenn Dus gefühlt hätteſt, was Du gethan haſt . . .

Herr du mein Gott, ſo ein Unglück! Du
wärſt ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß,
was Du noch Alles angerichtet hätteſt! Mord und
Todſchlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere
Bengel nicht gekommen iſt. Sonſt hätt ich Dich
nicht hier.

Es beleidigte ihn gar nicht, daß ſie ihn ſo in
aller Deutlichkeit als Junge ꝛc. traktierte. Er war
vollkommen mürbe.

Nach langen Beratungen kamen ſie ſchließlich
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(denn er fühlte ſich nun unfähig zu jedem anderen

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[160/0174] Stilpe. Und nun erzählte er ihr, ſchluchzend und un¬ fähig, ſeine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er vorhatte, Alles, was ihm geſchehen war, Alles, was ihn drückte. Das machte weniger Eindruck auf ſie. Sie verſtand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬ griff ſie. — Fahr hin, wo Du willſt, wenn Du nicht mehr in die Schule gehn magſt. Sie erwiſchen Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmſt Du nicht mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottſeidank, daß Du zu mir gekommen biſt! Denke blos: Später! Wenn Dus gefühlt hätteſt, was Du gethan haſt . . . Herr du mein Gott, ſo ein Unglück! Du wärſt ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß, was Du noch Alles angerichtet hätteſt! Mord und Todſchlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere Bengel nicht gekommen iſt. Sonſt hätt ich Dich nicht hier. Es beleidigte ihn gar nicht, daß ſie ihn ſo in aller Deutlichkeit als Junge ꝛc. traktierte. Er war vollkommen mürbe. Nach langen Beratungen kamen ſie ſchließlich überein, daß er die Nacht noch hierbleiben ſollte (denn er fühlte ſich nun unfähig zu jedem anderen

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/174>, abgerufen am 24.04.2024.